So gut wie seit Beckers Zeiten nicht mehr
Zum ersten Mal seit 1997 stehen bei den US Open wieder drei deutsche Männer im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers. Die besten Aussichten auf ein Weiterkommen hat nun Alexander Zverev
New York Alexander Zverev wähnte sich fast schon im unfreiwilligen Urlaub in Südfrankreich. Nach einer Gala von Gegner Jack Sock im ersten Satz verhinderte der Olympiasieger aber doch noch nervenstark das jähe Aus bei den US Open und machte das beste deutsche Abschneiden bei einem Grand Slam seit 24 Jahren perfekt. Der Hamburger gewann sein Drittrunden-Match nach verletzungsbedingter Aufgabe seines amerikanischen Kontrahenten beim Stand von 3:6, 6:2, 6:3, 2:1 und trifft nun auf das Südtiroler Top-Talent Jannik Sinner.
Erleichtert schleuderte Zverev kurz vor Mitternacht unterschriebene Tennisbälle ins johlende Publikum. „Wenn Jack so weitergespielt hätte, wäre ich in anderthalb Stunden fertig gewesen“, scherzte er gut aufgelegt beim ersten Interview im Arthur Ashe Stadium nach seinem 14. Sieg in Serie. „Dann hätte ich meinen Urlaub geplant und hätte nächste Woche eine gute Zeit in Südfrankreich gehabt.“
Stattdessen erreichte Zverev nach Oscar Otte (Köln) und Peter Gojowczyk (München) als dritter Deutscher in der Männer-Konkurrenz das Achtelfinale. Dies gelang bei einem der vier wichtigsten Turniere zuletzt in der Ära von Boris Becker und Michael Stich, als das legendäre Duo gemeinsam mit Nicolas Kiefer 1997 in der Runde der besten 16 von Wimbledon stand.
Während Zverev trotz seines eindrucksvollen Laufs die Favoritenrolle für den Turniersieg schnell wieder dem Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic zuschob, dürfen die beiden deutschen Qualifikanten ihre sensationellen Erfolge einfach nur genießen. „Ich bin froh, zu sehen, dass er jetzt auf dem Niveau spielt, auf dem er wirklich spielen kann“, sagte Zverev über Otte. „Er ist einfach nur jemand, dem es an Disziplin gemangelt hat. Ich hoffe, dass er weiter die Arbeit macht und konstant auf dem Level wird.“
Mit einem Gruß an den Kölner Bundesliga-Profi Anthony Modeste und einer spektakulären Seitwärtsrolle bejubelte Otte seinen Achtelfinal-Einzug. Der 28 Jahre alte Qualifikant setzte sich gegen Andreas Seppi aus Italien mit 6:3, 6:4, 2:6, 7:5 durch und steht ebenso wie Gojowczyk erstmals in einem Grand-Slam-Achtelfinale. „Das ist ein Charakter-Erfolg. Ich freue mich so für ihn“, lobte Boris Becker.
Die deutsche Frauen-Chefin Barbara Rittner berichtete von einer Extra-Motivation an den Kölner. „Du wirst ja wohl nicht gegen so einen alten Mann verlieren“, habe sie im Scherz geschrieben, verriet Rittner. Ottes Antwort lautete: „Nee, den krall ich mir.“In das Duell mit dem an sechs gesetzten italienischen Wimbledon-Finalisten Matteo Berrettini geht der Weltranglisten-144. trotz allen Selbstbewusstseins nun allerdings als klarer Außenseiter.
Ganz anders Zverev. Die Partie gegen den 20 Jahre alten Sinner werde „extrem unterhaltsam“, prognostizierte der Weltranglisten-Vierte. „Er ist ein junger Typ, der sehr hungrig ist und extrem gut spielt.“Alles andere als der Einzug ins Viertelfinale wäre angesichts der überragenden Form von Zverev allerdings eine Enttäuschung – auch wenn Sinner ihn im vorigen Jahr bei den French Open bezwingen konnte.
Gegen Sock, der mit einer Wildcard ins Turnier gekommen war, musste sich Zverev erstmals bei diesen US Open in einem Durchgang geschlagen geben. Der 28-Jährige spielte zunächst überragend, traf fast alles, kam im Auftaktsatz auf sieben Asse und 18 direkte Schläge zum Punktgewinn. In den weiteren Durchgängen setzte sich Zverev jedoch immer mehr durch und zermürbte den angeschlagenen Gegner. Als Zverev vom Publikum im vierten Satz nach einem beeindruckenden Ballgewinn gefeiert wurde, fasste sich Sock entkräftet an den stark bandagierten Oberschenkel und gab wenig später nach dem Break zum 2:1 für Zverev auf.