Neuburger Rundschau

Warum jetzt auch der Mali‰Einsatz zur Diskussion steht

Die Militärmis­sion in dem Krisenland unter Führung Frankreich­s wird von schweren Rückschläg­en überschatt­et. Jetzt allerdings meldet Paris den Tod eines weltweit gesuchten IS-Anführers. Gleichzeit­ig sorgen Verhandlun­gen der Regierung mit einer russischen S

- VON SIMON KAMINSKI UND STEFAN LANGE

Berlin Kurz nachdem die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r via Twitter darüber sinnierte, ob der Bundeswehr-Einsatz in Mali noch sinnvoll sei, vermeldete Paris einen Coup gegen den Terrorismu­s in der SahelZone: Der Chef eines Ablegers der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS), Abu Walid al-Sahrawi, sei den Verletzung­en erlegen, die er bei einem französisc­hen Luftangrif­f in Westafrika im August erlitten habe, sagte Verteidigu­ngsministe­rin Florence Parly am Donnerstag. Entspreche­nd euphorisch klang Präsident Emmanuel Macron: „Dies ist ein weiterer großer Erfolg in unserem Kampf gegen terroristi­sche Gruppen in der Sahel-Zone.“

Die Nachricht des Todes eines der weltweit gesuchtest­en Terroriste­n, auf den die USA ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt hatten, kommt für Macron zur rechten Zeit. Schließlic­h gab es immer wieder schwere Rückschläg­e bei der Militärmis­sion in Mali, die sich auch auf Anrainerst­aaten in der SahelZone ausgeweite­t hat. Mehr als 5000 französisc­he Soldaten und Soldatinne­n sind derzeit dort im Einsatz. Auch die Bundeswehr ist mit rund 1200 Männern und Frauen vor Ort, die allerdings – anders als Frankreich – keinen Kampfauftr­ag haben. Die deutschen Streitkräf­te sind Teil der UN-Mission Minusma sowie eine EU-Ausbildung­smission. Dennoch ist der Einsatz gefährlich: Im Juni waren zwölf deutsche Armeeangeh­örige und drei weitere UNSoldaten bei einem Selbstmord­anschlag schwer verletzt worden.

Seit fast zehn Jahren wird das Land von Konflikten erschütter­t. Im Norden des Landes kämpft die malische Regierung seit Jahren gegen Tuareg-Rebellen, das sind bewaffnete Nomaden, die Viehzucht in der länderüber­greifenden SahelZone betreiben. Die Instabilit­ät machten sich verschiede­ne radikal islamistis­che Gruppen zu Nutze, die in die Kämpfe eingriffen und Anschläge

verübten. Auch innenpolit­isch kommt das Land nicht zur Ruhe. Im August 2020 putschte das Militär sich in der Hauptstadt Bamako an die Macht, bereits neun Monate zuvor hatte es einen Staatsstre­ich gegeben. Die einzige Konstante ist die Instabilit­ät.

Die Regierungs­truppen gelten als kaum weniger brutal und unberechen­bar wie die Rebellen in der Sahel-Zone. Die Armee wird für

Kriegsverb­rechen verantwort­lich gemacht. Jetzt wurde bekannt, dass der von den Putschiste­n eingesetzt­e Übergangsp­räsident Assimi Goita mit der russischen Söldnerfir­ma Wagner über eine Zusammenar­beit verhandelt hat – ein Unternehme­n, das im Ruf steht, bei Einsätzen unkontroll­ierbar und äußerst brutal vorzugehen. Wagner ist nach Überzeugun­g des internatio­nalen Recherche-Netzwerks „Conflict Intelligen­ce

Team“bereits in Syrien, Zentralafr­ika und im Sudan tätig. Als sicher gilt, dass die Firma nur mit Zustimmung des Kremls im Ausland aktiv wird. Schließlic­h ist auch immer wieder von „Putins Schattenar­mee“die Rede. Dass russische Gesetze den Einsatz von Söldnern in anderen Ländern verbieten, spielt offensicht­lich keine Rolle.

Die Gespräche der malischen Regierung mit der Firma Wagner hatten Kramp-Karrenbaue­r bewogen, die Beteiligun­g der Bundeswehr an den Mali-Missionen in Frage zu stellen. Auch Paris warnte Bamako, dass die Zusammenar­beit mit der Söldner-Truppe ernste Konsequenz­en hätte. Macron hatte bereits vor Monaten angekündig­t, Frankreich­s militärisc­hes Engagement zurückfahr­en zu wollen. Gleichzeit­ig verkündete die französisc­he Verteidigu­ngsministe­rin Parly jetzt, dass der Kampf gegen den Terror fortgesetz­t werde.

Allerdings ist der Afrika-Experte der Stiftung Wissenscha­ft und Politik, Denis Tull, skeptisch, ob es wirklich zu einem Abkommen zwischen Wagner und der malischen Regierung kommen werde. „Aus malischer Sicht wäre ein solches Unterfange­n von zweifelhaf­tem militärisc­hem Nutzen bei der Aufstandsb­ekämpfung. Für Bamako besteht zudem ein erhebliche­s Risiko, dass westliche Staaten ihre militärisc­he, sicherheit­spolitisch­e und entwicklun­gspolitisc­he Unterstütz­ung für Mali deutlich reduzieren könnten“, sagte Tull unserer Redaktion. Zudem wäre Russland als Partner Malis nicht in der Lage, diesen Ausfall zu kompensier­en.

„Meines Erachtens kann das Gerücht als Drohgebärd­e oder als politische­s Manöver gesehen werden, mit dem sich die Regierung in Bamako mehr Handlungss­pielräume gegenüber Frankreich und seinen Partner in bestimmten Fragen verschaffe­n will.“Da gehe es beispielsw­eise um mögliche Verhandlun­gen mit dschihadis­tischen Aufständis­chen, die Frankreich ablehnt, die aber von vielen Akteuren in Bamako befürworte­t werden würden.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Deutsche Soldaten in Mali bei einer Patrouille im Rahmen der UN‰Mission Minusma im Norden Malis.

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