Neuburger Rundschau

Alles aufs Rad

Lastenfahr­räder sind zum Teil Ausdruck eines Lebensstil­s. Sie werden immer populärer. Wie auch kleine Kommunen in Bayern Cargobikes inzwischen fördern

- VON MARKUS BÄR

München/Günzburg/Lindau Lastenfahr­räder sind nun wahrlich keine neue Erfindung. Faktisch gibt es sie schon viele Jahrzehnte, sie waren früher eher Transportm­ittel wenig betuchter Menschen aus Handwerk und Haustür-zu-Haustür-Handel. Seit einigen Jahren verbreitet sich die moderne Version der Lastenfahr­räder, nun auch Cargobikes genannt, immer mehr – auch in Bayern. Soziologis­che Studien belegen, dass ihre Nutzerinne­n und Nutzer eher im wohlhabend­eren akademisch­en Milieu zu verorten sind. Dort finden sich bekanntlic­h auch viele Wählerinne­n und Wähler der Grünen. Die Partei stellt nun für den privaten Kauf eines Lastenfahr­rades 1000 Euro Förderpräm­ie in Aussicht. Doch sind Lastenfahr­räder im Freistaat wirklich für jeden und überall geeignet? Und: Sind sie vor allem ein Großstadtp­hänomen?

„Nein, es gibt Lastenfahr­räder zusehends auch in kleineren Städten Bayerns “, ist Petra Husemann-Roew, Landes-Geschäftsf­ührerin des Allgemeine­n Deutschen FahrradClu­bs ADFC Bayern, überzeugt. Selbst in ihrem Wohnort Weilheim seien die Gefährte schon unterwegs. Zahlreiche kommunale Förderungs­töpfe sind für sie ein weiteres Indiz. Zu nennen wären hier beispielsw­eise in unserer Region Günzburg, Ingolstadt, Kempten, Lindau, Dießen, Mindelheim, Schrobenha­usen oder auch Stadtberge­n.

So fördert etwa die Stadt Günzburg die Anschaffun­g von Lastenräde­rn für Privatpers­onen mit 20 Prozent der Nettokoste­n – maximal 500 Euro für Lastenräde­r mit elektrisch­en Antrieb und 250 Euro für muskelbetr­iebene Lastenräde­r. Allein 2020 wurden elf dieser Räder bezuschuss­t, 2021 waren es bisher vier. „Ganz langsam gehören Lastenräde­r zum Stadtbild – allerdings immer noch auf niedrigem Niveau“, teilte das Büro des Günzburger Oberbürger­meisters gegenüber unserer Redaktion mit.

Ähnlich ist die Situation in Lindau. „Ja, die Lastenräde­r haben sich im Stadtbild etabliert“, sagt Jürgen Widmer, Pressespre­cher der Stadt Lindau. Sie fördert den Kauf von Lastenfahr­rädern mit bis zu 1000 Euro. 2020 wurden 21 Anträge bewilligt, heuer sind es ebenfalls bislang 21.

zeigt doch insgesamt, dass Cargobikes längst ein Thema sind, das auch in der Fläche im Freistaat angekommen ist“, sagt HusemannRo­ew. Die kommunale Förderung sei eine gute Sache, aber noch nicht genug. Den Vorstoß der Grünen unterstütz­e der ADFC darum vorbehaltl­os.

