Warum nicht mal ein Huhn leihen?
Urban Gardening, also etwa Salatzüchten entlang stark befahrener Straßen mit dem Duft der weiten Dieselwelt, ist nicht mehr aus den Städten wegzudenken, ja ein liebenswerter Teil unserer Kultur geworden. Menschen, die in großer Zahl in Städte ziehen, brauchen einen grünen Ausgleich, schließlich müssen sich Hipsterin und Hipster in der Ära des verdichteten Bauens mit Wohnschachteln begnügen und können im Erdgeschoss allenfalls einem kleinen Grünstreifen bespielen. Platz ist aber auch im Minigarten: Dort finden Hunde Auslauf und auch ein Trampolin passt noch neben denn XXXLGrill im 50-Quadratmeter-Areal.
Wer sich platzmäßig derart fokussiert, wie das die Unternehmensberater-Klientel nennt, hat ein Anrecht darauf, sich unweit seiner Urban-Gardening-Beete neben dem Radweg Raum zu gönnen in Form eines über fünf Meter langen und rund zwei Tonnen schweren SUVs. Und irgendwo zwischen Stadtgelände-Wagen und Salatbeet lässt sich noch ein 2,5 Meter langes Lastenrad reinschieben.
Alles fügt sich wunderbar: Scheint einem die enge Mietwohnung die Luft abzuschnüren, lässt sich befreit durchatmen, wenn es mit den mobilen Wohnzimmern in die Natur zum Outdoor-Erlebnis mit dem E-Bike geht, vorbei an Hühnern und Kühen. Warum nicht gleich die Tierwelt in die Stadt holen? Während der Corona-Zeit gab es Experimente mit Hühnern, die in Micro-Gärten verbracht wurden. Zwischen XXXL-Grill und Trampolin fand sich ein Eckchen. Morgens warme Eier in den Händen zu halten, scheint manchem ein verdienter Ausgleich für die Ödnisse des kalten Homeoffice zu sein.
Das Phänomen nennt sich „Urban Livestock Farming“. Da Hühner im städtischen Kontext Eingewöhnungsschwierigkeiten hatten und der Tierschutz eingriff, bietet eine niedersächsische Firma clever Miethühner an, die samt Stall und Zaun geliefert werden. Das ist sozusagen ein Fall von „Rent a Chicken“. Mit 95 Euro pro Woche ist man dabei. Bleiben Huhn- und Stadtmensch sich fremd, werden die Miet-Tiere wieder geholt. Am Ende lässt sich die Geschäftsidee ausbauen: Warum nicht Miet-Ziegen auf Terrassen halten? Wenn so ein possierliches Tier sein Köpfchen keck in eine Videokonferenz reckt und meckert, sind alle BusinessKonflikte tierisch unwichtig.