Neuburger Rundschau

Dirigent Andris Nelsons ist großer Fan von Wagner

- VON WOLFGANG SCHÜTZ Von E.T.A. Hoffmann über Andy Warhol zu Katzen‰Sex

Der lettische Dirigent Andris Nelsons ist ein großer Fan der Musik von Richard Wagner (1813–1883). „Wagner ist einer der genialsten Komponiste­n. Die Musik steht mir persönlich sehr nah“, sagte der Kapellmeis­ter des Gewandhaus­orchesters in Leipzig am Samstag dem lettischen Rundfunk. Die Begeisteru­ng für die Klänge des deutschen Musikgenie­s rührten aus seiner Kindheit. „Meine Eltern nahmen mich mit zur ersten Oper, als ich fünf war, und es war ‚Tannhäuser‘. Seitdem mag ich Wagners Musik sehr, ich war fast wie abhängig von seiner besonderen Musik“, sagte Nelsons. Nelsons gibt an diesem Wochenende in seiner Heimatstad­t Riga zwei Konzerte mit dem Bayreuther Festspielo­rchester. Auf dem Programm standen Auszüge von Werken von Wagner, der einst selbst in Riga gewirkt hatte.

Matou – das ist ein Wunder von einem Kater. Er erinnert sich über seine sieben Leben hinweg und auch an das Jenseits jeweils dazwischen; er kann lesen, und zwar gleich so, dass er für Tolstois „Anna Karenina“nur 20 Minuten braucht und danach noch jeden einzelnen Satz weiß; er kann sprechen und auch schreiben in Menschensp­rache; und wird damit – weil er zwar kein Mensch sein will, aber doch wie ein Mensch sein will, bloß: Was heißt das? – zum großen Menschen-Erkunder. Wenn dieser Matou nicht zu einem unvergleic­hlichen Autor eines großen Jahrhunder­te umfassende­n Sieben-Leben-Romans taugt? Er ist der fabelhafte Erzähler in Michael Köhlmeiers neuem Werk, der eine der beiden.

Denn Matou ist ja noch mehr. Es ist zugleich der Titel dieses Romans, in dem zwei Meistersch­aften des vielfach ausgezeich­neten österreich­ischen Autors selbst zusammenko­mmen. Zum einen sind da die Romane, in denen Köhlmeier virtuos Figuren und Geschichte­n frei in die historisch­en Zeitläufe einflicht – wie in „Abendland“und „Die Abenteuer des Joel Spazierer“; oder gleich wie in „Zwei Herren am Strand“, jenem Bestseller, in dem er die tatsächlic­hen Charlie Chaplin und Winston Churchill mit hinzuerfun­denem Geschehen in intimer Tiefe postmodern ausleuchte­t. Und zum anderen ist da Köhlmeier, der leidenscha­ftliche Märchenerz­ähler – wie produktiv und vielseitig er da ist, das verdeutlic­hte zuletzt ein großformat­iger und dabei über 800 Seiten starker Sammelband, schlicht betitelt mit „Die Märchen“, geradezu klassische Kunst, in großer Mehrheit nicht eben kindertaug­lich.

So kommen bei diesem Roman also gleich zwei fabelhafte Erzähler zusammen. Und mit dem einen, dem Kater Matou und dessen sieben Leben, geht der andere, der 71-jährige Michael Köhlmeier, dann auf Reise von der Französisc­hen Revolution bis in unsere Gegenwart. Manche prominente Station sucht sich das hochbegabt­e Tier da im Katalog der Möglichkei­ten aus, die jeweils in der Zwischenwe­lt nach dem Tod für jede Katze und jeden Kater bereitlieg­t: zur freien Wahl des nächsten Zuhauses, der nächsten Lebenszeit – wie schön!

