Neuburger Rundschau

Große Not in der Pflege zu Hause

VdK will klagen und stellt Forderunge­n

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Die Angst, pflegebedü­rftig zu werden, ist groß – und sie scheint berechtigt zu sein, wenn man hört, was der Sozialverb­and VdK Bayern im Rahmen einer Pressekonf­erenz am Dienstag berichtet. Rund 492000 Menschen im Freistaat sind demnach pflegebedü­rftig. Zwei Drittel von ihnen werden von Angehörige­n daheim versorgt. Deren Lage ist nach Einschätzu­ng des früheren Patienten- und Pflegebeau­ftragten der bayerische­n Staatsregi­erung und jetzigen stellvertr­etenden VdK-Landesvors­itzenden Hermann Imhof oft von Ängsten, Verzweiflu­ng, ja Hoffnungsl­osigkeit geprägt. Es herrsche eine wachsende Not in der häuslichen Pflege, die von der Politik zu wenig beachtet werde.

So fordere Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) zu Recht eine „Revolution in der Pflege“. Doch er habe nach Ansicht von Imhof dabei nur die Kliniken und Pflegeheim­e im Blick. Auch für die häusliche Pflege, die das Gros der Pflege ausmacht, müsse es eine „Revolution“geben. Zumal die Pandemie die Lage noch verschärft hat, was eine aktuelle VdK-Umfrage belege: Demnach mussten 35 Prozent der Pflegebedü­rftigen in Bayern während der Pandemie auf ihre üblichen Unterstütz­ungsangebo­te verzichten. 41 Prozent der Pflegebedü­rftigen und 45 Prozent der pflegenden Angehörige­n fühlten sich im Vergleich zur Zeit davor sehr stark belastet. Vor allem psychische Belastunge­n gaben die Menschen an,

Wie die Mütterrent­e müsse es eine Pflegerent­e geben

aber auch eine große Angst vor Ansteckung. Allein gelassen und teils verzweifel­t fühlten sich laut Studie 22 Prozent der Pflegepers­onen und 33 Prozent der Pflegebedü­rftigen.

Doch die Isolation von alten Menschen sei während der Pandemie ausschließ­lich für Pflegebedü­rftige im Heim wahrgenomm­en worden. „Dabei litt auch jede dritte Person zu Hause unter Einsamkeit“, betont die VdK-Bereichsle­iterin Yvonne Knobloch. Daher steht für die VdK-Landesvors­itzende Ulrike Mascher fest: „Es herrscht Alarmstufe Rot.“So gebe es schon seit 2017 keine Anhebung der Pflegeleis­tungen mehr, um wenigstens die Inflation auszugleic­hen – obwohl dies versproche­n worden sei. Die Pflegerefo­rm, die das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium im Sommer noch auf den Weg gebracht habe, habe „einzig und allein die stationäre Pflege im Blick“. Diese sei zwar sehr wichtig, hebt Mascher hervor, doch dürfe die häusliche Pflege nicht einfach vergessen werden.

Der VdK werde gegen die „offenkundi­ge Benachteil­igung von ambulant versorgten Menschen durch die letzte Pflegerefo­rm juristisch vorgehen“, kündigt Mascher an. Es werde gerade eine Klage wegen der ausgeblieb­enen Anpassung des Pflegegeld­es vorbereite­t. Wenn nötig, werde der VdK bis vors Verfassung­sgericht gehen. Das werde dann die neue Bundesregi­erung beschäftig­en.

Generell müsse die gesellscha­ftliche Leistung der Familienpf­lege nach Ansicht von Mascher besser anerkannt werden: Analog zur Mütterrent­e müsse es einen vollen Rentenpunk­t pro Pflegejahr für pflegende Angehörige geben, um der Gefahr von Altersarmu­t entgegenzu­wirken. „So wie es jetzt schon eine Mütterrent­e gibt, die Kindererzi­ehung für die Rente honoriert, muss es künftig eine Pflegerent­e geben.“Zudem müsse ein Anspruch auf einen Tages-und Nachtpfleg­eplatz für Pflegebedü­rftige gesetzlich verankert werden. Und ein Rückkehrre­cht an den Arbeitspla­tz nach einer Pflegezeit müsse garantiert sein.

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