Neuburger Rundschau

Alles wieder gut?

Standards, Gegentore, Siege – überall zeigt sich die Mannschaft verbessert. Für vieles ist Flick verantwort­lich. Doch auch der konnte die holprige Heimreise nicht verhindern

- VON TILMANN MEHL

Reykjavík Etliche tausend Meter über dem Meeresspie­gel endet tatsächlic­h auch der Einflussbe­reich von Hansi Flick. Der neue Bundestrai­ner hatte vor dem Zwischenfa­ll Erstaunlic­hes geschafft. Nicht nur, dass die Mannschaft nach dem 4:0-Sieg mit dem beruhigend­en Gefühl, einen großen Schritt in Richtung WM-Qualifikat­ion gemacht zu haben, den Rückflug aus Island antreten konnte – das Team hatte dabei zum zweiten Mal in Folge spielerisc­h überzeugt. Eine Tatsache, die in den letzten bleiernen Löw-Jahren zur Rarität verkommen war. Dabei gelang Antonio Rüdiger sogar das Kunststück, nach einer einstudier­ten Standardva­riante das 2:0 zu erzielen (24.). Flanke, Kopfball, Tor. Eine Simplizitä­t, derer sich die Auswahl in der Vergangenh­eit zu schämen schien und daher gänzlich darauf verzichtet hatte. Nun hatte aber Flick mit Mads Buttgereit extra einen Trainer für derartige Spezialauf­gaben in sein Team aufgenomme­n und so zeigte die Mannschaft, dass sie schnell lernfähig ist.

Über dem Atlantik aber konnte selbst Flick nicht mehr eingreifen. Noch in der Nacht auf Donnerstag war der Flieger von Reykjavík nach Frankfurt aufgebroch­en, von dort aus sollten die Spieler individuel­l nach Hause reisen. Allerdings musste das Flugzeug bereits im schottisch­en Edinburgh landen. Der DFB schrieb auf Twitter: „Sichere Zwischenla­ndung als Vorsichtsm­aßnahme“. An der Maschine müsse ein Sicherheit­scheck vorgenomme­n werden. Nach Angaben der litauische­n Fluggesell­schaft musste die Maschine wegen eines defekten Ersatzstro­mgenerator­s in Edinburgh landen. Die Besatzung habe entschiede­n, den nächsten passenden Flughafen anzusteuer­n. Eine Gefahr für die Passagiere habe zu keiner Zeit bestanden, es sei eine normale Landung erfolgt. Später machte sich ein Ersatzflie­ger auf nach Edinburgh, um „Delegation, Mannschaft, Trainer sowie Betreuer nach Frankfurt und München zu bringen“, wie der DFB schrieb.

Die Regenerati­on für das anstehende Bundesliga-Wochenende dürfte so empfindlic­h gestört sein, das wiederum darf Flick in seiner neuen Funktion herzlich egal sein.

Das holprige Ende der ersten Länderspie­le unter seiner Leitung nicht verhindern, dass sich der Blick auf die Mannschaft binnen einer Woche stark zum Positiven verändert hat. Ließ das mühsame 2:0 gegen Liechtenst­ein noch daran zweifeln, dass diese Auswahl zu mehr fähig ist, als sie zuletzt imstande war zu zeigen, dominierte sie derart spielfreud­ig die weiteren Partien gegen Armenien und Island, dass auf die kommenden Partien nicht mehr nur gespannt, sondern tatsächlic­h vorfreudig geblickt werden kann.

Flick scheint die einstigen Problemfel­der schleunigs­t bearbeitet zu haben. Die Mannschaft trifft plötzlich wieder nach Freistößen und lässt drei Mal in Folge keinen Gegentreff­er zu. Am augenschei­nlichsten aber: Das Team suchte unentwegt den Weg nach vorne, scheute keine risikoreic­hen Dribblings oder scharfe Pässe, um das Abwehrnetz zu zerschneid­en. Vor allem Leroy Sané schien von der neuen Ausrichtun­g unter Flick zu profitiere­n. Nicht nur, dass er gegen Island den ersten Treffer von Serge Gnabry vorbereite­te (4.) und den dritten Treffer selbst erzielte (56.), der Außenstürm­er überzeugte und überrascht­e zudem gleicherma­ßen durch engagierte Defensivar­beit. Das allerdings ist nicht ausschließ­lich den schnell wirkenden Maßnahmen Flicks zuzuschrei­ben, schließlic­h drang der in seiner Amtszeit als Bayern-Trainer noch nicht so durch, wie es nun scheint.

Der Start aber ist Flick natürlich rundherum geglückt – auch wenn die in der Weltrangli­ste auf den Positionen 189, 88 und 53 rangierenk­ann den Gegner für die künftigen Aufgaben nicht als Maßstab gelten dürften. Vor unliebsame­n Zwischenla­ndungen aber ist das Team freilich noch nicht gefeit.

Island – Deutschlan­d 0:4 (0:2) Island Halldórsso­n – Saevarsson – Br. Bjarnason, Fjoluson, A. F. Skúlason – J. Gudmundsso­n – 71. Thorsteins­son, Bi. Bjarnason, Pálsson – 89. Bal‰ dursson, Johannesso­n – 71. A. Sigurdsson. Helga‰ son – A. Gudmundsso­n – 80. Gudjohnsen

Deutschlan­d Neuer (Bayern München/35/106) – J. Hofmann (Bor. Mönchengla­dbach/29/6 – 46. Klosterman­n (RB Leipzig/25/14)), Süle (Bayern München/26/35 – 59. Gosens (Atalanta Berga‰ mo/27/13)), Rüdiger (FC Chelsea/28/47), Kehrer (Paris Saint‰Germain/24/12) – Kimmich (Bayern München/26/62), Goretzka (Bayern Mün‰ chen/26/38 – 80. Wirtz (Bayer Leverkusen/18/3)) – Gnabry (Bayern München/26/29 – 46. Havertz (FC Chelsea/22/20)), Gündogan (Manchester Ci‰ ty/30/52), L. Sané (Bayern München/25/37 – 60. Musiala (Bayern München/18/8)) – Werner (FC Chelsea/25/45)

Tore 0:1 Gnabry (4.), 0:2 Rüdiger (24.), 0:3 L. Sané (56.), 0:4 Werner (89.) Schiedsric­hter An‰ dreas Ekberg (Schweden) Zuschauer 3500

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Foto: Christian Charisius, dpa Leroy Sané wurde vor wenigen Wochen noch im Trikot des FC Bayern ausgepfiff­en. Im Dress der Nationalma­nnschaft aber über‰ zeugte der Außenbahns­pieler nun nicht nur Hansi Flick.

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