Neuburger Rundschau

Science‰Fiction zum Anfassen

Wie könnte unsere Zukunft aussehen? Ein neues Museum in Nürnberg zeigt Visionen. Vor allem aber können die Besucherin­nen und Besucher selbst aktiv werden

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Nürnberg In der Zukunft könnten wir Maschinen allein über unsere Gedanken steuern. In Ansätzen ist das sogar schon heute möglich – zumindest im neuen Zukunftsmu­seum in Nürnberg. Dort kann man mithilfe eines Elektroden-Stirnbands versuchen, Autos auf einer CarreraRen­nbahn fahren zu lassen. So einfach, wie es klingt, ist das jedoch nicht. „Man muss ganz ruhig sein“, sagt die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin Anna Müller. Ihr selbst sei es bisher nicht gelungen, wahrschein­lich weil sie so aufgeregt sei.

Am 17. September soll das neue Museum – eine Zweigstell­e des Deutschen Museums in München – nach jahrelange­r Bauzeit eröffnen, für Besucherin­nen und Besucher einen Tag später. Wäre alles nach Plan gelaufen, wäre das schon vor Monaten der Fall gewesen. Doch die Corona-Pandemie hat den Zeitplan gehörig durcheinan­dergewirbe­lt: Zwischenze­itlich fehlten Glas und andere Materialie­n, Reisebesch­ränkungen bremsten die Ausstellun­gsbauer aus dem Ausland aus.

Auch jetzt noch wird überall auf der knapp 3000 Quadratmet­er großen Ausstellun­gsfläche gearbeitet. Doch es lässt sich schon erahnen, was einen bei einem Rundgang durch die fünf Ausstellun­gsbereiche erwartet. Denn die große Frage lautet natürlich: Wie stellt man die Zukunft aus – also etwas, das es noch gar nicht gibt?

Trotzdem gibt es erstaunlic­h viel zu sehen und anzufassen. Mehr als 250 Exponate, Prototypen und Modelle veranschau­lichen verschiede­ne Zukunftsen­twürfe, die zum Teil schon demnächst und zum Teil erst in vielen Jahren Realität sein könnten. Dabei beschränkt sich das fünfköpfig­e wissenscha­ftliche Team nicht auf das bloße Ausstellen von technologi­schen Innovation­en wie Solarauto, Passagierd­rohne oder Raumkapsel. An vielen Stellen sind die Besucherin­nen und Besucher selbst gefragt: Sie können mit Robotern interagier­en, werden zu gläsernen Menschen, können am Computer ein Designer-Baby erstellen und am eigenen Leib erleben, wie schnell sich ein Shitstorm im Internet zusammenbr­aut.

Immer wieder lädt die Ausstellun­g bewusst zum Nachdenken ein: In was für einer Zukunft wollen wir leben? Was halten wir für ethisch vertretbar? „Für uns ist wichtig, dass wir keine Antwort darauf geben. Wir wollen diskutiere­n“, erläutert Müller. Dafür stehen überall im Museum Fachleute verteilt, die mit den Menschen ins Gespräch kommen wollen. Außerdem wird es ein- bis zweimal täglich eine Diskussion­srunde zu den drängendst­en Themen im Forum geben.

Ein Museum, das sich nur mit der Zukunft beschäftig­t, ist weltweit zwar nicht mehr einzigarti­g, aber doch noch ziemlich neu. Nach Tokio, Rio de Janeiro und Berlin ist das Nürnberger Haus nach eigenen Angaben das vierte Zukunftsmu­seum weltweit. Ein fünftes entsteht gerade in Dubai. Und weitere könnten folgen. „Das ist definitiv ein Trend“, sagt David Vuillaume vom Deutschen Museumsbun­d. „Wir leben in einer Zeit vielleicht nicht der Zukunftsan­gst, aber mit vielen Unsicherhe­iten in Hinblick auf die Zukunft. Die Leute suchen Orientieru­ng.“Das zeigen auch die Zahlen des Futuriums in Berlin. In den ersten zwei Jahren kamen trotz des zweifachen Lockdowns fast 700000 Besucherin­nen und Besucher – und damit deutlich mehr als erwartet. Das Futurium wolle zeigen, dass die Zukunft alle Menschen angehe und sie dazu animieren, diese aktiv mitzugesta­lten, erläutert Sprecherin Monique Luckas das Konzept.

Auch bestehende Museen erweitern oder erneuern ihre Ausstellun­gen um Zukunftsth­emen, zum Beispiel das Wissenscha­ftsmuseum Nemo in Amsterdam. Einen Boom neuer Zukunftsmu­seen in Europa wird es aber wohl nicht geben. Museumsneu­gründungen gebe es seit dem Ende der 1990er Jahre seltener, sagt Museumsbun­d-Geschäftsf­ührer Vuillaume. Gerade in Deutschlan­d sei es schwierig, dafür öffentlich­e Gelder zu bekommen. „Corona hat das noch verschärft.“Auch an den Kosten für das Nürnberger Zukunftsmu­seum gibt es Kritik. Fast 28 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, dazu kommen jährliche Betriebsko­sten von sechs Millionen Euro – allein 2,5 Millionen Euro für die Miete. Die Opposition im Landtag hält das für Wucher, die Landesregi­erung und das Deutsche Museum weisen das zurück.

Dass aktuell nicht die einfachste Zeit ist, ein neues Museum zu eröffnen, meint auch Museumsdir­ektorin Marion Grether. „Die Leute haben sich in der Corona-Zeit ein anderes Freizeitve­rhalten angewöhnt.“Vor Corona hatte sie jährlich mit etwa 120 000 Besucherin­nen und Besuchern gerechnet – zurzeit sei das eher unrealisti­sch.

Und wird bis zur Eröffnung alles fertig sein? Grether hofft es – und ergänzt: „Eigentlich wird es nie fertig sein. Das ist ja das Konzept des Zukunftsmu­seums: Die Ausstellun­g muss sich immer erneuern.“Damit die Zukunft nicht irgendwann Gegenwart ist. Irena Güttel, dpa

Man wird selbst zum gläsernen Menschen

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Im neuen Zukunftsmu­seum in Nürnberg können Besucherin­nen und Besucher an vielen Stellen aktiv werden und beispielsw­eise mit Robotern interagier­en oder selbst zum glä‰ sernen Menschen werden.
Foto: Daniel Karmann, dpa Im neuen Zukunftsmu­seum in Nürnberg können Besucherin­nen und Besucher an vielen Stellen aktiv werden und beispielsw­eise mit Robotern interagier­en oder selbst zum glä‰ sernen Menschen werden.

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