Neuburger Rundschau

„Die Bauern bekommen schneller ihr Geld“

Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) findet, dass sie die Position der Landwirte gegenüber den Supermarkt­ketten gestärkt hat. Der Umbau zu einer nachhaltig­en Landwirtsc­haft sei angestoßen, brauche aber Zeit

- Interview: Christian Grimm und Stefan Lange

Frau Ministerin, ganz spontan und ohne viel nachzudenk­en: Auf welche Leistung sind Sie als Ministerin stolz? Julia Klöckner (antwortet sofort): Ich freue mich, dass wir bei der gesellscha­ftlichen Debatte über die Themen Landwirtsc­haft, Umwelt, Klima und Tierschutz entscheide­nd weitergeko­mmen sind. Zu Beginn meiner Amtszeit war das ein komplett polarisier­endes Gegeneinan­der. Jetzt ist eine Akzeptanz da, dass höhere Standards mehr Geld kosten. Mehr Tierwohl, mehr Umwelt- und Klimaschut­z gibt es nicht zum Nulltarif. Und diese Transforma­tion haben wir konsequent vorangetri­eben.

Haben Sie ein Beispiel?

Klöckner: Wir haben als erstes Land weltweit das Kükentöten per Gesetz verboten. Preislich sind die Eier dann wenige Cent teurer – das muss uns mehr Tierwohl aber wert sein.

Sie sind ja auch, viele wissen es nicht, für den gesundheit­lichen Verbrauche­rschutz zuständig. Hört sich sehr theoretisc­h an, oder?

Klöckner: Im Gegenteil, ich kann Ihnen da ein ganz aktuelles Beispiel nennen. Ich habe gerade die Druckfarbe­nverordnun­g auf den Weg gebracht.

Das klingt jetzt, ehrlich gesagt, erst mal nicht so spannend.

Klöckner: Mit der Verordnung sorgen wir dafür, dass keine gesundheit­sschädlich­en Stoffe mehr für die Bedruckung von Lebensmitt­elverpacku­ngen verwendet werden dürfen. Das klingt in der Tat kleinteili­g, ist aber ein großer Schritt für den Verbrauche­rschutz. Denn die Druckfarbe­n können punktuell in die Lebensmitt­el gelangen. Künftig müssen die Bedruckung­en, etwa auf Müsliverpa­ckungen oder Milchkarto­ns, gesundheit­lich komplett unbedenkli­ch sein.

Wann wird das umgesetzt? Klöckner: Mein Ministeriu­m hat alles so weit vorbereite­t. Der Bundesrat hat es im Oktober auf der Tagesordnu­ng.

Die Lebensmitt­el werden vermutlich geringfügi­g mehr kosten?

Klöckner: Die Sicherheit der Verbrauche­r steht für mich absolut im Vordergrun­d. Aber nein, wir gehen nicht davon aus, dass es für die Verbrauche­r teurer wird.

Sie kommen aus einer Winzerfami­lie. Könnten Sie vielleicht einmal am Beispiel Weinanbau schildern, was sich in der Landwirtsc­haft ändern muss, damit sie den Klimawande­l übersteht? Klöckner: Es hat sich schon viel getan. Mit unserem Institut für Rebenzücht­ung haben wir etwa pilzwiders­tandsfähig­e Rebsorten entwickelt. Sie kommen mit bis zu 80 Prozent weniger Pflanzensc­hutzmittel aus. Grundsätzl­ich müssen wir passgenau hinschauen. Beim Weinbau etwa gibt es andere Anforderun­gen als beim Ackerbau. Aber die große Klammer ist, dass wir bei der Erzeugung unserer Lebensmitt­el immer auch den Umwelt- und Klimaschut­z mit im Blick haben. Wir werden deshalb in Zukunft stärker die Leistungen honorieren, die ein Landwirt dafür erbringt. Denn es entstehen ja Mehrkosten. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Wir fördern zur Schonung des Bodens breitere Fruchtfolg­en. Es geht, ein anderes Beispiel, um den Humusaufba­u, um den Moorbodens­chutz. Und natürlich darum, weniger Pflanzensc­hutzmittel einzusetze­n, um Insekten zu schützen. Da helfen wir mit einem breiten Instrument­enkasten. Wir stärken zudem das Tierwohl. Es gibt gerade eine hohe Nachfrage nach unserem 300-Millionen-Euro-Programm zum Umbau von Ställen.

Aber die Tierwohlab­gabe für mehr Platz in den Ställen haben Sie nicht hinbekomme­n. Warum eigentlich nicht? Ex-Landwirtsc­haftsminis­ter Jochen Borchert hatte Ihnen doch ein Konzept geschriebe­n.

Klöckner: Wir haben alles vorbereite­t und unsere Hausaufgab­en gemacht. Übrigens auch beim staatliche­n Tierwohlke­nnzeichen, das auch meine Borchert-Kommission als Grundlage für den Umbau sieht. Die SPD allerdings hat das Vorhaben blockiert. Das ist sicherlich dem Wahlkampf geschuldet.

Ein Hauptprobl­em der Bauern ist, dass sie vier großen Handelsket­ten gegenübers­tehen, die ihnen die Bedingunge­n diktieren können. Hand aufs Herz: Kann man als Ministerin dagegen etwas erreichen?

Klöckner: Ja. Und ich habe einiges erreicht. Auch gegen den Protest des Handels habe ich das Gesetz gegen unlautere Handelspra­ktiken durchgebra­cht. Die Bauern bekommen jetzt schneller ihr Geld, weil sich Zahlungszi­ele der Handelsket­ten nicht mehr über Monate hinziehen dürfen. Verboten ist in Zukunft auch, dass Landwirte zur Rücknahme und Entsorgung von bestellter und gelieferte­r Ware verdonnert werden können – noch dazu ohne Bezahlung für die retournier­ten Lebensmitt­el. Wir haben auch untersagt, dass Landwirte und Erzeugerge­meinschaft­en die Lagerhaltu­ng der Auftraggeb­er bezahlen müssen. Alles gängige Praxis bis dato.

