So klappt’s auch im Kofferraum
Falträder sind bei Berufspendlern wie Wohnmobilisten beliebt. Oft büßen die Falter aber bei den Fahreigenschaften ein. Mehr Komfort ist möglich – mit Kompromissen an anderer Stelle. Eine Testfahrt
Berlin Falträder sind ideal fürs kurze Radeln zwischendurch: Wohnmobilreisenden bescheren sie flexible Mobilität am Urlaubsort, Ausflügler packen sie in den Autokofferraum, Berufspendler nutzen sie für die letzte Meile vom Bahnhof. Doch Falträder wie der Klassiker von Brompton oder das Birdy vom deutschen Hersteller Riese & Müller rollen auf vergleichsweise kleinen Rädern. Das soll das Packmaß auf ein Minimum reduzieren. Daher sind viele Modelle konstruktionsbedingt weniger laufruhig und kommen mit Schlaglöchern und Unebenheiten schlechter zurecht.
Um die Launen ihrer Modelle zu beruhigen, montieren manche Hersteller statt der 18, 16 oder manchmal sogar nur zwölf Zoll messenden Laufräder größere 20-Zöller. Moulton aus England zum Beispiel – ein anderer Klassiker. Oder die kleine Manufaktur Bernds aus Überlingen am Bodensee, deren Modell wir gefahren sind. Der Einsatzzweck: „Unsere Modelle bieten ein Fahrgefühl, das dem von 28-Zoll-Fahrrädern entspricht“, sagt Thomas Bernds als Geschäftsführer der „Bernds Werke“. Dort baut eine Handvoll Mitarbeiter Falträder.
Der typische Kunde schätze das Bike als vollwertiges, aber einfach zu handelndes Fahrrad – beim Fahren wie beim Verladen. Die Technik: Lenker drehen, Hinterbau unters Rahmenrohr schwenken, Lenkstütze anklappen, Sattelstütze anklappen – in vier Schritten bringt man das Bernds auf ein Faltmaß von 95×74,5×20 Zentimeter. Damit lässt sich das Bernds nicht ganz so kompakt zerlegen wie andere Falträder. Wird es zum Beispiel im Zugabteil oder Kleinwagen-Kofferraum eng, kann das ein Nachteil sein. Mit 14 Kilo ist das Bernds vergleichsweise schwer. Der Trageweg sollte kurz sein. Aber das Bernds ist an anderer Stelle flexibler.
Typisch für Falträder ist, dass es sie oft nur in Einheitsgrößen gibt. Für eine Anpassung an Fahrer oder Fahrerin muss es genügen, dass man Sattel und Lenker verstellen kann. Das Bernds hingegen wird individuell anhand der Körpermaße gefertigt. Dazu variiert der Hersteller die Länge des Einrohrrahmens und verspricht allen mit Körpergrößen zwischen 1,40 Meter und 2,10 Meter ihre Wunschsitzhaltung – von „hollandradaufrecht“bis „rennradsportlich“gebückt.
Das Testrad bietet eine aufrechte Sitzposition für eher gemütliches Variieren kann man diese, indem man den winkelverstellbaren Vorbau weiter nach vorn neigt.
Auffällig ist, wie komfortabel und laufruhig sich das Bernds im Vergleich zu anderen Falträdern anfühlt. Das 28-Zoll-Versprechen von Thomas Bernds löst es aber nicht ganz ein. Leicht nervös lenkt sich das Fahrrad immer noch, dafür aber bleibt das Fahrrad gattungstypisch wendig. Für Dämpfungskomfort sorgt ein Elastomer-Einsatz zwischen Rahmenrohr und Sitzstreben. Das ist ein Kautschuk-Bauteil, das aussieht wie ein schwarzer Marshmallow und einen Federweg von 75 Millimetern bietet. Stöße ins Kreuz, gerade bei aufrechter Sitzhaltung schlecht für die Wirbelsäule, werden spürbar abgemildert.
Ein Plus an Dämpfung liefern die 50 Millimeter breiten Ballonreifen, die auch Schlaglöchern den Schrecken nehmen. Wer noch mehr Komfort möchte, bestellt eine Federgabel (350 Euro Aufpreis). Gut dosierbar sind auch die mechanischen Scheibenbremsen von Avid, die sich fast so feinfühlig wie teurere Hydraulik-Bremsen und ohne großen Kraftaufwand in den Fingern bedienen lassen. Am Bernds-Testrad packen sie so kräftig zu, dass die Bremswege auch bei Nässe kurz bleiben.
Das Testrad gibt sich in einem Punkt klassisch. Es fährt wie viele Klappräder aus den 1960er und 1970er Jahren mit einer ZweigangGetriebenabe. Bernds rät aber aufgrund der erwachsenen FahreigenRadeln. schaften, die auch hohes Tempo zulassen, zur Schaltung mit mehr Gängen. Er bietet Kettenschaltungen mit acht und elf Gängen an, alternativ aber auch Nabenschaltungen (Shimano Nexus, Achtgang; Rohloff, Vierzehngang). Als wartungsärmste Variante empfiehlt Bernds eine Nabenschaltung in Kombination mit Riemenantrieb. Die Lösung drücke das Gewicht, und die Hosenbeine blieben sauber.
Interessant sind die Ausstattungsoptionen: Neben Faltpedalen, die das Bike zusammengelegt noch ein wenig kompakter machen (50 Euro extra), hydraulischen Scheibenbremsen (plus 200 Euro) oder einem „Toulouse-Lenker“mit abgeknicktem Rohr für eine aufrechtere Sitzhaltung (kein Aufpreis) kann das Bernds auch als Pedelec bestellt werden – wahlweise mit AnsmannFrontnabenmotor, Zehus-Hecknabenmotor oder Pendix-Tretlagermotor (ab 1700 Euro Aufpreis). Als PaxBernds (ab 1750 Euro) wird es sogar zu einem Lastenfaltrad. Auf die vordere Ladefläche passen Getränkekisten, sie verträgt bis zu 40 Kilo. Die günstigste Beleuchtungsoption mit Shimano-Nabendynamo kostet 220 Euro. Das Faltrad kostet ab 1550 Euro. Wer im Konfigurator ein paar Klicks setzt, knackt aber schnell die 2000-Euro-Marke.
Fazit: Im Gelsattel des Bernds ist man auf einem komfortablen und wendigen Faltrad unterwegs, das sich auch bei höherem Tempo ziemlich erwachsen gibt. Faszinierend ist, wie wandelbar das Grundmodell ist, erfreulich schnell lässt es sich falten. Wem Packmaß und Gewicht sehr wichtig sind, der muss sich bei der Konkurrenz umschauen.