Neuburger Rundschau

Auf einen Tee mit den Taliban

Markus Potzel war Botschafte­r in Kabul. Jetzt soll er die Islamisten dazu bringen, einheimisc­he Ortskräfte ausreisen zu lassen. Warum er der Richtige für diesen Job ist

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Diplomaten und Rechtsanwä­lte haben eines gemeinsam: Sie müssen auch dann konziliant und sachlich bleiben, wenn sie es mit Verbrecher­n und Schurken zu tun haben. Markus Potzel ist Diplomat, ja seit Dienstag sogar „Krisendipl­omat“oder – weniger glamourös – „Bittstelle­r“, wie manche Medien schreiben: Der 55-Jährige verhandelt derzeit im Auftrag des Außenminis­ters Heiko Maas (SPD) in Katar als Mitglied einer internatio­nalen Delegation mit Vertretern der islamistis­chen Taliban. Ziel der Gespräche in der Hauptstadt Doha ist es, die neuen afghanisch­en Machthaber dazu zu bewegen, einheimisc­he Ortskräfte ausreisen zu lassen, die sich vor der Rache der Taliban fürchten.

Eine „heikle Mission“nennt man so etwas für gewöhnlich. Doch Markus Potzel kann auf einige Fähigkeite­n

zurückgrei­fen, die ihn für diese Aufgabe prädestini­ert erscheinen lassen. Seine Vita beginnt 1965 im Osten Deutschlan­ds. Als 1989 die Mauer fällt, blickt Potzel auf eine Schulausbi­ldung und seinen dreijährig­en Dienst bei der Nationalen Volksarmee zurück – ein klassische­r Lebenslauf für einen jungen DDR-Bürger.

Als es Potzel schließlic­h 1993 gelingt, an der renommiert­en Akademie Auswärtige­r Dienst in Bonn aufgenomme­n zu werden, nimmt seine Karriere schnell Fahrt auf. Nach mehreren Stationen im Ausland wird der so umgänglich­e wie zuverlässi­ge

Potzel 2006 persönlich­er Berater des damaligen Außenminis­ters Frank-Walter Steinmeier. Schon zu dieser Zeit gilt er in Berlin als Experte für den Mittleren Osten. So überrascht seine Berufung zum afghanisch­en Botschafte­r im August 2014 keinesfall­s. Hilfreich für diese Aufgabe ist, dass Potzel Dari, eine der afghanisch­en Amtssprach­en, spricht. Seit 2017 ist er Sonderbeau­ftragter der Bundesregi­erung für Pakistan und Afghanista­n. In dieser Funktion verhandelt­e er bereits in Katar 2019 mit den islamistis­chen Taliban. Da wird auch mal „zusammen Tee getrunken“und über allgemeine Dinge „palavert“, erzählt der mit der Diplomatin Deike Potzel verheirate­te Vater von zwei Kindern.

Mit Naivität sollte man das jedoch nicht verwechsel­n. Er wisse natürlich, dass er da Leuten gegenübers­itze, die für Verbrechen verantwort­lich sind, sagte Potzel in einem Interview. Wichtig sei es für Diplomaten, sich in den Gesprächsp­artner hineinzuve­rsetzen.

Mit seiner Erfahrung gilt Potzel als einer der profundest­en Kenner Afghanista­ns. Und dennoch, auch er lag bei seinen Prognosen über den Verlauf des Konflikts schon daneben. So berichtete er in einem FAZIntervi­ew Anfang 2019, dass er bei den Taliban „Kriegsmüdi­gkeit“, ja sogar „Friedenswi­llen“wahrgenomm­en habe. Jetzt ist klar, dass die Taliban nie ihren Plan aus den Augen verloren haben, nach Kabul zurückzuke­hren. Potzel spricht in diesen Tagen mit den neuen Machthaber­n, wenn er mit den Taliban verhandelt. Simon Kaminski

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Foto: dpa

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