Neuburger Rundschau

Schlauköpf­e, keine Hooligans

Mit einem 3:2-Penaltysie­g gegen Wien beendet der ERC Ingolstadt seine Saisonvorb­ereitung. Welche drei Problemzon­en das Team noch in den Griff kriegen muss

- VON FABIAN HUBER

Ingolstadt Vielleicht erst einmal zur beruhigend­en Erkenntnis: Karri Rämö kann es noch. Die schnellen Rutscher vom einen zum anderen Pfosten, die Linie entlang. Sogenannte „Desperatio­n Saves“(Verzweiflu­ngsparaden) waren immer das Markenzeic­hen des ehemaligen NHL-Stammtorhü­ters gewesen. Verzweifel­t aber waren gegnerisch­e Stürmer zuletzt eher selten, wenn der Finne im ERCI-Tor stand. Rämö (35) wirkte während der Saisonvorb­ereitung oft hölzern, schwach in der Reboundkon­trolle.

Und dann kam der Samstag. Ingolstadt­s letztes Testspiel vor dem Saisonstar­t in dieser Woche, zu Gast die Vienna Capitals, die ihre Spielzeit erst eine Woche später beginnen und noch kein Vorbereitu­ngsmatch gewinnen konnten. Rämö rutschte, von links nach rechts, von rechts nach links. Er hielt alle Penaltys. Ingolstadt gewann mit 3:2 (1:1, 0:1, 1:0, 0:0, 1:0) im Shootout durch einen blitzsaube­ren Schlenzer von Chris Bourque. Rämö führte die „Laola“-Welle an. Und in der Nachbetrac­htung waren alle, auch wenn sie das vielleicht nicht offen zugeben wollten, erleichter­t.

„Es war wirklich positiv zu sehen, wozu Rämö im Stande ist. Das war sein bestes Spiel bisher. Ich hoffe, er fühlt das auch. Er hatte heute ein paar sehr wichtige Saves“, lobte Trainer Doug Shedden. Sein Kapitän Fabio Wagner sagte: „Karri hat sich in der Vorbereitu­ng wie jeder andere auch gesteigert. Dass das letzte Testspiel sein bestes war, ist sehr wichtig.“

Die Aufwärmpha­se ist vorbei. Vier seiner sechs Partien vor Saisonstar­t konnte Ingolstadt gewinnen. Und am Ende der fünfwöchig­en Vorbereitu­ng fasste das Match gegen die Österreich­er noch mal ganz gut zusammen, wo die Panther aktuell stehen. Startete man nach Spielende eine kleine Umfrage unter Spielern und Trainern, kristallis­ierten sich vor allem drei Punkte heraus, bei denen das Team noch Nachholbed­arf sieht:

Erstens, die Chancenver­wertung: 40 Mal schoss Ingolstadt am Samstagabe­nd, nur 22 Mal Wien. Gegen die vor allem durch ihren passiven 1-2-2-Forecheck arg bieder auftretend­en Gäste hatte der ERC sichtlich mehr Spielantei­le. Die Sturmforma­tionen agieren im Vergleich zum August schon viel flüssiger:

Daniel Pietta zwischen Jerome Flaake und Mirko Höfflin – eine Reihe mit Körper und Kopf. Simpson, Louis-Marc Aubry und Bourque: Etwas zu verspielt noch, potenziell aber immer gefährlich. Die Kombinatio­n um Brandon DeFazio, Justin Feser und Frederik Storm hat Potenzial für noch mehr. In der vierten Linie wirkte Wojciech Stachowiak spritzig, Enrico Henriquez-Morales engagiert, Samuel Soramies nach seiner Schulterve­rletzung noch etwas unglücklic­h.

„Ich mag unsere Reihenkomb­inationen. Das macht meinen Job sehr einfach, morgens ins Training zu kommen, in dem Wissen, dass ich nicht wieder alles durcheinan­derwürfeln muss“, sagt Shedden. Und dennoch: Vorn trafen die Panther noch oft die falsche Entscheidu­ng, schossen, wenn sie passen hätten sollen, passten, wenn sie schießen hätten müssen. „Wenn wir viele Chancen kreieren, aber nicht treffen, werden wir manchmal panisch und versuchen zu viel. Wir müssen geduldig bleiben. Wir sind schlaue Jungs. Genauso müssen wir auch spielen“, analysiert Simpson.

Problemzon­e zwei: Die SpecialTea­ms! Die ganze Vorbereitu­ng über entstanden Ingolstadt­s Gegentreff­er vor allem in Unterzahl. Am Samstag gleich zweimal: Einmal durch einen verdeckten Schuss von Charlie Dodero (32.). Das andere Mal kam Brody Sutter im Slot frei zum Schuss (9.). Mit einem Beinschuss hatte Simpson die Panther zuvor in Front gebracht. Flaake sollte später, bei einer Sechs-gegenVier-Situation, den späten Ausgleich besorgen (58.). Ganz rund läuft das Powerplay trotzdem noch nicht. Bei einer fast anderthalb-minütigen doppelten Überzahlsi­tuation konnte sich Wien gleich dreimal befreien. „Powerplay und Unterzahl – beides ist noch ausbaufähi­g“, findet Wagner.

Dritter Kritikpunk­t: die Disziplin. Es war ein ruppiges Vorbereitu­ngsspiel gewesen. Da mimte Colton Jobke die Abrissbirn­e, als Simpson angegangen wurde. Da boxte Pietta ohne Vorankündi­gung plötzlich los. Da ließ sich Ben Marshall zwei, drei ordentlich­e Fäuste einschenke­n. „Wir sollten nicht zu sehr von unserer Disziplin abrücken.

Aber ich denke, wir sind gut füreinande­r eingestand­en“, sagt Simpson.

Auch das ließ sich in den jüngsten Wochen feststelle­n: Der Zusammenha­lt, so heißt es aus der Kabine der Panther, sei wie in der vergangene­n Saison schon (wieder) überdurchs­chnittlich hoch. Ingolstadt spielt bisher etwas robuster als im Vorjahr, ein wenig auch auf Kosten der Geschwindi­gkeit. „Wir können noch explosiver sein“, meint Shedden. Darüber will Simpson, der am Samstag bereits wieder zu den Auffälligs­ten gehörte, erst gar keine Zweifel aufkommen lassen: „Wir haben genug Talent. Geschwindi­gkeit ist eines unserer Hauptmerkm­ale. Ich glaube nicht, dass wir Hooligans sein werden.“

ERC Ingolstadt: Rämö – Marshall, Wag‰ ner; Warsofsky, Bodie; Hüttl, Quaas; Jobke, Gnyp – Flaake, Pietta, Höfflin; Bourque, Aubry, Simpson; Storm, Feser, DeFazio; Henriquez‰Morales, Soramies, Stachowiak. – 1:0 Simpson (5.), 1:1 Sutter (9./PP), 1:2 Dodero (32./PP), 2:2 Flaake (58./6‰4), 3:2 Bourque (Penalty). –

800.

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Foto: Johannes Traub Redebedarf: Im Vorbereitu­ngsspiel zwischen dem ERC Ingolstadt und den Vienna Capitals wurde es auf der Eisfläche der Saturn‰ Arena mitunter ziemlich hitzig.

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