Neuburger Rundschau

So klappt’s auch im Kofferraum

Falträder sind bei Berufspend­lern wie Wohnmobili­sten beliebt. Oft büßen die Falter aber bei den Fahreigens­chaften ein. Mehr Komfort ist möglich – mit Kompromiss­en an anderer Stelle. Eine Testfahrt

- Stefan Weißenborn, dpa

Berlin Falträder sind ideal fürs kurze Radeln zwischendu­rch: Wohnmobilr­eisenden bescheren sie flexible Mobilität am Urlaubsort, Ausflügler packen sie in den Autokoffer­raum, Berufspend­ler nutzen sie für die letzte Meile vom Bahnhof. Doch Falträder wie der Klassiker von Brompton oder das Birdy vom deutschen Hersteller Riese & Müller rollen auf vergleichs­weise kleinen Rädern. Das soll das Packmaß auf ein Minimum reduzieren. Daher sind viele Modelle konstrukti­onsbedingt weniger laufruhig und kommen mit Schlaglöch­ern und Unebenheit­en schlechter zurecht.

Um die Launen ihrer Modelle zu beruhigen, montieren manche Hersteller statt der 18, 16 oder manchmal sogar nur zwölf Zoll messenden Laufräder größere 20-Zöller. Moulton aus England zum Beispiel – ein anderer Klassiker. Oder die kleine Manufaktur Bernds aus Überlingen am Bodensee, deren Modell wir gefahren sind. Der Einsatzzwe­ck: „Unsere Modelle bieten ein Fahrgefühl, das dem von 28-Zoll-Fahrrädern entspricht“, sagt Thomas Bernds als Geschäftsf­ührer der „Bernds Werke“. Dort baut eine Handvoll Mitarbeite­r Falträder.

Der typische Kunde schätze das Bike als vollwertig­es, aber einfach zu handelndes Fahrrad – beim Fahren wie beim Verladen. Die Technik: Lenker drehen, Hinterbau unters Rahmenrohr schwenken, Lenkstütze anklappen, Sattelstüt­ze anklappen – in vier Schritten bringt man das Bernds auf ein Faltmaß von 95×74,5×20 Zentimeter. Damit lässt sich das Bernds nicht ganz so kompakt zerlegen wie andere Falträder. Wird es zum Beispiel im Zugabteil oder Kleinwagen-Kofferraum eng, kann das ein Nachteil sein. Mit 14 Kilo ist das Bernds vergleichs­weise schwer. Der Trageweg sollte kurz sein. Aber das Bernds ist an anderer Stelle flexibler.

Typisch für Falträder ist, dass es sie oft nur in Einheitsgr­ößen gibt. Für eine Anpassung an Fahrer oder Fahrerin muss es genügen, dass man Sattel und Lenker verstellen kann. Das Bernds hingegen wird individuel­l anhand der Körpermaße gefertigt. Dazu variiert der Hersteller die Länge des Einrohrrah­mens und verspricht allen mit Körpergröß­en zwischen 1,40 Meter und 2,10 Meter ihre Wunschsitz­haltung – von „hollandrad­aufrecht“bis „rennradspo­rtlich“gebückt.

Das Testrad bietet eine aufrechte Sitzpositi­on für eher gemütliche­s Variieren kann man diese, indem man den winkelvers­tellbaren Vorbau weiter nach vorn neigt.

Auffällig ist, wie komfortabe­l und laufruhig sich das Bernds im Vergleich zu anderen Falträdern anfühlt. Das 28-Zoll-Verspreche­n von Thomas Bernds löst es aber nicht ganz ein. Leicht nervös lenkt sich das Fahrrad immer noch, dafür aber bleibt das Fahrrad gattungsty­pisch wendig. Für Dämpfungsk­omfort sorgt ein Elastomer-Einsatz zwischen Rahmenrohr und Sitzstrebe­n. Das ist ein Kautschuk-Bauteil, das aussieht wie ein schwarzer Marshmallo­w und einen Federweg von 75 Millimeter­n bietet. Stöße ins Kreuz, gerade bei aufrechter Sitzhaltun­g schlecht für die Wirbelsäul­e, werden spürbar abgemilder­t.

Ein Plus an Dämpfung liefern die 50 Millimeter breiten Ballonreif­en, die auch Schlaglöch­ern den Schrecken nehmen. Wer noch mehr Komfort möchte, bestellt eine Federgabel (350 Euro Aufpreis). Gut dosierbar sind auch die mechanisch­en Scheibenbr­emsen von Avid, die sich fast so feinfühlig wie teurere Hydraulik-Bremsen und ohne großen Kraftaufwa­nd in den Fingern bedienen lassen. Am Bernds-Testrad packen sie so kräftig zu, dass die Bremswege auch bei Nässe kurz bleiben.

Das Testrad gibt sich in einem Punkt klassisch. Es fährt wie viele Klappräder aus den 1960er und 1970er Jahren mit einer ZweigangGe­triebenabe. Bernds rät aber aufgrund der erwachsene­n FahreigenR­adeln. schaften, die auch hohes Tempo zulassen, zur Schaltung mit mehr Gängen. Er bietet Kettenscha­ltungen mit acht und elf Gängen an, alternativ aber auch Nabenschal­tungen (Shimano Nexus, Achtgang; Rohloff, Vierzehnga­ng). Als wartungsär­mste Variante empfiehlt Bernds eine Nabenschal­tung in Kombinatio­n mit Riemenantr­ieb. Die Lösung drücke das Gewicht, und die Hosenbeine blieben sauber.

Interessan­t sind die Ausstattun­gsoptionen: Neben Faltpedale­n, die das Bike zusammenge­legt noch ein wenig kompakter machen (50 Euro extra), hydraulisc­hen Scheibenbr­emsen (plus 200 Euro) oder einem „Toulouse-Lenker“mit abgeknickt­em Rohr für eine aufrechter­e Sitzhaltun­g (kein Aufpreis) kann das Bernds auch als Pedelec bestellt werden – wahlweise mit AnsmannFro­ntnabenmot­or, Zehus-Hecknabenm­otor oder Pendix-Tretlagerm­otor (ab 1700 Euro Aufpreis). Als PaxBernds (ab 1750 Euro) wird es sogar zu einem Lastenfalt­rad. Auf die vordere Ladefläche passen Getränkeki­sten, sie verträgt bis zu 40 Kilo. Die günstigste Beleuchtun­gsoption mit Shimano-Nabendynam­o kostet 220 Euro. Das Faltrad kostet ab 1550 Euro. Wer im Konfigurat­or ein paar Klicks setzt, knackt aber schnell die 2000-Euro-Marke.

Fazit: Im Gelsattel des Bernds ist man auf einem komfortabl­en und wendigen Faltrad unterwegs, das sich auch bei höherem Tempo ziemlich erwachsen gibt. Fasziniere­nd ist, wie wandelbar das Grundmodel­l ist, erfreulich schnell lässt es sich falten. Wem Packmaß und Gewicht sehr wichtig sind, der muss sich bei der Konkurrenz umschauen.

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Foto: Stefan Weißenborn, dpa Das Bernds lässt sich nicht ganz so kompakt zusammenfa­lten wie Räder der Konkurrenz à la Brompton und Riese & Müller – allein wegen der größeren Laufräder.

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