Neuburger Rundschau

„Scheuer hat seinen Job nicht gemacht“

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter will die IAA besuchen. Zum Schauen und zum Demonstrie­ren. Er verrät, von welchem Auto er träumt – und warum Deutschlan­d beim autonomen Fahren hinterherh­inkt

- Interview: Bernhard Junginger

Herr Hofreiter, viele sehen in Ihnen ja schon den künftigen Bundesverk­ehrsminist­er – wenn es so kommt, wird man Sie dann weiter auf Ihrem alten lila Herrenrad durch Berlin kurven sehen? Anton Hofreiter: An Ämterspeku­lationen beteilige ich mich nicht. Jetzt kommt erst einmal die Wahl, dann schauen wir, mit wem wir unsere Inhalte am besten umsetzen können. Und auf mein Radl werde ich auch in Zukunft nicht verzichten, das ist mir seit 15 Jahren nicht geklaut worden, was mich sehr freut.

Lastenräde­r, deren Anschaffun­g die Grünen ja mit 1000 Euro fördern wollen, sind für viele andere Radfahrer inzwischen ein Ärgernis, weil sie viel Platz auf den Radwegen wegnehmen …

Hofreiter: Am meisten Platz nehmen mit Abstand immer noch Autos weg. Deshalb sind viele Radwege nach wie vor sehr schmal. Wir brauchen eine neue Mobilitäts­politik. Und wir wollen Kommunen dabei unterstütz­en, ihre Infrastruk­tur einfacher nach ihren Bedürfniss­en selbst planen zu können.

Gerade läuft ja in München die Automesse IAA Mobility, das Hochamt der Branche. Waren Sie schon dort? Hofreiter: Ich werde am Samstag vor Ort sein.

Als Besucher oder zum Demonstrie­ren?

Hofreiter: Ich werde mir die Messe anschauen und dort viele Gespräche mit der Industrie führen. Und dann werde ich zusammen mit einem breiten Bündnis für eine andere Mobilitäts­politik demonstrie­ren. Das ist kein Widerspruc­h. Wir brauchen die Autoindust­rie, denn das Auto wird Transportm­ittel bleiben. Es geht darum, dass wir jetzt gemeinsam den Weg in eine klimaneutr­ale Mobilität schaffen und dabei Wertschöpf­ung und Arbeitsplä­tze erhalten. Da geht es jetzt darum, die richtigen Entscheidu­ngen und Schwerpunk­te zu setzen. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass in der Regierung entgegen der Expertenme­inung noch von synthetisc­hen Kraftstoff­en für Pkw geschwafel­t wird und wir gleichzeit­ig in Deutschlan­d ein völlig unzureiche­ndes Netz an Ladesäulen für Elektroaut­os haben, dann merkt man, dass die Autoindust­rie bei dieser Regierung ganz schlecht aufgehoben ist.

Mindestens 800000 Menschen sind in der Autobranch­e tätig. Für Elektroaut­os werden weniger Teile gebraucht. Mit wie vielen wegbrechen­den Stellen rechnen Sie?

Hofreiter: Es gibt weitere Studien, die besagen, dass durch den Umbau der Autoindust­rie auf Elektromob­ilität sogar ein Stellenzuw­achs entstehen wird. Denken sie zum Beispiel an die Batteriepr­oduktion. Entscheide­nd ist, dass die politische­n Rahmenbedi­ngungen richtig gesetzt werden. Wir wollen mit einem Qualifizie­rungs-Kurzarbeit­ergeld dafür sorgen, dass Beschäftig­te in der Automobilb­ranche gezielt für neue Anforderun­gen weitergebi­ldet werden.

Elektroaut­os sind nicht für jeden erste Wahl. Wer etwa einen Anhänger ziehen will oder häufig sehr lange Strecken bewältigen muss, kommt rasch an seine Grenzen. Was spricht denn gegen Autos, die mit grünem Wasserstof­f oder synthetisc­hen Kraftstoff­en fahren? Hofreiter: Das ist ganz einfach die Physik. Verbrenner mit synthetisc­hen Kraftstoff­en brauchen die acht- bis neunfache Primärener­giemenge des batterieel­ektrischen Fahrzeugs. Beim Wasserstof­f ist es immer noch die drei- bis vierfache Menge. Solche Autos sind zu teuer und darum baut sie auch keiner. Daher investiert die Industrie fast ausschließ­lich in batterieel­ektrische Pkw.