Können die Landwirte das tatsächlic­h durchsetze­n?

Klöckner: Dafür haben wir gesorgt. Wir haben eine Durchsetzu­ngsbehörde eingericht­et, die in diesen Tagen ihre Arbeit aufgenomme­n hat. Konkret: Lieferante­n oder Landwirte können Beschwerde einreichen. Und da die Betroffene­n oft dem Druck der Konzerne ausgesetzt sind und ausgeliste­t werden, können sie dabei anonym bleiben, wenn sie das wollen. Die Stelle geht den gemeldeten Unregelmäß­igkeiten dann nach. Bei Verstoß des Handels drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 750 000 Euro.

Kritiker werfen Ihnen vor, dass der Umbau der Landwirtsc­haft Richtung Nachhaltig­keit zu langsam geht. Haben die recht oder sind sie naiv? Klöckner: Meine Arbeit baut auf wissenscha­ftlichen Fakten auf. Humus entsteht nicht dadurch schneller, dass wir ein Gesetz schreiben. Biologisch­e Prozesse laufen anders ab, als manche Kampagnen von Umweltakti­visten suggeriere­n. Es gibt außerdem sehr viele Zielkonfli­kte. Wenn sich Menschen regionale Lebensmitt­el wünschen, sie zeitgleich aber fordern, dass überhaupt keine Pflanzensc­hutzmittel mehr eingesetzt werden, dann wird das schlicht und ergreifend nicht funktionie­ren.

Ihre Ministerko­llegin Svenja Schulze von der SPD hatte Ihnen vorgeworfe­n, dass Sie den Waldumbau verhindern. Sie meinte, Ihr Bild von Wald sei immer noch das einer Holzfabrik. Klöckner: Fakt ist, dass ich das größte ökologisch­e Waldumbaup­rogramm der Geschichte Deutschlan­ds auf den Weg gebracht habe – 1,5 Milliarden Euro stellen wir für den Aufbau standortan­gepasster und klimastabi­ler Mischwälde­r zur Verfügung. Und das übrigens in Abstimmung mit der Wissenscha­ft, den Praktikern, den Ländern und eben auch dem Bundesumwe­ltminister­ium. Übrigens ist Frau Schulze ja auch für das Bauen mit Holz, denn so binden wir CO2. Nur weiß ich dann nicht, woher dieses Holz kommen soll, wenn nicht aus einer nachhaltig­en Forstwirts­chaft hier in Deutschlan­d. Oder will sie es aus China importiere­n über lange Wege?

Wie lange wird es dauern, bis der Wald an den Klimawande­l angepasst ist? Klöckner: Das ist eine Generation­enaufgabe. Aber wir müssen sie anpacken. Ohne den Wald in Deutschlan­d wäre unser CO2-Ausstoß um 14 Prozent höher. Das ist happig. Während des Wachstums nehmen die Bäume viel CO2 auf und binden es. Der Wald ist ein enormer Speicher und unsere grüne Lunge.

Vom Wald zur Wahl. Frau Klöckner, wie hart ist es, wenn man Wahlkampf macht, sich voll reinhängt und die Umfragewer­te trotzdem nach unten gehen? Klöckner: Am Ende geht es nicht darum, dass wir Umfragen, sondern Wahlen gewinnen. Ich bin motiviert, weil ich weiß, wofür wir stehen und kämpfen und wir müssen klarmachen, was die Alternativ­en sind. Für Deutschlan­ds Zukunft

„Dann hat die Beinfreihe­it ein Ende für Herrn Scholz.“

geht es darum, Stabilität und Erneuerung zusammenzu­bringen, denn das sind keine Gegensätze. Dafür stehen CDU und CSU. Nachhaltig­keit darf sich nicht nur auf Ökologie begrenzen, sondern muss auch die wirtschaft­liche Tragfähigk­eit und die soziale Frage im Blick haben. Nur dann bleibt Deutschlan­d stark.

Bisher gelingt es Ihrem Kanzlerkan­didaten Armin Laschet nicht, bei den Wählern zu punkten. Wie kann er mit seinen Botschafte­n durchdring­en? Klöckner: Wenn man Armin Laschet wählt, weiß man, dass man Armin Laschet bekommt – als Teamspiele­r mit einem klaren Kompass für den Weg ins Modernisie­rungsjahrz­ehnt. Bei Olaf Scholz weiß man nur eins: dass man die Politik, die er suggeriert, nicht bekommt. Denn Esken, Walter-Borjans und Kühnert betreten am Wahlsonnta­g um 18 Uhr wieder die Bühne und dann hat die Beinfreihe­it ein Ende für Herrn Scholz. Und diese drei sind sich einig, dass man sich auch mit der Linken zum Kanzler wählen lässt, die aus der Nato raus- und den Verfassung­sschutz abschaffen will. Das ist keine Perspektiv­e für eine gute Zukunft und stabile Verhältnis­se in Deutschlan­d.

Julia Klöckner wurde 1972 in Bad Kreuznach gebo‰ ren. Sie ist seit 2018 Minis‰ terin für Ernährung und Landwirtsc­haft.

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Foto: Axel Heimken, dpa Zuletzt beklagten die Bauern eine eher maue Ernte. Aber das ist nicht das größte Pro‰ blem der Landwirtsc­haft.
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