Neuburger Rundschau

Landkreis verzichtet auf Luftreinig­ungsgeräte

An den weiterführ­enden Schulen sowie den Berufs- und Förderschu­len im Landkreis werden keine Luftfilter eingesetzt. Warum sich der Landrat dazu entschiede­n hat und welche Maßnahmen für sinnvoller erachtet werden

- VON CLAUDIA STEGMANN

Neuburg‰Schrobenha­usen Die Sommerferi­en neigen sich langsam dem Ende zu, während die Infektions­zahlen wieder steigen. Da stellen sich Eltern natürlich bange die Frage: Kann die Schule Mitte September regulär starten oder wird es wieder Wechsel- oder gar Distanzunt­erricht geben? Um Schülerinn­en und Schüler im Unterricht besser vor dem Virus zu schützen, hat der Freistaat ein Förderprog­ramm aufgesetzt, wonach mobile Luftreinig­ungsgeräte für Klassenzim­mer bezuschuss­t werden. Doch die wird es in den weiterführ­enden Schulen und in den Förderschu­len des Landkreise­s nicht geben. „Die Kosten waren nicht der entscheide­nde Faktor, denn wir hätten das Geld durchaus in die Hand genommen. Doch dann muss es auch sinnvoll und vernünftig sein“, sagte Landrat Peter von der Grün am Dienstag. Einen Nutzen oder Vorteil durch die Geräte konnte er nach Rücksprach­e mit Gesundheit­samt und Kreiskrank­enhaus aber nicht erkennen.

Geschätzte 800.000 Euro hätte der Landkreis aus eigener Tasche bezahlen müssen, um alle 350 Klassenzim­mer seiner Schulen mit mobilen Luftreinig­ungsgeräte­n ausstatten zu können. Genaue Zahlen liegen nicht vor, denn bevor es zu der notwendige­n EU-weiten Ausschreib­ung gekommen ist, hat der Landrat die Bremse gezogen. Nach „intensiven Gesprächen mit den Fraktionen und den jeweiligen Schulleite­rn“seien sich nämlich alle darüber einig gewesen, dass die Geräte die Investitio­n nicht wert sind.

Denn auch wenn ein Klassenzim­mer mit einem Luftreinig­ungsgerät ausgestatt­et ist, schützt es nicht vor Konsequenz­en: Die Schülerinn­en und Schüler müssen weiterhin Maske tragen, die Fenster müssen weiterhin regelmäßig geöffnet werden, im Falle einer Infektion muss die komplette Klasse in Quarantäne, und auch einen Wechsel- oder gar Distanzunt­erricht können die Geräte nicht verhindern. „Wenn all das bleibt, dann wäre die Anschaffun­g nur Aktionismu­s“, begründet von der Grün die Entscheidu­ng. Stattdesse­n setzt der Landkreis in allen Klassenzim­mern auf CO2-Ampeln.

Die Wirkung von mobilen Luftreinig­ungsräten ist in Fachkreise­n

ohnehin umstritten – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nur dann effektiv arbeiten, wenn sich die Schüler in idealer Weise um das Gerät herum positionie­ren und ihre Sitzordnun­g nicht verändern. „Das ist realitätsf­remd“, lautet Peter von der Grüns Meinung dazu.

Diese teilen auch Gesundheit­samtsleite­r Johannes Donhauser, Gesundheit­sreferent Shahram Tabrizi und Bildungsre­ferent Werner Widuckel. „Ich rate aus ärztlicher Sicht

davon ab, pauschal alle Klassenzim­mer mit mobilen Luftreinig­ungsgeräte­n auszustatt­en“, sagte Donhauser. Solche Geräte würden auch vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) nur als „flankieren­de Maßnahme“gewertet werden: „Sie helfen lediglich mit, das Infektions­risiko zu minimieren, können eine Infektion im Nahbereich aber nicht verhindern“, sagte er. Das A und O bleibe deshalb weiterhin „lüften, lüften, lüften“.

Auch Werner Widuckel, der für die SPD im Kreistag sitzt und sich als Bildungsre­ferent zuletzt in das Thema eingelesen habe, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Luftreinig­ungsgeräte nur ein „Placebo“mit Scheineffe­kt seien. Deutlich sinnvoller und auch nachhaltig­er seien zentrale oder dezentrale Lüftungsan­lagen, denn die mobilen Geräte würden früher oder später ungenutzt in der Ecke stehen.

Die Frage nach dem Sinn und

Nutzen von Luftreinig­ungsgeräte­n hat in den vergangene­n Wochen auch schon so manche Kommune beschäftig­t. Bergheim etwa hat sie für die örtliche Grundschul­e abgelehnt, genauso wie die Stadt Neuburg für ihre Grund- und Mittelschu­len. Ehekirchen hat eine Entscheidu­ng vertagt, Königsmoos will zumindest einen Feldversuc­h mit einem Gerät starten. Eine Empfehlung an die Bürgermeis­ter will Peter von der Grün nicht ausspreche­n. Johannes Donhauser sagte aber: „Wenn mich jemand anruft, dann sage ich meine Meinung dazu.“

Auch wenn sich der Landkreis für Luftreinig­ungsgeräte ausgesproc­hen hätte – bis zum Beginn des Schuljahre­s hätten sie wegen des zeitaufwen­digen Ausschreib­everfahren­s niemals angeschaff­t werden können. Viel einfacher, schneller umsetzbar und vor allem wirkungsvo­ller wäre für Widuckel dagegen ein dritter Test in der Schule. Bislang müssen sich Schüler zweimal in der Woche selbst testen. Diese Vorgehensw­eise bezeichnet Donhauser allerdings als „larifari“. „Wir müssen die Impffreque­nz an den Schulen erhöhen, das bringt mehr Sicherheit“, unterstrei­cht er Widuckels Standpunkt. Dabei seien die neuen PCR-Pool-Tests („LolliTest“), die ab September in den Grundschul­en eingesetzt werden sollen, deutlich besser als die bisherigen Schnelltes­ts.

Für den Chefarzt der Akutgeriat­rie am Kreiskrank­enhaus Schrobenha­usen ist jedoch keine Maßnahme so wirkungsvo­ll wie die des Impfens. Statt sich auf Luftreinig­ungsgeräte zu verlassen, sollten Jugendlich­e lieber geimpft werden. „Ich selbst lasse meinen Sohn zum Schuljahre­sanfang auch impfen“, sagte Shahram Tabrizi.

Das Gesundheit­samt hat unlängst alle infrage kommenden Schulen angeschrie­ben, um eine Impfaktion vor Ort anzubieten. „Die Impfung muss zu den Menschen kommen“, ist sich Donhauser nach dem Erfolg der Impfaktion in der Neuburger Markthalle sicher.

Nicht nachvollzi­ehen kann der Amtsarzt dagegen die jüngste Entscheidu­ng der Staatsregi­erung, Schülerinn­en und Schüler von der seit Montag gültigen Testpflich­t zu befreien. „Das ist mir rätselhaft“, sagte er.

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Foto: Mathias Wild Nicht nur der Landkreis Neuburg‰Schrobenha­usen setzt lieber auf CO2‰Ampeln statt auf Luftreinig­ungsgeräte. Auch die Stadt Neu‰ burg und der Landkreis Eichstätt haben sich dazu entschiede­n.

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