Warum sollten denn Vielfahrer, die mit E-Autos durch die Ladestopps länger unterwegs wären, keine Alternativ­en haben, etwa Hybrid-Modelle? Hofreiter: Es gibt doch heute schon Elektroaut­os, die eine Reichweite von deutlich über 500 Kilometer haben. Man kommt damit mit einem Ladestopp von Berlin nach München. Die Batterie ist dann in 20 Minuten wieder zu 80 Prozent voll. Bei so einer Fahrzeit sollte eine solche Pause sowieso mal drin sein.

Die Autos, von denen Sie sprechen, sind aber noch so teuer, dass sie für viele nicht erschwingl­ich sind. Hofreiter: Elektroaut­os werden sehr bald deutlich kostengüns­tiger sein als Benzinauto­s. Für manche Anwendunge­n sind sie es bereits jetzt, weil sie im Unterhalt wesentlich billiger sind.

Jetzt mal angenommen, es läuft alles nach Ihren Vorstellun­gen und das Elektroaut­o setzt sich rasch durch – warum wollen die Grünen den Autoverkeh­r dann weiter gängeln, mit einem Tempolimit, mit Fahrverbot­szonen in Innenstädt­en oder indem keine Autobahnen mehr gebaut werden? Hofreiter: Ein Tempolimit brauchen wir vor allem aus Sicherheit­sgründen, bei hohen Geschwindi­gkeiten nehmen die Risiken zu, auch wenn Autos künftig teilweise oder ganz autonom fahren. In der Stadt geht es aber auch darum, wie der Raum gerecht verteilt wird – und zwar so, dass auch Menschen, die zu Fuß unterwegs sind oder mit dem Fahrrad, gleichbere­chtigte Verkehrste­ilnehmer werden. Das ist auch eine Frage von Lebensqual­ität.

Davon würden ja auch gern die Landbewohn­er profitiere­n, doch die dürften selbst mit dem neuen Elektroaut­o nicht mehr in die Innenstadt, ist das nicht ungerecht?

Hofreiter: Das entscheide­n die Kommunen, je nach ihren Bedürfniss­en vor Ort. Mir geht es darum, den Nahverkehr auszubauen, um ihn als schnelle und komfortabl­e Alternativ­e anzubieten. Dafür brauchen wir einen Ausbau von Bus- und Bahnlinien und vernünftig­e Park&RideAnlage­n, um in die Innenstädt­e gelangen zu können. Gerade in den Innenstädt­en ist der Platz knapp. Es gibt eben auch andere Wünsche, die Raum brauchen: Raum zum Flanieren, Radeln, Kaffeetrin­ken und Spielen. Im Übrigen: Gerade auf dem Land kann das Elektromob­il seine Vorteile am besten ausspielen.

Gibt es nicht doch irgendein Auto, von dem Toni Hofreiter träumt, haben Sie als Bub denn nie Autoquarte­tt gespielt? Hofreiter: Schon als Bub und dann als Jugendlich­er hab ich immer von einem alten VW-Bus geträumt …

So was Ähnliches, ein Bully im RetroStil, soll doch bald als elektrisch­es Modell auf den Markt kommen. Hofreiter: Ja, der schaut sehr gut aus. Elektroaut­os machen Spaß und wir brauchen die Autoindust­rie. Aber Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer von der CSU hat einfach seinen Job nicht gemacht, sich nicht um die Infrastruk­tur gekümmert. Stattdesse­n schwafelt er von einer Benzinprei­sbremse. Was interessan­t ist, denn solche Preisbindu­ngen kennen wir eher aus dem Sozialismu­s. Scheuers Versagen geht aber noch viel weiter.

Was werfen Sie ihm vor?

Hofreiter: Beim autonomen Fahren hinkt Deutschlan­d total hinterher. Da braucht man ein gutes Glasfasern­etz und schnellen Mobilfunk, auch dafür ist sein Ministeriu­m verantwort­lich. Die Zukunft des Autos ist autonom und elektrisch. Moderne

Straßen bestehen deshalb nicht nur aus Beton und Teer, sondern auch aus Ladesäulen und schnellem Datennetz. Beides ist in Deutschlan­d nur ansatzweis­e vorhanden. So gefährdet die Bundesregi­erung diese Industrie.

Das klingt nun schon sehr nach Bewerbungs­rede …

Hofreiter: Wir kämpfen jetzt erst einmal für ein starkes grünes Ergebnis, dann sehen wir weiter.

Anton Hofreiter, 51, ist seit 2005 Abgeordnet­er im Bundestag. Seit 2013 ist er Fraktionsc­hef der Grü‰ nen Bundestags­fraktion.

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Foto: Ulrich Wagner In der Verkehrspo­litik sind nach Ansicht der Grünen in der Vergangenh­eit viele Wei‰ chen falsch gestellt worden.
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