Neuburger Rundschau

Eine Sportart mit besonderem Flair

In Bergheim hat die deutsche Meistersch­aft im Enteki stattgefun­den. Für Lokalmatad­orin Ingrid Haußner steht dabei das Organisato­rische an erster Stelle. Über japanische­s Bogenschie­ßen, eine spezielle Zeremonie und einen spannenden Wettkampf

- VON ANDREA HAMMERL

Bergheim Spannend bis zum Stechen war die 30. Deutsche Meistersch­aft im Enteki – dabei handelt es sich um japanische­s Bogenschie­ßen –, die am Wochenende in Bergheim ausgetrage­n wurde.

Die bayerische­n Kyudo-Bogenschüt­zen verteidigt­en ihren Titel und wurden erneut deutscher Meister in der erst zum zweiten Mal ausgetrage­nen Mannschaft­smeistersc­haft. Im Einzel konnte Vorjahress­ieger Martin Lenz aus Ingolstadt seinen Titel zwar nicht verteidige­n, freute sich aber über den zweiten Platz unter 19 teilnehmen­den Bogenschüt­zen. Den errang er im Stechen mit einem Pfeil klar, denn er traf in den ersten Ring der Zielscheib­e, knapp am Zentrum, während der Pfeil seines Konkurrent­en Johannes Maringer (Düsseldorf) außerhalb des äußersten Ringes steckenbli­eb. Den Titel gewann Christian

Böhme aus Berlin mit klarem Vorsprung. Er hatte in fünf Runden mit insgesamt 20 Pfeilen die Zielscheib­e 16 mal getroffen, Lenz und Maringer hatten je 13 Treffer gesetzt. Der 30-jährige Sieger lächelte still in sich hinein, fast schien es, als hätte er noch gar nicht recht begriffen, was da gerade auf seiner ersten Deutschen Meistersch­aft passiert war.

Böhme betreibt Kyudo erst seit vier Jahren, hatte sich einen Platz unter den ersten zehn erhofft. „Ich war nur in meinem kleinen Kosmos unterwegs, habe direkt neben Martin mit ihm um die Wette geschossen“, meinte er hinterher. Die Konzentrat­ion gelang, offenbar fühlte er sich in Bergheim auch sehr wohl. „Ich stamme ursprüngli­ch aus Bad Dürkheim“, erzählte Böhme, „und die Kirchenglo­cken hier in Bergheim klingen fast wie zuhause“. Für Lokalmatad­orin Ingrid Haußner blieb mit acht Treffern ein Platz im

Mittelfeld, nachdem sie bis zur letzten Runde noch auf dem – mit drei weiteren Schützen geteilten – vierten Platz gelegen hatte, ihre Chancen dann aber mit einer Nullrunde vergab.

„Acht Punkte ist okay“, fand die mehrfache deutsche Meisterin und zuletzt (2019) Drittplatz­ierte dennoch, „es ist schwierig, Organisato­rin und Teilnehmer­in zu sein“. Die Abteilungs­leiterin Kyudo des Judo Clubs Neuburg wird die Deutsche Meistersch­aft wie üblich auch in den beiden folgenden Jahren ausrichten, denn „der Aufwand für ein Jahr wäre zu hoch“. Sie hofft auf sich einstellen­de Routine, dann wird die Aufgabe an einen anderen Landesverb­and weiterwand­ern. „Ich habe mich freiwillig gemeldet“, erzählt sie, „ich war so oft bei den anderen, jetzt fand ich es schön, dass sie auch mal bei uns zu Gast waren“. Der eigene sportliche Ehrgeiz muss da zurücksteh­en. Das bestätigt auch der

Drittplatz­ierte im Einzel, Johannes Maringer. „Ich war vergangene­s Jahr Organisato­r“, „verrät er, „da habe ich an der Meistersch­aft nur teilgenomm­en, unter ferner liefen“.

Immerhin kann sich Haußner mit dem Sieg in der Mannschaft trösten. Eine Besonderhe­it war am Samstagabe­nd der zusätzlich­e Perlencup, mit dem das 30. Jubiläum der Deutschen Meistersch­aft gefeiert wurde, der Name abgeleitet von der Perlenhoch­zeit, die Eheleute nach 30 Jahren feiern. Beim Perlencup hatte jeder Teilnehmer nur einen Pfeil, es zählte, wer am nächsten zum Zentrum traf, Stefan Brendel traf sogar direkt hinein.

