Alles aufs Rad
Lastenfahrräder sind zum Teil Ausdruck eines Lebensstils. Sie werden immer populärer. Wie auch kleine Kommunen in Bayern Cargobikes inzwischen fördern
München/Günzburg/Lindau Lastenfahrräder sind nun wahrlich keine neue Erfindung. Faktisch gibt es sie schon viele Jahrzehnte, sie waren früher eher Transportmittel wenig betuchter Menschen aus Handwerk und Haustür-zu-Haustür-Handel. Seit einigen Jahren verbreitet sich die moderne Version der Lastenfahrräder, nun auch Cargobikes genannt, immer mehr – auch in Bayern. Soziologische Studien belegen, dass ihre Nutzerinnen und Nutzer eher im wohlhabenderen akademischen Milieu zu verorten sind. Dort finden sich bekanntlich auch viele Wählerinnen und Wähler der Grünen. Die Partei stellt nun für den privaten Kauf eines Lastenfahrrades 1000 Euro Förderprämie in Aussicht. Doch sind Lastenfahrräder im Freistaat wirklich für jeden und überall geeignet? Und: Sind sie vor allem ein Großstadtphänomen?
„Nein, es gibt Lastenfahrräder zusehends auch in kleineren Städten Bayerns “, ist Petra Husemann-Roew, Landes-Geschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen FahrradClubs ADFC Bayern, überzeugt. Selbst in ihrem Wohnort Weilheim seien die Gefährte schon unterwegs. Zahlreiche kommunale Förderungstöpfe sind für sie ein weiteres Indiz. Zu nennen wären hier beispielsweise in unserer Region Günzburg, Ingolstadt, Kempten, Lindau, Dießen, Mindelheim, Schrobenhausen oder auch Stadtbergen.
So fördert etwa die Stadt Günzburg die Anschaffung von Lastenrädern für Privatpersonen mit 20 Prozent der Nettokosten – maximal 500 Euro für Lastenräder mit elektrischen Antrieb und 250 Euro für muskelbetriebene Lastenräder. Allein 2020 wurden elf dieser Räder bezuschusst, 2021 waren es bisher vier. „Ganz langsam gehören Lastenräder zum Stadtbild – allerdings immer noch auf niedrigem Niveau“, teilte das Büro des Günzburger Oberbürgermeisters gegenüber unserer Redaktion mit.
Ähnlich ist die Situation in Lindau. „Ja, die Lastenräder haben sich im Stadtbild etabliert“, sagt Jürgen Widmer, Pressesprecher der Stadt Lindau. Sie fördert den Kauf von Lastenfahrrädern mit bis zu 1000 Euro. 2020 wurden 21 Anträge bewilligt, heuer sind es ebenfalls bislang 21.
zeigt doch insgesamt, dass Cargobikes längst ein Thema sind, das auch in der Fläche im Freistaat angekommen ist“, sagt HusemannRoew. Die kommunale Förderung sei eine gute Sache, aber noch nicht genug. Den Vorstoß der Grünen unterstütze der ADFC darum vorbehaltlos.
Der Freistaat Bayern übrigens bezuschusst den Kauf von Lastenrädern zwar nicht, aber das bayerische Verkehrsministerium beteiligt sich immerhin an einem Modellprojekt, bei dem das Mieten von Lastenfahrrädern unterstützt wird. Wie viele Cargobikes es in Bayern gibt, wird vom Ministerium zwar nicht erfasst. Es verweist aber auf Zahlen des Zweirad-Industrieverbandes ZIV, wonach die Verkäufe von E-Lastenrädern in Deutschland von 2019 zu 2020 um über 40 Prozent gestiegen seien. Cargobikes mit und ohne Elektroantrieb hätten 2020 mit 103200 Verkäufen erstmalig bundesweit die 100000-Marke geknackt. „Lastenräder liegen im Trend und können vor allem in größeren Orten Fahrten mit dem Auto ersetzen“, sagte denn auch die bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) gegenüber unserer Redaktion. Auf Bundesebene allerdings hat die CDU die Idee der Ökopartei sogleich als „abstrus und weltfremd“– O-Ton des CDU-Generalsekretärs Paul Ziemiak – abgekanzelt. Ein Handwerker könne wohl kaum mit einem Lastenfahrrad zu einer Baustelle anreisen, dazu habe ein Cargobike zu wenig Transportkapazität. „Das stimmt so nicht“, entgegnet Husemann-Roew. Oft reiche es doch, mit dem Auto oder Kleintransporter das große Werkzeug einmal anzuliefern. Und für die Folgetage könne ein Lastenfahrrad Sache genug sein. „Zumal man mit einem solchen Fahrrad viel leichter einen Parkplatz findet. Und Parken mit dem Transporter ist für Handwerker speziell in Städten eigentlich immer ein Problem.“Es gebe sogar Handwerker, die ausdrücklich auf den Nutzen der Cargobikes hinweisen. So hatte der Münchner Handwerker Ralf Kilian eigens eine Werbefahrt mit seinem Lastenfahrrad von München bis rauf nach Sylt gemacht, um die Vorteile dieses Fahrzeugs bekannter zu machen, berichtet Husemann-Roew.
Lastenfahrräder würden in Bayern vor allem „für die letzte Meile“zum Kunden genutzt – insbesondere von Zustell- und Lieferdiensten. Privatleute nutzen sie auf vielerlei Weise: für den Wocheneinkauf, für Fahrten zum Wertstoffhof oder, um Gartenabfälle zu transportieren – oder gar den Hund. Ohne Elektroantrieb müsse man für ein gutes Rad etwa 1500 bis 2000 Euro auf den Tisch legen, mit Elektroantrieb dann eher 3000 Euro aufwärts, weiß Husemann-Roew. Sie räumt ein, dass Lastenräder natürlich schwerfälliger sind als herkömmliche Fahr„Das räder: „Man braucht ein bisschen Übung, um mit ihnen umzugehen. Sie sind größer – und vielerorts ist überdies das Fahrradwegenetz für sie deutlich zu unterdimensioniert.“Hier müssten Kommunen bei ihren künftigen Radwegeplanungen auch in Richtung Lastenfahrräder denken. Hinzu komme, dass auch herkömmliche Abstellplätze, etwa an Bahnhöfen, nicht für Lastenfahrräder geeignet sind. Man muss sie meist frei mit dem Fahrradständer abstellen. Doch dabei gibt es einen Haken. Sie lassen sich dann natürlich einfacher stehlen. „Deshalb sagen
Das Niveau in Günzburg ist noch niedrig
Probleme gibt es unter anderem beim Abstellen
wir: anschließen ist immer besser als nur abschließen.“Modifizierte Abstellplätze, an denen sich das Cargobike auch noch anschließen lässt, seien optimal. Wo das nicht möglich ist, gibt Husemann-Roew neben dem Abschließen einen Tipp: den Akku rausnehmen. HusemannRoew, die für die 30 000 Mitglieder des bayerischen Landesverbandes tätig ist, pendelt täglich mit dem Zug von Weilheim nach München, das Faltrad sei stets dabei. Vom Bahnhof geht es dann damit zur Geschäftsstelle. Ein Lastenfahrrad hat sie selbst noch nicht, will sich aber eines anschaffen. Womöglich mit einer Förderprämie. Ihre Heimatstadt gibt 500 Euro dazu. »Kommentar