Neuburger Rundschau

Unionswähl­er wollen Laschet ersetzen

70 Prozent hätten lieber Söder als Kanzlerkan­didaten. SPD liegt jetzt vorne

- VON MARIA HEINRICH, NIKLAS MOLTER UND MICHAEL STIFTER

Augsburg Armin Laschet verliert auch im eigenen Lager immer mehr an Rückhalt. Fast 70 Prozent der Anhängerin­nen und Anhänger der Union sprechen sich dafür aus, den Kanzlerkan­didaten durch CSUChef Markus Söder zu ersetzen. Das ergab eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion. Auch in der Gesamtbevö­lkerung befürworte­t eine Mehrheit von 52 Prozent einen Kandidaten­tausch. Einen Monat vor der Bundestags­wahl steckt die Union, die noch vor ein paar Wochen wie der sichere Sieger ausgesehen hatte, in einer tiefen Krise.

Nicht nur Laschets persönlich­e Zustimmung­swerte sind miserabel, auch seine Partei steht schlecht da. Die SPD mit ihrem Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz liegt in einer am Dienstag veröffentl­ichten ForsaUmfra­ge erstmals seit 15 Jahren vor der Union. Längst wird intern darüber diskutiert, ob man nicht doch Söder hätte ins Rennen schicken sollen – auch wenn dieser am Dienstag erneut abwinkte. Theoretisc­h wäre eine solche Rochade immer noch möglich, denn am 26. September wird ja nicht der Nachfolger von Angela Merkel gewählt, sondern der Deutsche Bundestag. Wer dort eine Mehrheit für sich gewinnen kann, wird Kanzler – oder Kanzlerin.

Die Politikwis­senschaftl­erin Ursula Münch hält einen Personalwe­chsel für unwahrsche­inlich. „Laschet hat ein dickes Fell und er verweist gern darauf, dass er immer wieder unterschät­zt wird. Wenn er also nicht bereit wäre zu verzichten, käme ein Austausch der Kandidaten einem Zerreißen der Union gleich“, sagt die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing unserer Redaktion. Dass der CDUChef unter dem Druck der bayerische­n Schwesterp­artei einknickt, glaubt Münch nicht. „Diese Entscheidu­ng

müsste aus der CDU initiiert werden und sie würde damit ihrem Parteivors­itzenden ja praktisch das Vertrauen entziehen“, erklärt die Expertin. Aus ihrer Sicht ist es deshalb „praktisch egal, ob sieben von zehn Wählern den Kandidaten gerne austausche­n würden. Faktisch wird es nicht passieren, weil es die CDU, aber auch die ganze Union zerreißen würde“.

Zudem müsste die Union auf der Zielgerade­n den Wählerinne­n und Wählern erklären, warum der Kandidat, den sie nun seit Monaten als nächsten Bundeskanz­ler propagiert hat, plötzlich der falsche sein soll. Abgesehen davon hat die Briefwahl schon begonnen. Zwar tauchen die Namen der Kanzlerkan­didaten auf den Wahlzettel­n nicht auf, aber natürlich spielt es bei der Wahlentsch­eidung für die meisten Menschen eine wichtige Rolle, wer an der Spitze steht.

Die Angst in der Union, nach 16 Jahren abgewählt zu werden, ist groß. Vor allem in der CSU rumort es. „Das Umfrageerg­ebnis überrascht mich gar nicht. Söder war immer der, der die Herzen innerhalb der Partei angesproch­en hat. Und es gibt viele, die ihn sich eigentlich immer noch als Kanzler wünschen“, sagt ein schwäbisch­er CSU-Politiker. Zwar hält er eine Kandidaten­rochade für undenkbar, sagt aber zugleich: „Ich glaube, einige haben die Hoffnung, dass es nach der Wahl einen Tausch geben könnte, noch nicht aufgegeben.“In Bayern hat es eine solche Situation tatsächlic­h schon einmal gegeben. 2008 zog die CSU mit Ministerpr­äsident Günther Beckstein in die Landtagswa­hl, holte zwar die meisten Stimmen, kassierte aber ein aus damaliger Sicht katastroph­ales Ergebnis. Beckstein erklärte daraufhin seinen Rückzug. Stattdesse­n wurde Horst Seehofer vom Bayerische­n Landtag zum Ministerpr­äsidenten gewählt.

Um die Aufregung in der Union geht es auch im Kommentar und auf der Dritten Seite.

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