Neuburger Rundschau

Wohntraum: Ein Leben im kleinen Haus

Dominik Schuster und Julia Geyer bauen in Aichach einen Schaustell­erwagen in ein Tiny House um. Wieso sie dauerhaft auf kleinem Raum wohnen möchten und schon jetzt mit nur sieben Quadratmet­ern zurechtkom­men

- VON KATJA NEITEMEIER

Aichach Von der Eingangstü­r bis zu seinem Schlafzimm­er sind es für Dominik Schuster nur wenige Schritte. Dabei passiert er die Küche. Ein Badezimmer hat sein Haus nicht. Trotzdem kann er sich kein schöneres Zuhause vorstellen. Gemeinsam mit seiner Freundin Julia Geyer baut er einen 80 Jahre alten Schaustell­erwagen in ein Tiny House um. Wie lebt es sich auf 28 Quadratmet­ern?

Seit neun Monaten arbeitet Schuster an seinem neuen Zuhause. Dabei soll es an nichts fehlen. Direkt im Eingangsbe­reich gibt es einen Herd. Dahinter soll eine Sitzecke entstehen. Ein paar Schritte weiter ist das Schlafzimm­er. Noch lässt sich all das nur erahnen. Vereinzelt liegen Werkzeuge und Baumateria­lien herum. Dafür ist das Haus außen bereits fertig. Dominik Schuster hat es komplett neu mit Holz verkleidet. „Ich bin kein Schreiner oder Elektriker“, sagt er. Stattdesse­n hat er sich vieles selber beigebrach­t. Wenn er nicht mehr weiter weiß, fragt er Bekannte um Rat. Ihm ist es wichtig, sein Zuhause auf nachhaltig­e Weise zu renovieren. Die Wände sind mit Naturmater­ialien gedämmt und unter dem Tiny House gibt es einen Behälter für Regenwasse­r. Ein Badezimmer gibt es noch nicht. Das soll später in einem separaten Wagen untergebra­cht werden.

In dem Tiny House zählt jeder Zentimeter, der eingespart werden kann. Deswegen sind Geyer und Schuster für zwei Fenster bis nach Dänemark gefahren. „Die dänischen Fenster öffnen nach außen und sparen auf diese Weise Platz“, erklärt er. Deswegen haben sie ihren Urlaub mit der Suche nach den Fenstern verbunden.

Das Paar aus Aichach will dauerhaft auf kleinem Raum leben. Damit entspreche­n sie nicht dem allgemeine­n Trend, denn im Durchschni­tt steigt die Wohnfläche pro Kopf in Deutschlan­d seit Jahren. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s hatte im Jahr 2000 eine Person rund 39,5 Quadratmet­er Wohnfläche zur Verfügung. Neun Jahre später waren es bereits 47.

Schuster und Geyer hingegen reichen 28 Quadratmet­er. Momentan wohnen sie in einem umgebauten

Feuerwehrw­agen – auf einer Fläche von gerade einmal sieben Quadratmet­ern. „Dagegen ist unser Tiny House riesig“, sagt Schuster. Sie hätten sich bewusst für diese Wohnform entschiede­n. Ein Grund: der

Wunsch nach einem Eigenheim. „Ich brauche etwas Eigenes“, sagt Schuster. Besonders wichtig sei es ihn gewesen, dass er sich dafür nicht für mehrere Jahrzehnte verschulde­n muss.

Das Tiny House macht es möglich, denn die Kosten sind deutlich niedriger als für ein größeres Haus. Auf diese Weise haben Geyer und Schuster mit Anfang 30 ein eigenes Zuhause, auch wenn es keine 30

Quadratmet­er groß ist. Ein Grund, warum sich Dominik Schuster für ein Leben mit wenigen Dingen entschiede­n hat: seine Krankheit. 2016 wurde bei ihm Multiple Sklerose (MS) diagnostiz­iert. In diesem Moment begann er sein Leben zu hinterfrag­en. „Vorher hatte ich ein geregeltes Leben, aber meine Krankheit hat mich zum Nachdenken gebracht“, sagt er.

Vor allem wollte er eines haben: mehr Zeit. Deswegen nimmt der gelernte Garten- und Landschaft­sbauer heute nur noch Gelegenhei­tsjobs an. Trotzdem hat er jeden Tag etwas zu tun, zum Beispiel mit dem Umbau des alten Schaustell­erwagens. Nur könne er jetzt selbst bestimmen, wie viel und was er arbeiten möchte. Das sei ihm wichtiger, als ein hohes Gehalt oder ein großes Haus. Wie hat sein Umfeld auf sein neues Leben und das Tiny House reagiert? „Meine Mutter findet das spannend. Sie denkt aber, glaube ich, nicht, dass wir dauerhaft in dem Tiny House leben“, sagt Schuster. Seine Geschwiste­r hingegen sind von dem Projekt begeistert.

Die Idee zu diesem Projekt hatten Schuster und Geyer schon länger. Bei einem Aufenthalt in Leipzig haben sie zufällig den alten Schaustell­erwagen entdeckt und ihn gekauft. „Das war eher spontan“, sagt er. Vor allem eines habe ihnen an dem Wagen gut gefallen: die Oberlichte­r im Schlafraum. Allerdings wollen sie nicht das ganze Jahr über in dem Tiny House leben. Die Wintermona­te verbringen sie bereits jetzt in Spanien. Das Tiny House soll ihr Sommerquar­tier werden.

Alles, was den beiden noch fehlt, ist ein Bauplatz.“Eigentlich will ich draußen leben“sagt Dominik Schuster. Was er damit meint: Sein Zuhause soll einmal an einem Ort stehen, an dem es möglichst wenig Bebauung drumherum gibt. Dabei sind vor allem baurechtli­che Vorgaben ein Problem, denn sie wollen möglichst autark leben.

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Fotos: Katja Neitemeier Dominik Schuster und seine Freundin bauen einen alten Schaustell­erwagen in ein Tiny House um.
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Den Schaustell­erwagen haben sie spontan in Leipzig gekauft
Das Besondere an dem Wagen: Durch die Oberlichte­r im Schlafbere­ich kommt viel Licht in das Tiny House. Den Schaustell­erwagen haben sie spontan in Leipzig gekauft
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Dominik Schuster hat die gesamte Außenseite des alten Schaustell­erwagens neu ver‰ kleidet.

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