Zuschauern ermöglicht­e die Meistersch­aft Einblicke in eine andere Welt. Denn die Bogenschüt­zen des Deutschen Kyudo Bunds (DKyuB) folgen einem strengen Zeremoniel­l, Kyudo hat nicht nur mit Sport, sondern auch mit Meditation zu tun. Was auch logisch ist, denn die Zielgab scheibe mit einem Meter Durchmesse­r steht 60 Meter entfernt auf dem Rasenplatz der SpVgg Joshofen/Bergheim und der Langbogen verfügt über keinerlei Zielvorric­htung, nicht einmal eine Pfeilaufla­ge.

Höchste Konzentrat­ion ist also Voraussetz­ung fürs Treffen. Die Bewegungsa­bläufe sind genau geregelt und werden akribisch ausgeführt. In langer Reihe laufen die Schützen in den Pavillon ein und stellen sich hintereina­nder auf. Alles in völliger Ruhe und weitgehend­er Bewegungsl­osigkeit, wenn ein anderer schießt. Die Vorbereitu­ngen zum Schuss, die Körperhalt­ung, alles erfolgt beinahe in Zeitlupe, in ruhigen, kontrollie­rten Bewegungen. Dafür gab es zwar keine Noten, aber die Wettkampfr­ichter Kathrin Häpp und Peter Wankerl aus Weilheim sahen trotzdem mit Argusaugen hin. „Alle waren sehr disziplini­ert und haben sich an die Regeln gehalten“, bilanziert Wankerl, „es

keine Zwischenfä­lle außer dem Regen“. Einen kräftigen Duscherer hatte es nämlich am Samstagnac­hmittag gegeben.

● Ergebnisse

1. Landesverb­and Bayern mit Ingrid Hau߉ ner, Martin Lenz, Stefan Brendel (33 Treffer von 40 möglichen), 2. Landesverb­and Ber‰ lin, Boris Proppe, Christian Böhme, Tho‰ mas Stier (32), 3. Nordrhein‰Westfalen, Peter Fey, Josephine Hirschfeld, Johannes Maringer (23), 4. Markus Kleint, Arndt Hellwig (Baden‰Württember­g), Dirk Müh‰ lenbrand (Niedersach­sen) und Manfred Lu‰ dovic (Hessen) mit 22 Treffern.

1. Christian Böhme (Berlin, 16 Treffer), 2. Martin Lenz (Bayern, 13 Treffer), 3. Johan‰ nes Maringer (NRW, 13 Treffer).

1. Stefan Brendel (Bayern), 2. Martin Lenz (Bayern), 3. Arndt Hellwig (Baden‰Würt‰ temberg).

 ??  ?? Die siegreiche bayerische Mannschaft mit Ingrid Haußner (stehend, 2. von links), Ste‰ fan Brendel und Martin Lenz (kniend von links), den Kampfricht­ern Peter Wankerl (links) und Kathrin Häpp sowie Ersatzmann Andreas König (hinten 2. von rechts).
Die siegreiche bayerische Mannschaft mit Ingrid Haußner (stehend, 2. von links), Ste‰ fan Brendel und Martin Lenz (kniend von links), den Kampfricht­ern Peter Wankerl (links) und Kathrin Häpp sowie Ersatzmann Andreas König (hinten 2. von rechts).
 ??  ?? Voll konzentrie­rt: Ingrid Haußner (von links) Stefan Brendel und Johannes Maringer absolviere­n das Vorschieße­n, mit dem die Meistersch­aft begann.
Voll konzentrie­rt: Ingrid Haußner (von links) Stefan Brendel und Johannes Maringer absolviere­n das Vorschieße­n, mit dem die Meistersch­aft begann.
 ?? Fotos: Andrea Hammerl ?? Die 30. Deutsche Meistersch­aft in Kyudo, dem japanische­n Bogenschie­ßen, folgte ei‰ nem genauen Zeremoniel­l, hier die Eröffnung.
Fotos: Andrea Hammerl Die 30. Deutsche Meistersch­aft in Kyudo, dem japanische­n Bogenschie­ßen, folgte ei‰ nem genauen Zeremoniel­l, hier die Eröffnung.

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