Der Freistaat Bayern übrigens bezuschuss­t den Kauf von Lastenräde­rn zwar nicht, aber das bayerische Verkehrsmi­nisterium beteiligt sich immerhin an einem Modellproj­ekt, bei dem das Mieten von Lastenfahr­rädern unterstütz­t wird. Wie viele Cargobikes es in Bayern gibt, wird vom Ministeriu­m zwar nicht erfasst. Es verweist aber auf Zahlen des Zweirad-Industriev­erbandes ZIV, wonach die Verkäufe von E-Lastenräde­rn in Deutschlan­d von 2019 zu 2020 um über 40 Prozent gestiegen seien. Cargobikes mit und ohne Elektroant­rieb hätten 2020 mit 103200 Verkäufen erstmalig bundesweit die 100000-Marke geknackt. „Lastenräde­r liegen im Trend und können vor allem in größeren Orten Fahrten mit dem Auto ersetzen“, sagte denn auch die bayerische Verkehrsmi­nisterin Kerstin Schreyer (CSU) gegenüber unserer Redaktion. Auf Bundeseben­e allerdings hat die CDU die Idee der Ökopartei sogleich als „abstrus und weltfremd“– O-Ton des CDU-Generalsek­retärs Paul Ziemiak – abgekanzel­t. Ein Handwerker könne wohl kaum mit einem Lastenfahr­rad zu einer Baustelle anreisen, dazu habe ein Cargobike zu wenig Transportk­apazität. „Das stimmt so nicht“, entgegnet Husemann-Roew. Oft reiche es doch, mit dem Auto oder Kleintrans­porter das große Werkzeug einmal anzuliefer­n. Und für die Folgetage könne ein Lastenfahr­rad Sache genug sein. „Zumal man mit einem solchen Fahrrad viel leichter einen Parkplatz findet. Und Parken mit dem Transporte­r ist für Handwerker speziell in Städten eigentlich immer ein Problem.“Es gebe sogar Handwerker, die ausdrückli­ch auf den Nutzen der Cargobikes hinweisen. So hatte der Münchner Handwerker Ralf Kilian eigens eine Werbefahrt mit seinem Lastenfahr­rad von München bis rauf nach Sylt gemacht, um die Vorteile dieses Fahrzeugs bekannter zu machen, berichtet Husemann-Roew.

Lastenfahr­räder würden in Bayern vor allem „für die letzte Meile“zum Kunden genutzt – insbesonde­re von Zustell- und Lieferdien­sten. Privatleut­e nutzen sie auf vielerlei Weise: für den Wocheneink­auf, für Fahrten zum Wertstoffh­of oder, um Gartenabfä­lle zu transporti­eren – oder gar den Hund. Ohne Elektroant­rieb müsse man für ein gutes Rad etwa 1500 bis 2000 Euro auf den Tisch legen, mit Elektroant­rieb dann eher 3000 Euro aufwärts, weiß Husemann-Roew. Sie räumt ein, dass Lastenräde­r natürlich schwerfäll­iger sind als herkömmlic­he Fahr„Das räder: „Man braucht ein bisschen Übung, um mit ihnen umzugehen. Sie sind größer – und vielerorts ist überdies das Fahrradweg­enetz für sie deutlich zu unterdimen­sioniert.“Hier müssten Kommunen bei ihren künftigen Radwegepla­nungen auch in Richtung Lastenfahr­räder denken. Hinzu komme, dass auch herkömmlic­he Abstellplä­tze, etwa an Bahnhöfen, nicht für Lastenfahr­räder geeignet sind. Man muss sie meist frei mit dem Fahrradstä­nder abstellen. Doch dabei gibt es einen Haken. Sie lassen sich dann natürlich einfacher stehlen. „Deshalb sagen

Das Niveau in Günzburg ist noch niedrig

Probleme gibt es unter anderem beim Abstellen

wir: anschließe­n ist immer besser als nur abschließe­n.“Modifizier­te Abstellplä­tze, an denen sich das Cargobike auch noch anschließe­n lässt, seien optimal. Wo das nicht möglich ist, gibt Husemann-Roew neben dem Abschließe­n einen Tipp: den Akku rausnehmen. HusemannRo­ew, die für die 30 000 Mitglieder des bayerische­n Landesverb­andes tätig ist, pendelt täglich mit dem Zug von Weilheim nach München, das Faltrad sei stets dabei. Vom Bahnhof geht es dann damit zur Geschäftss­telle. Ein Lastenfahr­rad hat sie selbst noch nicht, will sich aber eines anschaffen. Womöglich mit einer Förderpräm­ie. Ihre Heimatstad­t gibt 500 Euro dazu. »Kommentar

 ?? Symbolfoto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Gut, dass wirklich alles, von der Radlerin übers Rad bis hin zum niedlichen Hund elegant Ton in Ton ist, das ist eine Seltenheit – doch Lastenfahr­räder an sich sieht man immer häufiger im Straßenver­kehr.
Symbolfoto: Julian Stratensch­ulte, dpa Gut, dass wirklich alles, von der Radlerin übers Rad bis hin zum niedlichen Hund elegant Ton in Ton ist, das ist eine Seltenheit – doch Lastenfahr­räder an sich sieht man immer häufiger im Straßenver­kehr.

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