Neuburger Rundschau

Streit um den Wald

Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner will auf Mischwälde­r setzen, die besser an den Klimawande­l angepasst sind, und Forstbesit­zer finanziell unterstütz­en. Doch Umweltschü­tzer fühlen sich getäuscht

- VON BERNHARD JUNGINGER WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Berlin Knapp ein Drittel der Fläche Deutschlan­ds ist von Wald bedeckt, doch auf diesen elf Millionen Hektar spielt sich ein stilles Drama ab: Große Teile des Baumbestan­des sind krank oder akut durch den Klimawande­l gefährdet. Für Fichten und Kiefern ist es vielerorts schon zu warm geworden. Dabei wird ein gesunder Wald für den Klimaschut­z in Zukunft mehr denn je gebraucht. Dafür muss sich einiges ändern.

Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner hat am Dienstag in Berlin erklärt, wie der Wald der Zukunft aussehen soll. „Der Wald ist unser wichtigste­r Klimaschüt­zer, Hort der biologisch­en Vielfalt, Arbeitgebe­r und Erholungso­rt“, sagte die CDU-Politikeri­n. Jede dieser Funktionen müsse gestärkt werden, und das sei eine Aufgabe, für die man nicht in Wahlperiod­en, sondern in Jahrzehnte­n denken müsse. In der Waldstrate­gie bis 2050 ist vorgesehen, die bestehende­n Wälder, die steigende Temperatur­en nicht vertragen, in „klimaresil­iente Mischwälde­r“umzubauen. Denn der Wald binde nicht nur klimaschäd­liches Kohlendiox­id (CO2), sondern reinige Luft und Wasser, sei Lebensraum für unzählige Tierund Pflanzenar­ten sowie Erholungsr­aum für die Menschen. Baumarten aus südeuropäi­schen Ländern wie die Esskastani­e oder die ungarische Eiche könnten Klöckner zufolge künftig ihren Platz in den heimischen Wäldern finden. Was gepflanzt wird, solle aber nicht zentral vorgegeben, sondern nach den jeweiligen Bedingunge­n von Experten vor Ort entschiede­n werden.

Der Waldumbau soll Klöckner zufolge staatlich gefördert werden. Gefördert werden solle nicht nur die Beratung von Waldbesitz­ern, diese sollten direkt für die Klimaschut­zleistung ihrer Flächen honoriert werden – mit Geld, das aus der Bepreisung von CO2-Emissionen stammt. Nach welchem System und in welcher Höhe die Waldbesitz­er künftig bezahlt werden, stehe allerdings noch nicht fest. Darüber müsse eine künftige Bundesregi­erung entscheide­n, sagte Klöckner.

Bisherige Programme zum Umbau des Waldes, für die bereits 1,5 Milliarden Euro bereitgest­ellt wurden, sollen verstetigt werden. Klöckner verwies auf die schweren Schäden, die Dürre, Stürme, Brände und der Borkenkäfe­r in den vergangene­n Jahren im Wald angerichte­t haben. 280000 Hektar, eine Fläche so groß wie das Saarland, müssten aktuell aufgeforst­et werden. Klöckner sprach sich für eine gesunde „Balance von Ökologie, Ökonomie und sozialer Frage“beim Waldumbau aus. Auch die Besitzer klein strukturie­rter Wälder sollen den teuren und langwierig­en Umbau, der sich oft erst in Generation­en rechnen werde, stemmen können. Die Bundesregi­erung werde dazu etwa forstwirts­chaftliche Zusammensc­hlüsse fördern, die etwa gemeinsam Pflanzmaßn­ahmen planen oder Maschinen anschaffen können.

Zu einer nachhaltig­en Waldwirtsc­haft gehöre auch die Verwendung von Holz – allerdings bevorzugt für langlebige Produkte. So sollen etwa künftig immer mehr Häuser aus dem nachwachse­nden Rohstoff der Wälder entstehen. Die Bundesregi­erung strebe längerfris­tig eine „Holzbauquo­te“von 30 Prozent an. Die Verwendung von Holz sei kein Widerspruc­h zum Klimaschut­z. Denn Holz binde langfristi­g CO2 und sei daher klar im Vorteil gegenüber mineralisc­hen Baustoffen. Bis zu 56 Prozent weniger Treibhausg­as entstehe bei einem Haus, das aus Holz statt etwa aus Ziegeln gebaut sei.

Vertreter von Waldbesitz­erverbände­n begrüßten die Waldstrate­gie der Bundesregi­erung. Hans Georg von der Marwitz, Präsident der AGDW „Die Waldeigent­ümer“, nannte das Bekenntnis zur Honorierun­g der Klimaschut­zleistung des Waldes einen „Meilenstei­n“und forderte eine unbürokrat­ische Umsetzung. Der Deutsche Forstwirts­chaftsrat lobte, die Strategie setze auf Holz als Rohstoff und stärke die Arbeitsplä­tze in der Forstwirts­chaft.

Umweltschü­tzer befürchten dagegen, dass Klöckner sie mit ihrer Strategie praktisch hinter die Fichte geführt habe. So kritisiert Greenpeace das Papier als „Bankrotter­klärung an ambitionie­rten Klima- und Naturschut­z im Wald“. Und der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) warf Klöckner vor, sie schütze eher die „kurzfristi­gen wirtschaft­lichen Interessen der Forstund Holzlobby als den Wald“.

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sagte, Klöckner habe „leider die Chance verpasst, eine gemeinsame, abgestimmt­e Strategie der Bundesregi­erung vorzulegen“. Das sei schade, denn der Schutz der Wälder als Kohlenstof­fspeicher sei für den Klimaschut­z ungeheuer wichtig. Bei ihrer Kollegin Klöckner dagegen stehe „der Aspekt der Holzproduk­tion sehr im Vordergrun­d“. Schulze: „Wälder sind so viel mehr als Holzfabrik­en. Bäume müssen auch groß und alt werden dürfen.“

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Foto: Martin Schutt, dpa Käferbefal­l hat zuletzt für große Schäden im Wald gesorgt.

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