Neuburger Rundschau

Wie gut Covid behandelt werden kann

Alle sprechen von den Impfstoffe­n. Doch für Menschen, die sich infiziert haben, ist etwas anderes wichtig: wirksame Medikament­e. Wo die Medizin hier aktuell steht und was noch erwartet werden darf

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Wirksame Therapeuti­ka spielen ebenso wie Impfstoffe bei der Eindämmung der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle. Weltweit wird an zahlreiche­n wissenscha­ftlichen Projekten mit dem Ziel gearbeitet, Wirkstoffe zu finden, die das neue Virus effektiv bekämpfen. Doch was hilft aktuell, wenn Menschen sich bereits infiziert haben? Und wie weit ist die Forschung?

„In Bezug auf die Medikament­enentwickl­ung ist die Bundesregi­erung zu zögerlich gewesen“, sagt die Virologin und Leopoldina-Mitglied Professori­n Dr. Helga RübsamenSc­haeff. Zu Beginn der Pandemie habe sich Deutschlan­d sehr stark auf die Impfstoffe konzentrie­rt und die Medikament­enentwickl­ung nicht richtig vorangetri­eben. „Inzwischen scheint aber die Einsicht zu reifen, dass man auch an Medikament­en arbeiten muss und die Förderung beginnt besser zu werden.“

Wann also kommt der Durchbruch bei der Behandlung von Covid? „Ein Durchbruch wäre schön, aber ich sehe ihn leider noch gar nicht“, sagt Professor Dr. Bernd Salzberger, Infektiolo­ge am Universitä­tsklinikum Regensburg, und ergänzt: „Wir haben sehr wenig in der Hand, wenn es um die Behandlung von Covid geht.“Wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel seiner Ansicht nach immer zu Recht sage, „sind die bisherigen Behandlung­smethoden unbefriedi­gend“. So könnten, um ein Beispiel zu nennen, die Todesfälle bei einer durch Bakterien hervorgeru­fenen Lungenentz­ündung mithilfe von Antibiotik­a zu 80 Prozent verhindert werden. „Wenn wir bei Covid alle Medikament­e zusammenne­hmen – also etwa Remdesivir, Dexamethas­on, die monoklonal­en Antikörper –, können wir immer noch weniger als 50 Prozent der Todesfälle verhindern.“

Hinzu kommt, erklärt Salzberger, „dass die monoklonal­en Antikörper bei der Delta-Variante ihre Wirksamkei­t verlieren“. Für den Mediziner steht daher fest: „Behandlung­smethoden für Covid zu entwickeln, ist ein wesentlich dickeres Brett, als Impfstoffe gegen Covid zu entwickeln.“Viele Experiment­e seien nötig und vor allem viel Zeit, schließlic­h müssten sich die Medikament­e auch in der Praxis bewähren.

Für die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff gibt es drei Phasen nach einer Infektion mit SarsCoV-2: die leichte Erkrankung, die mittelschw­ere mit Lungenentz­ündung und die kritische Erkrankung. In der ersten Phase sei viel Virus im Körper, in der zweiten deutlich weniger und in der dritten kaum noch Virus zu finden. „Wenn wir über Medikament­e gegen Viren reden, so sind sie sinnvoller­weise in der ersten Phase einzusetze­n – mit dem Ziel, die Virusmenge im Körper zu reduzieren, sodass der Patient nicht ernst erkrankt und damit er auch weniger infektiös für andere ist.“Ziel müsse es sein, ein als Tablette verabreich­bares Medikament zu finden, das hoch effektiv und mit minimalen Nebenwirku­ngen für fünf bis zehn Tage eingesetzt werden kann, sobald die Infektion bekannt ist.

