Landkreis verzichtet auf Luftreinigungsgeräte
An den weiterführenden Schulen sowie den Berufs- und Förderschulen im Landkreis werden keine Luftfilter eingesetzt. Warum sich der Landrat dazu entschieden hat und welche Maßnahmen für sinnvoller erachtet werden
NeuburgSchrobenhausen Die Sommerferien neigen sich langsam dem Ende zu, während die Infektionszahlen wieder steigen. Da stellen sich Eltern natürlich bange die Frage: Kann die Schule Mitte September regulär starten oder wird es wieder Wechsel- oder gar Distanzunterricht geben? Um Schülerinnen und Schüler im Unterricht besser vor dem Virus zu schützen, hat der Freistaat ein Förderprogramm aufgesetzt, wonach mobile Luftreinigungsgeräte für Klassenzimmer bezuschusst werden. Doch die wird es in den weiterführenden Schulen und in den Förderschulen des Landkreises nicht geben. „Die Kosten waren nicht der entscheidende Faktor, denn wir hätten das Geld durchaus in die Hand genommen. Doch dann muss es auch sinnvoll und vernünftig sein“, sagte Landrat Peter von der Grün am Dienstag. Einen Nutzen oder Vorteil durch die Geräte konnte er nach Rücksprache mit Gesundheitsamt und Kreiskrankenhaus aber nicht erkennen.
Geschätzte 800.000 Euro hätte der Landkreis aus eigener Tasche bezahlen müssen, um alle 350 Klassenzimmer seiner Schulen mit mobilen Luftreinigungsgeräten ausstatten zu können. Genaue Zahlen liegen nicht vor, denn bevor es zu der notwendigen EU-weiten Ausschreibung gekommen ist, hat der Landrat die Bremse gezogen. Nach „intensiven Gesprächen mit den Fraktionen und den jeweiligen Schulleitern“seien sich nämlich alle darüber einig gewesen, dass die Geräte die Investition nicht wert sind.
Denn auch wenn ein Klassenzimmer mit einem Luftreinigungsgerät ausgestattet ist, schützt es nicht vor Konsequenzen: Die Schülerinnen und Schüler müssen weiterhin Maske tragen, die Fenster müssen weiterhin regelmäßig geöffnet werden, im Falle einer Infektion muss die komplette Klasse in Quarantäne, und auch einen Wechsel- oder gar Distanzunterricht können die Geräte nicht verhindern. „Wenn all das bleibt, dann wäre die Anschaffung nur Aktionismus“, begründet von der Grün die Entscheidung. Stattdessen setzt der Landkreis in allen Klassenzimmern auf CO2-Ampeln.
Die Wirkung von mobilen Luftreinigungsräten ist in Fachkreisen
ohnehin umstritten – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nur dann effektiv arbeiten, wenn sich die Schüler in idealer Weise um das Gerät herum positionieren und ihre Sitzordnung nicht verändern. „Das ist realitätsfremd“, lautet Peter von der Grüns Meinung dazu.
Diese teilen auch Gesundheitsamtsleiter Johannes Donhauser, Gesundheitsreferent Shahram Tabrizi und Bildungsreferent Werner Widuckel. „Ich rate aus ärztlicher Sicht
davon ab, pauschal alle Klassenzimmer mit mobilen Luftreinigungsgeräten auszustatten“, sagte Donhauser. Solche Geräte würden auch vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nur als „flankierende Maßnahme“gewertet werden: „Sie helfen lediglich mit, das Infektionsrisiko zu minimieren, können eine Infektion im Nahbereich aber nicht verhindern“, sagte er. Das A und O bleibe deshalb weiterhin „lüften, lüften, lüften“.
Auch Werner Widuckel, der für die SPD im Kreistag sitzt und sich als Bildungsreferent zuletzt in das Thema eingelesen habe, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Luftreinigungsgeräte nur ein „Placebo“mit Scheineffekt seien. Deutlich sinnvoller und auch nachhaltiger seien zentrale oder dezentrale Lüftungsanlagen, denn die mobilen Geräte würden früher oder später ungenutzt in der Ecke stehen.
Die Frage nach dem Sinn und
Nutzen von Luftreinigungsgeräten hat in den vergangenen Wochen auch schon so manche Kommune beschäftigt. Bergheim etwa hat sie für die örtliche Grundschule abgelehnt, genauso wie die Stadt Neuburg für ihre Grund- und Mittelschulen. Ehekirchen hat eine Entscheidung vertagt, Königsmoos will zumindest einen Feldversuch mit einem Gerät starten. Eine Empfehlung an die Bürgermeister will Peter von der Grün nicht aussprechen. Johannes Donhauser sagte aber: „Wenn mich jemand anruft, dann sage ich meine Meinung dazu.“
Auch wenn sich der Landkreis für Luftreinigungsgeräte ausgesprochen hätte – bis zum Beginn des Schuljahres hätten sie wegen des zeitaufwendigen Ausschreibeverfahrens niemals angeschafft werden können. Viel einfacher, schneller umsetzbar und vor allem wirkungsvoller wäre für Widuckel dagegen ein dritter Test in der Schule. Bislang müssen sich Schüler zweimal in der Woche selbst testen. Diese Vorgehensweise bezeichnet Donhauser allerdings als „larifari“. „Wir müssen die Impffrequenz an den Schulen erhöhen, das bringt mehr Sicherheit“, unterstreicht er Widuckels Standpunkt. Dabei seien die neuen PCR-Pool-Tests („LolliTest“), die ab September in den Grundschulen eingesetzt werden sollen, deutlich besser als die bisherigen Schnelltests.
Für den Chefarzt der Akutgeriatrie am Kreiskrankenhaus Schrobenhausen ist jedoch keine Maßnahme so wirkungsvoll wie die des Impfens. Statt sich auf Luftreinigungsgeräte zu verlassen, sollten Jugendliche lieber geimpft werden. „Ich selbst lasse meinen Sohn zum Schuljahresanfang auch impfen“, sagte Shahram Tabrizi.
Das Gesundheitsamt hat unlängst alle infrage kommenden Schulen angeschrieben, um eine Impfaktion vor Ort anzubieten. „Die Impfung muss zu den Menschen kommen“, ist sich Donhauser nach dem Erfolg der Impfaktion in der Neuburger Markthalle sicher.
Nicht nachvollziehen kann der Amtsarzt dagegen die jüngste Entscheidung der Staatsregierung, Schülerinnen und Schüler von der seit Montag gültigen Testpflicht zu befreien. „Das ist mir rätselhaft“, sagte er.