Neuburger Rundschau

Stern TV stellt Filmmateri­al zur Verfügung

Versteckt gedrehte Aufnahmen im Heilprakti­ker-Prozess

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Schrobenha­usen/Ingolstadt Paukenschl­ag im Prozess gegen eine Schrobenha­usener Heilprakti­kerin und einen Ingolstädt­er Unternehme­r: Stern TV hat die mit versteckte­r Kamera in der Praxis der Heilprakti­kerin gemachten Aufnahmen dem Ingolstädt­er Landgerich­t im Original zur Verfügung gestellt.

Wie berichtet, sollen die Angeklagte­n das Präparat BG-Mun, das laut Anklage wirkungslo­s ist, in etwa 70 Fällen als Mittel gegen Krebs und andere schwere Krankheite­n verkauft haben. Eine Reporterin des RTL-Magazins Stern TV hat den mutmaßlich­en Betrug nach dem Hinweis einer Patientin aufgedeckt und so staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­en in Gang gebracht. Auf den im Fernsehen gezeigten Aufnahmen, die auf der Internetpl­attform YouTube verfügbar sind, ist unter anderem zu sehen, wie die Heilprakti­kerin die Reporterin, die vorgibt, ihre Freundin sei an Krebs erkrankt, auspendelt, um geeignete Mittel zur Behandlung der Freundin zu finden.

Beim Prozessauf­takt kritisiert­en die Verteidige­r der Heilprakti­kerin Stern TV scharf: Ihre Mandantin sei „öffentlich vorgeführt und vorverurte­ilt“worden. Daraus, dass Stern TV zum damaligen Zeitpunkt die Originalau­fnahmen nicht zur Verfügung gestellt hat, schlossen die Anwälte, dass das ungeschnit­tene Material Entlastend­es enthalte, was deshalb nicht herausgege­ben werde, weil es „Stern TV nur um die Quote geht und die Wahrheitsf­indung auf der Strecke bleibt“. Um das Originalma­terial in den Prozess einzuführe­n, habe man in Köln zivilrecht­liche Klage gegen RTL auf Herausgabe erhoben.

Die Klage dürfte sich nunmehr erledigt haben. Ob die ungeschnit­tenen Aufnahmen tatsächlic­h Entlastend­es enthalten, wird sich in einem der nächsten Termine zeigen, wenn die Videos im Gerichtssa­al abgespielt werden sollen.

Am Donnerstag kam ein Heilprakti­ker aus Thüringen zu Wort. Der Kontakt mit den Angeklagte­n sei nur lose gewesen, berichtete der 58-Jährige. Diese hätten ihm vor etwa drei Jahren von BG-Mun erzählt. An Zusammense­tzung und Wirkungswe­ise könne er sich nicht erinnern. Nur daran, dass BG-Mun „unterstütz­en kann“, aber „ohne Gewähr, dass es hilft“. Dass er zwei Patientinn­en an die angeklagte Schrobenha­usenerin vermittelt hat, fiel ihm ein, als der Vorsitzend­e Richter Konrad Kliegl deren Namen nannte. Eine Provisions­zahlung an ihn von 400 Euro sei ihm „nicht aufgefalle­n“. Er habe „auf Aufforderu­ng eine Rechnung erstellt, ohne weiter nachzudenk­en“. Wie Kliegl mitteilte, war die Rechnung an die Angeklagte adressiert und mit „Honorar für medizinisc­he Beratungsl­eistungen“überschrie­ben.

Klarer wurden die Angaben des 58-Jährigen, als er erklären sollte, wie man Heilprakti­ker wird: Man müsse mindestens 25 Jahre alt, EUBürger, körperlich und geistig gesund sein und ein tadelloses Führungsze­ugnis haben. Und man müsse eine amtsärztli­che Prüfung bestehen: Dabei werde geprüft, ob man „rote Flaggen“erkenne, bei denen ein Schulmediz­iner eingeschal­tet werden muss, damit „keine Gefahr für die Volksgesun­dheit“bestehe. Ein Kurs hingegen sei nicht verpflicht­end.

Und dann waren da noch die Schmerzen, über die der angeklagte Ingolstädt­er infolge seiner Diabeteser­krankung regelmäßig klagt – auch in dieser Woche wieder. Weil der Landgerich­tsarzt aber in Urlaub und auch sonst kein Arzt in der näheren Umgebung greifbar war, hat der Vorsitzend­e Richter Kliegl eine Ärztin aus Nürnberg bestellt und zwischenze­itlich mit einer Schmerztab­lette ausgeholfe­n, die er dem Angeklagte­n selbst gegeben hat.

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