So scheinheilig ist der Fußball
Alle zwei Jahre eine WM? Vor allem in Europa ist der Widerstand groß. Dabei wird das Geschäft mit dem Sport und seinen Stars auch dort maximal ausgereizt
Wie es eben so ist mit Reflexen: Sie setzen umgehend ein. Nachdem Arsène Wenger vorgeschlagen hatte, die Fußball-Weltmeisterschaft alle zwei Jahre auszutragen, reagierten die Granden des europäischen Fußballs umgehend. Reflexe sind ja nichts anderes als eine Schutzreaktion und insofern also gesund. Den Verbandsbossen, Vereinschefs und Spitzentrainern geht es darum, ihre Spieler vor zu hoher Belastung zu schützen. Schließlich sind verletzte Spieler schlecht für den eigenen Erfolg. Sowohl sportlich als auch wirtschaftlich. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wenn es darum geht, die eigenen Interessen zu verfolgen, blicken die Verantwortlichen nicht derart sorgenvoll auf ihr kickendes Personal.
In Europa wird schleunigst versucht, den Vorstoß des Weltverbandes
Fifa – denn für den sprach der ehemalige Trainer Wenger – wie eine weitere Kasperei des Präsidenten Gianni Infantino aussehen zu lassen. Der plant auch, die bislang sportlich unbedeutende Klub-Weltmeisterschaft aufzublähen. Allerdings sind die Verbandsbosse weltweit Brüder im Geiste.
So führte der europäische Verband Uefa mit der Nations League vor wenigen Jahren einen international irrelevanten Wettbewerb für Nationalmannschaften ein. Seit diesem Sommer gibt es neben der Champions League und der Europa League eine dritte Konkurrenz für Klubteams. Daran teilnehmen sollen Mannschaften, die ansonsten keine Chance haben, sich mal auf internationaler Bühne zu zeigen. Begründung: Der Fußball soll auch in kleinen Staaten gefördert werden.
Mit demselben Argument begründet die Fifa auch die Idee, alle zwei Jahre eine Weltmeisterschaft auszurichten. Beschlossen ist schon, dass ab 2026 48 statt 32 Nationalmannschaften daran teilnehmen. Wenn das Turnier dann auch noch in einem Zwei-JahresRhythmus
ausgetragen werde, würden davon Länder profitieren, die bislang kaum Chancen hatten, an einer WM teilzunehmen. Aus der Ablehnung dieser Idee spricht neben vernünftigen Gründen auch eine eurozentristische Sichtweise und die Verkennung veränderter Sehgewohnheiten der Fans.
Fußball wird weltweit gespielt. Die größten Stars aber sind in Europa
zu bewundern. Wahrscheinlich würde tatsächlich der Fußball in entlegenen Ecken der Weltkarte profitieren, wenn Sambia, El Salvador oder Oman bei einer Weltmeisterschaft mitspielen. Kinder brauchen einheimische Vorbilder, denen sie nacheifern können.
Zudem läuft die Begründung ins Leere, der neue Rhythmus würde den Wettbewerb entwerten. Etliche europäische Spitzenteams planten vor wenigen Monaten eine Super
League. Dort wären die besten Könner ihres Fachs Woche für Woche aufeinandergetroffen. Eine Entwertung sahen die Vereinsverantwortlichen darin nicht. Sie gehen davon aus, dass hochklassiger Fußball immer geschaut wird.
Die Weltmeisterschaft alle zwei Jahre auszutragen ist trotzdem der falsche Weg, den Fußball zu fördern. Das Vorhaben läuft der Strömung zuwider, auf Nachhaltigkeit zu achten. Es gibt kaum Länder mit einer Infrastruktur für eine WM mit 48 Mannschaften. Also müsste das Turnier in immer wieder denselben Ländern stattfinden oder aber enorm in den Stadionbau investiert werden.
Die Arenen allerdings würden nach der WM meist leer stehen. Das ist ökologischer Irrsinn. Die Idee der Fifa ist letztlich darauf ausgelegt, das eigene Erlösmodell zu erweitern. Ein verständlicher Gedanke – mit der falschen Umsetzung. Nicht aber aus den von europäischen Klub- und Verbandsbossen dargelegten Gründen. Manch Reflex ist auch einfach ein evolutionäres Überbleibsel.
Die Verbandsbosse sind weltweit Brüder im Geiste