Der Sommer, der kaum ein Sommer war
In den warmen Monaten regnete es im Freistaat enorm viel. Die Aussichten für die nächsten Tage sind auch nur gemischt. Warum sich Wissenschaftler langfristig für Bayern Sorgen machen
München Es gibt derzeit wohl kaum ein Thema, das neben Covid so intensiv diskutiert wird wie das Wetter. Der Sommer in Bayern war eine schaurige, an Regen kaum zu überbietende Veranstaltung. Der September lässt sich zwar derzeit noch gut an. Aber südwestlich von Europa begibt sich offenbar schon wieder ein Tiefdruckgebiet in Stellung, um dem Spätsommer ab Donnerstag seine Wärme zu nehmen. Bis Mitte September soll es bei uns eher nur noch um die 20 Grad haben und einen Mix aus Wolken, Schauern und Sonne geben. Das sind die ganz nahe liegenden Prognosen. Doch eine Studie der Universität Freiburg in Zusammenarbeit mit der Uni München hat sich insbesondere der Extremniederschlagslagen der Zukunft im Freistaat angenommen. Die Aussicht der Wissenschaftler: alles andere als heiter.
Doch blicken wir zunächst noch einmal auf den zurückliegenden Sommer. Bayern war nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) München demnach deutschlandweit das mit Abstand niederschlagsreichste Bundesland. In den drei Monaten von Juni bis August fielen im Freistaat im Schnitt gut 415 Liter pro Quadratmeter – 101 Liter mehr als im langjährigen Mittel zwischen den Jahren 1961 und 1990. Am meisten Niederschlag fiel demnach am unmittelbaren Alpenrand mit teils mehr als 700 Litern pro Quadratmeter. Für mehrere Menschen endeten die heftigen Unwetter im Sommer tödlich: Mitte Juli richteten Hochwasserfluten und Erdrutsche in Orten wie Berchtesgaden, Schönau am Königssee oder Ramsau Verwüstungen an, zwei Menschen starben. Mitte August wurden nach einem heftigen Gewitter in der Höllentalklamm an der Zugspitze zwei Menschen von einer Flutwelle mitgerissen. Eine Frau starb.
Bayern war im Sommer mit einer Temperatur von im Schnitt 17,6 Grad zudem das zweitkühlste Bundesland. Damit lag der Freistaat aber 1,8 Grad über dem langjährigen Mittelwert. „Diese Steigerungen sind ein klares Indiz für die Existenz des Klimawandels“, sagte DWD-Experte Martin Schwienbacher im Gespräch mit unserer Redaktion. Habe es noch vor Jahren teils Zweifel am Klimawandel gegeben, sei dieser in der Fachwelt inzwischen völlig vom Tisch. „Es gibt einen völligen Konsens in der Wissenschaft, dass dieser existiert und eine eindeutige Folge der CO2-Emissionen ist.“Diese Entwicklung werde sich auch fortsetzen. Die Sommermonate würden trockener und heißer im Freistaat.
Darüber dürfe auch der schlechte Sommer 2021 nicht hinwegtäuschen, betonte Schwienbacher. „Es gab tatsächlich überdurchschnittlich viel Niederschlag und die Temperaturen waren niedrig.“Wichtig ist aus seiner Sicht aber die Betrachtung in der langen Perspektive. Und dann seien eher Sommer mit hohen Temperaturen zu erwarten.
Die Auswirkungen des Klimawandels hat nun eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern rund um die Freiburger Hydrologin Dr. Manuela Brunner vom Institut für Geound Umweltnaturwissenschaften der Universität Freiburg und Prof. Ralf Ludwig von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) beleuchtet.
Die Expertinnen und Experten nahmen 78 sogenannte Oberwassereinzugsgebiete in Bayern in den Blickwinkel – und zwar am Inn, am Main und auch an der Donau. Sie untersuchten diese Regionen – grob eingeteilt – nach zwei unterschiedlichen Extremwettersituationen. Nämlich schwächere, die in den Jahren von 1961 bis 2000 im Mittel etwa alle 50 Jahre auftraten. Sie werden demnach im Zeitraum von 2060 bis 2099 dann doppelt so oft vorkommen. Und stärkere Extremwettersituationen, die im Zeitraum von 1961 bis 2000 im Mittel etwa alle 200 Jahre eintraten. Sie werden sich in der Zukunft sogar bis zu viermal häufiger ereignen. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die je nach örtlichen Begebenheiten ähnlich katastrophal verlaufen könnten, wie sie nun im Westen Deutschlands zu verzeichnen waren. Einen Schwerpunkt in den 78 untersuchten Regionen hervorheben, das wollte die Hydrologin Manuela Brunner nicht. „Das wäre wegen der Unsicherheiten nicht seriös“, erklärte sie. Insgesamt lasse sich aber sagen, dass die Hochwassergefahr in den alpinen Gebieten sommers wie winters stärker zunehmen werde. Tiefer liegendere Gebiete wie etwa Augsburg hingegen würden von Hochwasserzunahmen weniger stark betroffen sein – und wenn, dann eher im Sommer. Und es gebe noch eine Erkenntnis. „Dadurch, dass künftig mit mehr Trockenheit zu rechnen ist, kann es sein, dass etwas schwächere Extremwettersituationen kein Hochwasser auslösen, weil die trockenen Böden so viel Wasser aufnehmen können, dass nichts Schlimmes passiert.“Anders sei die Lage natürlich, wenn die Böden ohnehin schon stark flüssigkeitsgesättigt sind. Und bei ganz starken Extremwettersituationen wiederum sei es egal, ob die Böden trocken sind oder nicht. „Dann führen Starkniederschläge wahrscheinlich zu Hochwassern.“
Experte: Klares Indiz für den Klimawandel