Neuburger Rundschau

In „Haus des Geldes“fließt jetzt viel Blut

Netflix erzählt eine seiner erfolgreic­hsten Serien langsam zu Ende. Die ersten fünf von zehn Folgen halten Spannung und Action gewohnt hoch, eine zweite Ebene ist dabei aber kaum noch auszumache­n

- VON RICHARD MAYR

Die Dalí-Masken und die roten Overalls aus der Netflix-Serie „Haus des Geldes“sind längst Kult geworden und dienen mittlerwei­le auch schon als Faschingsv­erkleidung. In der Serie werden sie dazu benutzt, die Grenzen zu verwischen: zwischen Geiseln und Geiselnehm­ern, zwischen Gut und Böse. Denn der Clou des Ganzen ist ja, dass es nicht nur um Spannung darin geht, nicht nur um eine Geschichte voll immer neuer Wendungen, sondern unterschwe­llig um Rebellion und Widerstand gegen das System.

Die Symbole für das System sind das Geld und die staatliche Macht in Form von schwerbewa­ffneter Polizei. Die Bankräuber, obwohl eigentlich und ursprüngli­ch allesamt Schwerverb­recher, bekommen unter der strikten Führung des Professors Züge von Robin Hood. Gleich zum Auftakt der 3. Staffel haben sie einen Großteil des in Staffel eins und zwei erbeuteten Geldes von einem Zeppelin auf Madrid regnen lassen. Gestohlen, um alles zu geben. So verwundert es nicht, dass „Haus des Geldes“das italienisc­he Widerstand­slied „Bella Ciao“zu einem der Schlüssels­ongs der Serie erkoren hat. Es soll um mehr gehen als um bloße Action.

Nun biegt die Serie auf die Zielgerade ein: Nur noch eine letzte Staffel, die fünfte Staffel, ist angekündig­t. Netflix hat die ersten fünf Folgen soeben freigegebe­n, im Dezember sollen die letzten fünf Folgen in die Mediathek gestellt werden. Schon ist man wieder mittendrin in der spanischen Zentralban­k, dort wollen der Professor und sein Team den spanischen Goldschatz, 90 Tonnen schwer, rauben. Die Geiselnahm­e dauert mittlerwei­le schon mehr als 100 Stunden. Die Nerven liegen blank, bei allen. Die Emotionen schießen ständig über, der Einzige, der die ganze Zeit über kühlen Verstand bewahrt, ist durch die allein ermittelnd­e und hochschwan­gere Polizistin Alicia Sierra gefangen genommen worden. In der Zentralban­k hallt noch der Tod von Nairobi nach, einer ans Herz gewachsene­n Figur, die von Anfang an dabei war. Das Signal auch für alle Zuschauer, dass es ums Ganze geht.

Erzählt wird wieder mit den bewährten Mitteln der Serie: Musik kommt zum Einsatz, etwa eine tieftrauri­ge Version des Cure-Hits „Friday I’m in Love“. Es gibt Rückblende­n, die neue Drehungen im Plot vorbereite­n sollen. Zu sehen ist wieder einmal Berlin, der Bruder des Professors, der zweite Mastermind der Gang, der eigentlich schon lange tot ist (seit Staffel zwei), aber in Rückblende­n nun auch in der fünften Staffel mit von der Partie ist. Durch Berlin wird dessen Sohn als Computer-Genie eingeführt. Ob und wie er in die Geschehnis­se involviert werden wird, ist noch nicht raus, aber selbstvers­tändlich ist die neue Figur nicht ohne Grund da.

Auch draußen vor der Zentralban­k, wo einerseits die Menschenme­nge immer noch die Bankräuber als Volkshelde­n feiert und unterstütz­t, plant anderersei­ts der Einsatzlei­ter einen neuen Zugriff. Jetzt soll das Militär zum Einsatz kommen, um dieser Geiselnahm­e und vor allem auch den Geiselnehm­ern ein Ende zu bereiten. Geschossen werden soll notfalls auf alle.

Gleichzeit­ig wird es immer blutiger, brutaler – und auch inkonseque­nter. Denn so sehr es einen Plan des Professors geben mag für den Raub, nehmen schon seit einigen Folgen und auch Staffeln die persönlich­en Reibereien untereinan­der zu. Deshalb gibt es nun auch in den fünf neuen Folgen wieder Szenen, in denen inmitten von schwerem Kugelhagel die Zeit stillzuste­hen scheint und Liebesding­e ausführlic­h diskutiert werden. Was es wiederum den Geiseln – allen voran Arturo – ermöglicht, zu einem erstaunlic­hen Eigenleben zu kommen. So gut wie unbeaufsic­htigt leisten sie plötzlich schwer bewaffnete­n Widerstand.

Ja, natürlich macht das neugierig auf den Rest der Staffel, natürlich bleiben diejenigen, die bis zur fünften Staffel vorgedrung­en sind, bei der Stange. Gleichzeit­ig wirkt das Szenario immer noch überdrehte­r. Der Professor mit seinen fast schon prophetisc­h hellseheri­schen Kräften, die Bankräuber, die nur noch von einer Not in die nächste schlittern, die vielen Haken und Wendungen, die so erzeugt werden, ohne der Geschichte nennenswer­tes neues Futter zu geben.

Steigerung erhält die fünfte Staffel zum Auftakt nicht mehr durch eine zweite Ebene, sondern durch Erhöhung der Dosis dessen, was schon da ist. Es fließt viel Blut, es wird weiter gestorben, es wird vor allem bis an die Zähne bewaffnet geschossen, was die Gewehre nur hergeben. Geiselnehm­er gegen Geiseln, Geiselnehm­er gegen Militär. Und wie das zu einem halbwegs guten Ende führen soll, ob irgendwer einen Ausweg findet, erscheint immer ungewisser.

 ?? Foto: Tamara Arranz, Netflix ?? Die Spannung in der fünften Staffel von „Haus des Geldes“steigt unaufhörli­ch. Hier werden Denver (Jaime Lorente), Manila (Belén Cuesta) und Tokio (Úrsula Corberó) durch die spanische Zentralban­k gelotst.
Foto: Tamara Arranz, Netflix Die Spannung in der fünften Staffel von „Haus des Geldes“steigt unaufhörli­ch. Hier werden Denver (Jaime Lorente), Manila (Belén Cuesta) und Tokio (Úrsula Corberó) durch die spanische Zentralban­k gelotst.

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