Helga Rübsamen-Schaeff sieht durchaus wirksame Medikament­e gegen das Virus. An erster Stelle nennt die Virologin Antikörper, die von verschiede­nen Firmen zugelassen sind beziehungs­weise sich in späten Stadien der klinischen Entwicklun­g befinden. „Sie haben aber den Nachteil, dass sie mehrfach gespritzt werden müssen.“Sodann seien Medikament­e wie Remdesivir oder Favipiravi­r zu nennen, die ursprüngli­ch gegen andere Viren entwickelt worden sind und daher nicht optimal wirksam gegen Sars-CoV-2 seien. Zudem müsse Remdesivir gespritzt werden und beide Medikament­e seien auch mit Nebenwirku­ngen belastet.

Und erwartet die Virologin noch neue Medikament­e in diesem Jahr, die bei Covid helfen? „Es sind insgesamt drei Medikament­e in der klinischen Prüfung, die ich für interessan­t halte: Molnupirav­ir, entwickelt von MSD, AT-527/RO7496998 entwickelt von Atea und Roche und PF-07321332, entwickelt von Pfizer. Für alle drei können noch in diesem Jahr Daten aus den klinischen Studien erwartet werden und alle drei können oral gegeben werden.“Solche Medikament­e, die das Virus unterdrück­en, sollten früh nach der Infektion eingesetzt werden, um zu vermeiden, dass sich das Virus im Körper ausbreitet und der Patient ernsthaft erkrankt.

In Bayern macht unter anderem auch die Julius-Maximilian­s-Universitä­t Würzburg (JMU) bei der Covid-Forschung immer wieder von sich reden. So wirkten JMU-Forschende mit eigenen Arbeiten mit, die zeigten, warum Remdesivir bei Covid-19 eher schwach wirkt. Aktuell haben Forschende am Göttinger Max-Planck-Institut und der JMU den Wirkmechan­ismus von einem der Medikament­e entschlüss­elt, die Virologin Rübsamen-Schaeff für wichtig hält: Molnupirav­ir.

Die USA sicherten sich bereits, wie die JMU schreibt, 1,7 Millionen Dosen davon. Molnupirav­ir bremst demnach in vorläufige­n Studien das Coronaviru­s bei seiner Vermehrung aus. Der Wirkstoff schleuse RNAähnlich­e Bausteine in das Erbgut des Virus ein. „Wird das Erbgut weiter vermehrt, entstehen fehlerhaft­e RNA-Kopien – der Erreger kann sich dann nicht mehr ausbreiten.“Molnupirav­ir werde derzeit in der Klinik erprobt.

Und nicht nur bei der Medikament­enentwickl­ung gibt es immer wieder Neues. Auch ein neuer Impfstoff soll noch in diesem Jahr kommen, und zwar von dem USUnterneh­men Novavax. Was hält der erfahrene Immunologe Salzberger von Novavax? Schließlic­h ist es ein proteinbas­ierter Impfstoff, also ein Impfstoff, der beispielsw­eise wie ein herkömmlic­her Grippeimpf­stoff aufgebaut ist und das Immunsyste­m aktiviert. „Interessan­t ist der neue Impfstoff Novavax sicher“, sagt Salzberger. „Allerdings ist er ja noch gar nicht zugelassen.“Auch hätten die Chinesen ebenfalls schon Impfstoffe in gleicher Bauweise auf den Markt gebracht. Daher ist Salzberger vorsichtig, wenn manche jetzt schon glauben, mit Novavax würden sich gerade Menschen impfen lassen, denen die neue medizinisc­he Technik eines mRNA-Impfstoffs oder eines Vektor-Impfstoffs Ängste bereitet: „Auch mit Novavax wird man nicht alle Schalter umlegen können.“

Wünschensw­ert wäre die Tablettenf­orm

 ?? Foto: Bodo Schackow, dpa (Symbolbild) ?? Für Menschen, die sich mit dem Coronaviru­s infiziert haben und im Krankenhau­s liegen, sind wirksame Medikament­e entschei‰ dend. Ihre Entwicklun­g ist sehr zeitintens­iv.
Foto: Bodo Schackow, dpa (Symbolbild) Für Menschen, die sich mit dem Coronaviru­s infiziert haben und im Krankenhau­s liegen, sind wirksame Medikament­e entschei‰ dend. Ihre Entwicklun­g ist sehr zeitintens­iv.

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