Neuburger Rundschau

„Ab 60 wirst du entspannte­r“

Dominic Raacke dreht einen Film mit alten Freunden. Er nennt ihn sein „Lebensproj­ekt“. Was er am Altern mag und welche Zeit er gern noch mal genießen würde

- Interview: Josef Karg

Herr Raacke, könnten Sie sich zehn Jahre Ihres Lebens noch einmal kostenlos dazubuchen, welche wären das? Dominic Raacke: Das wären die Kinderjahr­e, so von sechs bis 13. Witzigerwe­ise erinnere ich mich oft an diese Zeit. Manchmal habe ich das Gefühl, ich lebe das jetzt auch wieder.

In welcher Art und Weise?

Raacke: Na ja, Corona hat uns doch ja alle ein bisschen auf uns selbst zurückgewo­rfen, man war wieder mehr bei sich, mit sich. Ein Zustand, der mich sehr an meine Kindheit erinnerte. Ich laufe gerne durch Wald und Wiese, beobachte und entdecke. Kürzlich brummte da ein Maikäfer durch die Luft, mitten im Juli, das war so ein echter Kindheitsm­oment. Als kleiner Junge habe ich die noch gefangen gehalten, inzwischen bin ich tierfreund­licher geworden. Aber dieser Moment des Entdeckens, die Neugierde, das ist geblieben.

Wie ist es mit den 50er Jahren des Lebens? Sie ahnen, warum diese Frage kommt. Ihr neuer Film am kommenden Montag um 20.15 Uhr im ZDF trägt ja den bezeichnen­den Titel: „Um die 50“. Sie selbst sind jetzt 62.

Raacke: Stimmt. Aus meiner Sicht hätte der Film ja ruhig „Um die 60“heißen dürfen. „Um die 40“wollten wir machen, 2005, das hat aber nicht geklappt. Jetzt mussten wir das Alter anpassen, und weil einige der Hauptdarst­eller noch zu jung für um die 60 sind, haben wir uns auf „Um die 50“geeinigt. Jetzt muss ich halt einen Mann in seinen 50ern spielen. Ich sag mal so, ich glaube, dass „verspielt“sich (lacht).

Was ist das Besondere daran, wenn man 50 wird?

Raacke: Wenn man auf die 50 zugeht, ist das schon eine Mauer, die da auf einen zukommt. Man merkt plötzlich: „Oh, jetzt werde ich wirklich älter!“So habe ich das jedenfalls empfunden. Viele wollen dann ja besonders jung sein und ja, das kenne ich auch von mir. Beruflich waren das fette Jahre für mich, meine „Tatort“-Jahre, Anfang 40 bis Mitte 50. Das war schon richtig gut. Und dann kommt die nächste Wand, 60, das ist viel schlimmer (lacht). Dann ist man wirklich alt. Aber auch das kann Spaß machen, man muss sich nur darauf einlassen. Der Stress lässt nach, du musst nicht mehr ständig performen, da wirst du automatisc­h entspannte­r.

Ihr Film ist die Fortsetzun­g der preisgekrö­nten 90er-Jahre-Serie „Um die 30“, die 1995 und 1997 im ZDF zu sehen war. Darin suchen sechs Freunde, alle um die 30, ihr Glück in der Großstadt. Alle sind wieder mit dabei. War es schwer, die Kolleginne­n und Kollegen zu überreden?

Raacke: Nein, überhaupt nicht. Ein Anruf genügte. Regisseur Ralf Huettner und ich haben dieses Projekt ja schon ewig mit uns rumgeschle­ppt. Und die anderen waren immer über den Stand der Dinge informiert. Von denen hat keiner eine Sekunde gezögert. Es hat damals einfach zu viel Spaß gemacht. Und es war ja auch der Beginn von Karrieren. Jürgen Tarrach hat seine erste Filmrolle gehabt, genauso wie Catherine Flemming. Auch Natalia Wörner, die ja inzwischen ein großer Star geworden ist, stand noch ziemlich am Anfang.

Was hat Sie an der Weiterentw­icklung der Geschichte gereizt?

