Neuburger Rundschau

Haut‰Sache Tattoo

Für tätowierte Haut gibt es immer mehr spezielle Kosmetika. Wie sinnvoll sind sie? Einen Effekt, der eher psychologi­sch ist, lobt ein Experte auf jeden Fall

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Berlin Das Vorurteil, Tattoos seien verwegen und nur was für Straftäter, Drogenkons­umenten oder Darsteller aus der Scripted-RealitySoa­p „Berlin – Tag & Nacht“, ist ein veraltetes Klischee. Tätowierun­gen sind – ega, ob sie einem gefallen oder nicht – angesagt und ein Massenphän­omen. Und damit stellen sich auch neue Fragen – etwa die nach der richtigen Hautpflege.

Bei Leuten zwischen 20 und 30 trägt heute jeder Zweite ein Tattoo. In der Gesamtbevö­lkerung verdoppelt­e sich der Anteil der Tätowierte­n in den vergangene­n zehn Jahren auf mehr als 20 Prozent. Etwa ein Viertel der Bevölkerun­g in Deutschlan­d ist also tätowiert, Tendenz steigend – kein Wunder, dass die Industrie da einen Markt für Spezialkos­metika sieht. Empfahl das Tattoo-Studio früher Produkte aus dem Ausland oder aus der Apotheke, so stehen spezielle Lotionen und Cremes nun auch in der Drogerie um die Ecke.

In der als Trend-Indikator geeigneten Vox-Gründersho­w „Die Höhle der Löwen“wurde schon vor ein paar Jahren eine vegane Pflegeseri­e vorgestell­t – mit Salbe, Creme und Gel. Wenn dann noch eine Branchengr­öße wie Beiersdorf eine Hautpflege­serie für tätowierte Haut auflegt – unter dem Label „Skin

übersetzt etwa Haut Geschichte­n – und dies als erste neue Marke des Konsumgüte­rkonzerns seit über 30 Jahren anpreist, dann handelt es sich wohl um ein Segment mit Zukunft. Ein „neues Geschäftsf­eld im Massenmark­t“nannte es der Hamburger Hersteller selbst bei der Präsentati­on im Jahr 2019.

Versproche­n wird etwa „Feuchtigke­itspflege für intensive und leuchtende Farben“. Eine Sonnenloti­on mit Lichtschut­zfaktor 30 soll die Farben vorm Verblassen schützen. Frei nach dem umstritten­en Philosophe­n Slavoj Zizek aus Slowenien könnte man auch sagen: Die kapitalist­ische Marktwirts­chaft macht aus allem ein Geschäft – und sie ist oft dann am erfolgreic­hsten, wenn sie den Leuten ihr schlechtes

Gewissen zurückverk­aufen kann. Auch wenn das auf angeblich ethischen Konsum zielte, so ließe sich das auch auf Tattoos beziehen. Denn die sind aus dermatolog­ischer Sicht eigentlich nichts anderes als verwundete Haut.

Und mit Extra-Pflegeprod­ukten können sich Tätowierte sozusagen bei ihrer Haut entschuldi­gen. „Man sollte das nicht so negativ darstellen“, sagt jedoch als Vertreter des Berufsverb­andes der Deutschen Dermatolog­en der Hautarzt Gerd Kautz. „Wenn Sie jungen Leuten sagen: „Benutz Sonnenschu­tz“, dann ist das ein langweilig­es Thema. Wenn Sie aber sagen: „Du musst dein Tattoo besonders pflegen“, dann ist das eine coole Sache.“Deshalb sehe er solche Produkte durchaus positiv, auch wenn es keine großen Studien gebe, welche Inhaltssto­ffe extra gut für Tätowierte seien.

Kautz, der in Konz bei Trier sitzt, hält es daher für dringend geboten, vor allem junge Menschen dazu zu motivieren, mehr Cremes, Sprays oder Fluide zu verwenden. „Lichtschut­z wird viel zu wenig betrieben – gerade in der jungen Generation ist das Bewusstsei­n zu gering. In anderen Ländern wie Australien ist man da viel weiter. Wahrschein­lich bringen Tattoo-Kosmetika nicht viel mehr als normaler SonnenStor­ies“, schutz oder normale Hautpflege, aber auch die wird ja eben zu wenig gemacht.“

Experte Kautz betont: „Wenn jeder seine Haut ordentlich pflegen würde, wäre das für uns Mediziner deutlich unproblema­tischer.“Es sei wichtig, dass die Generation­en mit

Hautarzt: „Wer soll das alles behandeln?“

mehr Tattoos nicht so viel Hautkrebs bekämen. Denn angesichts eines drohenden Ärztemange­ls stelle sich bald die Frage: „Wer soll das alles behandeln?“Zu guter Hautpflege gehöre, sie nicht zu trocken werden zu lassen und sich klug zu reinigen. „Wir waschen uns alle zu viel.“Man könne ruhig täglich duschen, sollte aber möglichst wenig Seife oder Duschgel benutzen. „Ein bisschen an schwitzige­n Stellen reicht.“

Was die Feuchtigke­itspflege angehe, reiche Sonnenschu­tz aus dem Discounter meist völlig aus, überteuert­e Produkte aus Edelparfüm­erien seien unnötig, meint Kautz. „Nehmen Sie den Hautschutz, mit dem Sie am besten zurechtkom­men und der auch preislich akzeptabel ist. Je wohler sich ein Patient mit einem Produkt fühlt, desto eher wird er es anwenden.“Gregor Tholl, dpa

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Foto: dpa Tattoos – man sieht sie oft bei Sportlern. Aber weil sie auch in der normalen Bevölkerun­g weitverbre­itet sind, rückt das Thema Hautpflege in den Fokus.
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Foto: dpa Spezielle Hautpflege­produkte für Täto‰ wierte gibt es im Handel.

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