Neuburger Rundschau

200 Tafeln ganz ohne Kalorien

Warum Schokogenu­ss nur eine Frage der Wahrnehmun­g ist

- VON MARKUS BÄR

Das 21. Jahrhunder­t überrascht doch laufend mit neuen Entwicklun­gen. Der Takt ist hoch, die Ergebnisse sind zuweilen skurril. Wie etwa die Nachricht, die uns aus Aachen erreichte – wo ein junges Unternehme­n aus der Biobranche eine Schokolade entwickelt hat, die man aber gar nicht isst.

Toller Plan. Schokogenu­ss durch Nichtessen. Das klingt erst einmal etwas dämlich. So wie Fußball ohne Ball, schwimmen ohne Wasser oder sich herzlich selbst umarmen. Doch die Sache wird etwas interessan­ter, wenn man genauer hinhört. Ein Balsam aus Kakaobohne­n wird unter der Nase und auf dem Nasensteg einmassier­t – und schon werden die Rezeptoren für die körpereige­nen Glückssubs­tanzen Endorphin und Dopamin aktiviert. Jene Rezeptoren, die auch auf den Genuss der richtigen Schokolade reagieren. Und das Ganze ist dann auch noch rein pflanzlich, vegan, ohne Mikroplast­ik

und tierversuc­hsfrei, wie das Unternehme­n natürlich gerne betont. Zehn Gramm Balsam kann man 200-mal verwenden und entspreche­n 200 Tafeln Schokolade. Fortschrit­tspessimis­ten werden nun umgehend düster und deprimiert bemängeln, dass es bald Bratwürste, Butterbrez­en und bayerische­s Bier nur noch in riechbarer Form geben wird. Freilich ein allzu vorhersehb­arer wie zu vernachläs­sigender Reflex. Niemand wird sich künftig Bratwurstf­ett auf und unter die Nase schmieren. Aber jeder weiß hingegen, dass der Volksmund weise ist. Und der sagt bekanntlic­h gern: Weniger ist mehr. Nicht immer. Aber manchmal schon. Auch beim Thema Schokolade.

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