Neuburger Rundschau

Ute Patel-Mißfeldt stellt im Rathausfle­tz aus

Vor dem Neuburger Amtsgerich­t ging es um Nachstellu­ng und Verbreitun­g pornografi­schen Materials

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Neuburg Damit hätte im Neuburger Amtsgerich­t am Mittwoch wohl keiner gerechnet: Die Geschädigt­e erklärt gegenüber dem Angeklagte­n ihre Liebe, bestärkte, dass sie ihn heiraten wolle und dass ja alles, ach eigentlich gar nicht so schlimm war. Bei der Verhandlun­g war es um die Frage gegangen, ob ihr Expartner ihr nachgestel­lt hatte und sie über den Zeitraum von rund einem Monat täglich belästigte.

Der Angeklagte aus dem Landkreis stand nicht zum ersten Mal vor Gericht. Bereits vor mehreren Jahren lief ein Verfahren gegen ihn, damals wegen Totschlags. Eine derart schwerwieg­ende Tat musste Richter Christian Veh diesmal glückliche­rweise nicht verhandeln, trotzdem standen nicht zu verachtend­e Vorwürfe im Raum.

Einerseits soll der Angeklagte pornografi­sches Videomater­ial gezeigt und über facebook verschickt haben, außerdem seiner Freundin nach der Trennung nachgestel­lt und sie mit bis zu 75 WhatsApp-Nachrichte­n am Tag bombardier­t haben. Gleich zu Beginn der Verhandlun­g legte Veh dem 61-Jährigen nahe, ein Geständnis abzulegen, da er keinen Anlass sehe, die Beschuldig­ungen in Frage zu ziehen. Der Angeklagte stimmte den Vorwürfen zunächst teilweise zu. Als Veh jedoch erneut mit Nachdruck den Angeklagte­n nach dem Wahrheitsg­ehalt der Anschuldig­ungen fragte und mit den Worten „da kommen Sie nicht raus“, die eindeutige Beweislage ansprach, rang sich der Angeklagte doch noch zu einem allumfasse­nden Geständnis durch.

Somit schien der Fall relativ klar zu sein. Und tatsächlic­h bestätigte­n die geladenen Zeugen, zumindest was die pornografi­schen Videos betrifft, den Tathergang: Der Angeklagte hatte von einem Mitarbeite­r seiner Lebensgefä­hrtin Videos gezeigt, auf denen dieser sich selbst befriedigt­e. Die Videos hatte er von seiner Lebensgefä­hrtin erhalten, weil diese damit beweisen wollte, dass sie von ihrem Angestellt­en sexuell belästigt wurde. Der Angeklagte ging daraufhin in ein Modegeschä­ft, in dem die Frau des masturbier­enden Mannes arbeitete und wollte ihr die Videos zeigen. Da diese aber nicht anwesend war, zeigte er das pornografi­sche Material ungefragt deren Kollegin. Diese trat als Zeugin vor Gericht auf und bestätigte, wie unangenehm ihr das Verhalten des Angeklagte­n war, der zudem eine Woche später mit einer Papiertüte erneut in das Modegeschä­ft kam, darin waren eine Peitsche

und Kondome. Er forderte die Frau auf, die Tüte der Ehefrau des auf dem Video zu sehenden Mannes zu geben. Später schickte der Angeklagte die Aufnahmen außerdem noch an einen facebook-Freund seiner Lebensgefä­hrtin. „Ich weiß, da habe ich großen Mist gebaut“, zeigte sich der Angeklagte schuldbewu­sst. Mehrfach betonte er, dass er nur aus Liebe zu seiner Lebensgefä­hrtin gehandelt habe, denn „dieser Mann hat meine Freundin über Jahre hinweg belästigt“.

Dass der Angeklagte seine Lebensgefä­hrtin kurze Zeit später selbst be- lästigt haben soll, wurde ebenfalls verhanAuch delt. dabei schien zunächst alles recht eindeutig zu sein. Der 61-Jährige war mit seiner Lebensgefä­hrtin sieben Monate in einer Beziehung, eine Ehe war geplant. Eine Woche zuvor sagte die Frau jedoch die Hochzeit ab und trennte sich von dem Angeklagte­n. Daraufhin wurde eine vierwöchig­e Kontaktspe­rre vereinbart. Bereits nach wenigen Tagen hielt sich der Angeklagte daran jedoch nicht mehr. Mit dutzenden WhatsAppNa­chrichten wendete er sich täglich an seine damalige Ex-Freundin. Auch dies gestand der Angeklagte auf mehrmalige Nachfrage von Richter Veh.

Als jedoch die Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n in den Gerichtssa­al gerufen wurde, nahm die Verhandlun­g eine unerwartet­e Wendung. „Es tut mir wirklich leid, dass ich ihn angezeigt habe“, meinte die Zeugin und beteuerte daraufhin, dass sie den Angeklagte­n nach wie vor liebe und ihn selbstvers­tändlich noch heiraten wolle. Auch auf mehrmalige Nachfragen durch den Richter und Staatsanwä­ltin Sophie Sutor blieb die Zeugin bei ihrer Aussage und erklärte zudem, dass sie nie Angst vor dem Angeklagte­n gehabt hätte, sich nicht von seinen Nachrichte­n unter Druck gesetzt gefühlt habe und sich letztlich nur von ihm getrennt habe, weil sie auf die Meinung ihrer damaligen Freundinne­n gehört habe. „Ich habe einigen Freunden den Laufpass gegeben und jetzt werden wir heiraten“, betonte die Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n. Nicht nur Richter Veh zeigte sich von diesem Sinneswand­el überrascht, auch Staatsanwä­ltin Sutor äußerte in ihrem Abschlussp­lädoyer Zweifel, ob die Klägerin die Tat nun schön rede. Sie forderte eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und drei Monaten. Schlussend­lich entschied sich Christian Veh dann jedoch für eine Strafe von einem Jahr auf Bewährung, was beim Angeklagte­n eine heftige emotionale Reaktion auslöste. „Bin ich frei?“, fragte er den Richter mit zittriger Stimme, sank auf die Bestätigun­g hin mit einem lauten Seufzen in sich zusammen und brach schließlic­h mit den Worten „Danke, Herr Richter“in Tränen aus. Veh ließ es sich dennoch nicht nehmen, dem Angeklagte­n deutlich zu machen, wie abstoßend er die Verbreitun­g des pornografi­schen Materials finde: „Das ist doch primitiv“, beendete der Richter die Verhandlun­g.

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