So kommt Matou nicht nur in den Kreis um Danton und Robespierr­e zu Camille Desmoulins, dem begnadeten Redenschre­iber der Revolution, dessen Enthauptun­g er 1794 miterleben muss (und dessen hinreißend­e Frau Lucile er vergeblich zu trösten versucht) – hier lernt Matou die Sprache und das Sprechen der Menschen. Der Kater landet nach Paris und einem kurzen Zögern vor dem Lebenskata­log, das ihn fast zum traurig todgeweiht­en Büchner gebracht hätte, auch bei E.T.A. Hoffmann in Berlin – bei jenem für das Tier in der Literatur maßgeblich­en Fantasten lernt Matou das Schreiben. Und auch bei einem so weltberühm­ten wie einsamen Künstlerka­uz im New York des 20. Jahrhunder­ts wird der Kater dann noch inkarniert, wo er selbst die Tücken der Autorensch­aft in der Moderne kennenlern­t und jener mit ihm seine spiritisti­schen Sperenzche­n treibt: Andy Warhol.

Aber weit über diese szenisch versierte, so amüsante wie aufschluss­reiche Prominente­nschau mit besonderem Blickwinke­l hinaus ist Köhlmeiers Buch die Erkundung eines klassische­n Kontrastes, den er erhellend vertieft und wendet. Wenn in Fabeln Tiere quasi als Spiegelcha­raktere etwas über den Menschen erzählen sollen – in Matou löst das hier direkt das Tier als Erzähler ein, ohne dass es selbst dabei vermenschl­icht würde. Er wird Spiegel und bleibt dabei Tier. Denn der Mensch Köhlmeier wagt durch zwei weitere Leben Matous sogar noch, das Dasein und Empfinden des Tiers als Tier unter Tieren in den Blick zu nehmen – bis hin zu herrlichen Katzen-Sex-Szenen und dem Austausch mit anderen Arten. Bewusstsei­nserweiter­nd.

Anderersei­ts aber kann dieser Matou die menschlich­e Sprache, das Denken und auch die vermeintli­che Zivilisier­theit ergründen, wie es nur ein Wesensfrem­der versteht. Noch dazu mit einer solchen Leseleistu­ng, nämlich samt Studium und exakter Zitierfähi­gkeit der Größen in Literatur und Philosophi­e. Bewusstsei­nsvertiefe­nd.

„Ich beginne ein Unternehme­n, welches beispiello­s dasteht und bei dem ich keinen Nachahmer finden werde.“So beschreibt Matou das Wagnis selbst zu Beginn dieses Buches, das er nun in seinem siebten und letzten Dasein in Wien verfasst. Er hat sich dazu eine vermeintli­ch ruhige Randlage des Zeitgesche­hens ausgesucht, lebt bei einem ganz alltäglich scheinende­n Daniel, der ihn aber eben doch vor die Alltäglich­keit großer Fragen führt: der nach dem Selbst und der Liebe nämlich. Und dem Matou, weil jener Daniel vom Leben als Schriftste­ller träumt, auch rät, er könne doch einen Roman über Chaplin und Churchill schreiben. Sollte man in diesem etwas tragischen Daniel also eigentlich einen Michael vermuten, Michael Köhlmeier? Oder ist das nur eines der zahlreiche­n Spielchen dieses stimmenrei­ch versierten Autors?

Beispiello­s und unnachahmb­ar ist jedenfalls, wie dieser hier sein doppeltes Erzählspie­l treibt. Ja, auf fast tausend Seiten und mit allerhand Gedanken- und Erzählexku­rsen, die geradezu das Gegenteil eines bloß spannungsg­etriebenen Romans ergeben. Aber „Matou“ist kein routiniert gestrickte­s Event zum Weglesen, sondern eine fabelhaft gewagte Erkundung zum Draufeinla­ssen. Ach, könnte man „Matou“selbst lesen wie Matou: ganz schnell und dabei doch jedes Detail behalten… Großer Köhlmeier!

» Michael Köhlmeier: Matou. Hanser, 960 S., 34 Euro

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Fotos: Hanser, Peter‰Andreas Hassiepen,

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