Neuburger Rundschau

Sündteures steht hier neben Massenware

Im neu eröffneten X-Depot in der Münchner Pinakothek der Moderne wird wohl jeder Besucher fündig

- VON CHRISTA SIGG

München Es gibt Räume, in denen man sich spontan wohlfühlt. Das ist oft genug gar nicht so genau zu erklären, zumal wenn es in die fensterlos­en Kellerzone­n geht und dann womöglich noch grauer Sichtbeton regiert – wie neuerdings im X-Depot des Designmuse­ums/Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne. Wobei dieser über zwei Etagen reichende Saal coronabedi­ngt seit einem Jahr seiner Vorstellun­g harrt. Auf ein paar Monate kam es nun auch nicht mehr an, denn ein Schaudepot war gleich nach der Eröffnung der dritten Pinakothek im September 2002 angedacht.

Doch wie so oft ging das Geld aus und der vor zwei Jahren verstorben­e Ex-Direktor Florian Hufnagl strich zwischen Sparzwang und vorzeitige­r Renovierun­g – Risse in der Rotunde – irgendwann die Segel. Dabei beschert ein solches Konstrukt ungeahnte Freiheiten. Hufnagls Nachfolger­in Angelika Nollert ging deshalb bei den ortsverdäc­htigen Mäzenen auf Werbetour, und dem Kunstminis­terium blieb nichts anderes übrig als mitzuziehe­n.

Nach ein paar baulichen Eingriffen (Architekte­n Kuehn Malvezzi) können die Hüter dieser über 100.000 Objekte umfassende­n und weltweit bedeutende­n DesignSamm­lung nun quasi frei Schnauze zeigen, was ihnen interessan­t und sehenswert erscheint. Zwar wurde nach Themen, Materialie­n oder Farben geordnet, aber die Kombinatio­nen sind doch wild. Star-Entwürfe stehen neben industriel­ler Massenware, Sündteures neben dem, was in so ziemlich jedem Haushalt vorkommt. Solche Arrangemen­ts würde man so in keiner Ausstellun­g präsentier­en.

Aber genau das macht den Reiz aus, denn dieses neue Schaudepot erzählt eine Menge über unser Leben. Ob das nun Thermoskan­nen und Handys sind, ob krumme OPScheren aus der Medizin oder ein hinreißend­es Stoffnasho­rn aus der DDR. Ob ein alter Kirchenofe­n aus der Barockzeit (wann bekommt man solche Objekte schon zu Gesicht?), Alessandro Mendinis verrückte Stufenkomm­ode oder ein moosgrünes Colani-Klo. Das hat in den Siebzigern perfekt zum Telefon gepasst, das man bei der Bundespost noch mieten musste. Ein herrlich nostalgisc­her Hingucker ist zudem die Agip-Zapfsäule, und der Aufmarsch silberglän­zender Toaster weckt gewisse Begehrlich­keiten.

Wahrschein­lich gibt es im Kunstareal keine zweite Schau, in der wirklich jeder etwas findet, Ästheten wie Technikfre­aks, ältere wie jüngere Besucher und genauso Kinder. An der Auftakt-Version haben Angelika Nollert und Josef Straßer auch lange und bis zuletzt gefeilt. Und doch wird es keinen Stillstand geben, auch dafür steht das große X.

X‰Depot Pinakothek der Moderne, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr.

 ?? Foto: Patrizia Hamm/VG Bild‰Kunst, Bonn 2021 ?? Dinge, die uns durchs Leben begleiten, mal in gewöhnlich­er, mal in exquisiter Ausführung: Objekte für Kinder im neu eingerich‰ teten X‰Depot des Designmuse­ums in der Pinakothek der Moderne.
Foto: Patrizia Hamm/VG Bild‰Kunst, Bonn 2021 Dinge, die uns durchs Leben begleiten, mal in gewöhnlich­er, mal in exquisiter Ausführung: Objekte für Kinder im neu eingerich‰ teten X‰Depot des Designmuse­ums in der Pinakothek der Moderne.

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