Raacke: Die Möglichkei­t, das Leben weiterzuer­zählen. Das ist doch der Wahnsinn! Da gibt es Filmmateri­al von Menschenle­ben von vor 25 Jahren und du darfst dir jetzt ausdenken, was aus ihnen geworden ist. Schon damals war es unser Plan, alle zehn Jahre einen Strich zu ziehen und zu fragen: „Okay, wo stehen wir gerade?“„Um die 40“mussten wir überspring­en, das hat leider nicht geklappt, aber jetzt geht die Saga weiter, es ist und bleibt ein Lebensproj­ekt.

Ist darin auch Autobiogra­fisches verarbeite­t?

Raacke: Natürlich ist da viel von uns drin. Das war ja genau unser Ansatz. Was treibt uns um? Das haben wir vielleicht so nicht eins zu eins erlebt, aber wir kannten es, wir wussten, wovon wir sprechen. Unsere Figuren, die hat es zum großen Teil irgendwie gegeben, in unserem Münchner Umfeld damals.

Was war bei Ihnen das wichtigste Ereignis der vergangene­n 20 Jahre? Raacke: Da gibt es einiges. Der Umzug von München nach Berlin, wo ich jetzt seit acht Jahren lebe. Das Ende des „Tatorts“, die Begegnung mit meiner neuen Partnerin, die Geburt meiner Enkelin.

Warum sind Sie damals umgezogen? Raacke: Es war Zeit. Meine Mutter starb, ich hatte mich von meiner Freundin getrennt. Es war der Punkt erreicht, noch mal einen anderen Weg zu gehen. Das war eine typische Um-die-50-Aktion. Noch mal die Richtung ändern, um dann vielleicht festzustel­len, dass man doch überall derselbe bleibt. Das zu spüren, war für mich dann auch irgendwie beruhigend.

Es gibt ja viele, die fangen mit 50 langsam zum Jammern über das Leben an. Raacke: Ich bin kein Jammerer, solche Leute nerven mich. Ich bin so ziemlich genau das Gegenteil, was wiederum anderen auf den Geist gehen kann. Für mich ist das Wetter immer genau richtig. Wenn es heiß ist, dann sage ich, was für ein wunderbare­r, schöner heißer Tag. Und wenn es regnet – hurra, endlich Regen, da freut sich die Natur!

Wie ändert sich der Charakter ab 50? Raacke: Sagen wir mal so: Die Eigenschaf­ten verstärken sich. Man könnte es aber auch anders interpreti­eren und sagen, man findet immer mehr zu sich selbst. Nachdem man sich jahrzehnte­lang ausprobier­t hat, kommt man mehr und mehr bei sich an. Das ist doch ein eindeutige­r Vorteil des Älterwerde­ns: Du weißt, worauf du verzichten kannst, und du wirst immer besser.

Was wird denn im Alter besser? Raacke: Ich bin ein besserer Schauspiel­er geworden. Ich bin ein besserer Koch, ein besserer Autor. Das liegt schlichtwe­g daran, dass ich mehr Erfahrung habe.

Apropos Erfahrunge­n: Vermissen Sie eigentlich den „Tatort“?

Raacke: Das waren 14 Jahre, in denen ich wichtige Erfahrunge­n machen durfte. Dafür bin ich dankbar, es war alles in allem eine gute Zeit. Aber wie Niki Lauda schon sagte: Warum immer wie ein Trottel im Kreis fahren? Ich bin glücklich darüber, noch mal ganz andere Sachen machen zu dürfen.

Welche berufliche­n Ziele haben Sie? Raacke: Ach, da gibt es immer was. Ich werde immer weiter rödeln. Ich bin ein Bastler, ich zeichne, ich schreibe, entdecke neue Käfer. Wer weiß, vielleicht kommt noch die ein oder andere schöne Rolle. Ansonsten gucke ich einfach, was auf mich zukommt.

● Dominic Raacke, 1958 geboren in Hanau, ist Schauspiel­er, Syn‰ chronsprec­her und Drehbuchau­tor. Seit seinem Abschied als Till Ritter im Berliner „Tatort“2014 drehte er eine Vielzahl an Spielfilme­n fürs Fernsehen.

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Fotos: Kurt Krieger, Michael Tinnefeld/API, ZDF Die gleichen Darsteller, nur liegen mehr als 20 Jahre dazwischen: (von links) Jürgen Tarrach, Susanne Schäfer, Natalia Wörner, Dominic Raacke, Catherine Flemming und Bruno Eyron.
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