Neuburger Rundschau

Ewiger Lausbub im Malerkitte­l

Hans Dünstl wird an diesem Sonntag 80 Jahre alt. Warum der Gründer des Neuburger Sporthotel­s nie seine Bescheiden­heit verloren hat und das Nichtstun ihm schwerfäll­t

- VON KATRIN KRETZMANN

Rödenhof Im grauen Malerkitte­l, darauf dutzende Farben, sitzt Hans Dünstl an der Theke seines Sporthotel­s, völlig unscheinba­r. Er sinniert wieder, denn in seinem „oberen Stüberl“ist immer was los. Als ein Mann im feinen Zwirn und Krawatte zum Eingang hereinkomm­t, fragt dieser in die Runde: „Wo ist denn der Chef?“Dünstl zuckt unbeeindru­ckt mit den Schultern: „Weiß ich nicht, ich bin hier nur der Hausmeiste­r.“Es ist eine Szene, die den charismati­schen Neuburger mit dem verschmitz­ten Lächeln nicht besser beschreibe­n könnte. An diesem Sonntag feiert Hans Dünstl seinen 80. Geburtstag.

„So alt fühle ich mich überhaupt noch nicht“, sagt der Jubilar und lacht. Stets auf Körper, Geist und Seele zu achten, das war schon immer das Credo des Neuburgers – und er lebt es bis heute. „Ich war vor Kurzem erst mit dem E-Bike unterwegs, 150 Kilometer von Neuburg nach Kelheim und wieder zurück“, erzählt er stolz und fügt augenzwink­ernd hinzu: „Selbstvers­tändlich die meiste Zeit ohne Strom.“

Hans Dünstl ist ein Macher, ein Mensch, der immer Beschäftig­ung braucht und nicht lange still sitzen kann. „Wenn ich auf meiner Terrasse sitze und sinniere, kommen sie die Ideen.“Über all die Jahre hat er sich mit dem Sporthotel ein Imperium im Neuburger Stadtteil Rödenhof geschaffen – und dabei nie seine Bescheiden­heit verloren. „Wenn ich meine Runden hier gehe, verspüre ich immer wieder große Dankbarkei­t“, sagt er. Denn es habe auch andere Zeiten gegeben.

Am 19. September 1941 erblickt Hans Dünstl in dem kleinen Dorf Groß Uretschlag im Kreis Krummau im Böhmerwald das Licht der Welt. Nur fünf Jahre später wurden er und seine Eltern vertrieben. „Mit Viehwaggon­s wurden wir nach Neuburg transporti­ert“, erinnert er sich. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Flüchtling­slager ging es „mit der Mistkarre weiter“in den Ehekirchen­er Gemeindete­il Bonsal.

Zwei Jahre später, 1948, kehrte die Familie zurück nach Neuburg und zog in ein Haus in die Oster

– „Hausnummer D55“. Zwei Ziegen, ein Schwein und drei Hühner sorgten für den Lebensunte­rhalt. „Gras und Heu haben wir entlang der Straße nach Rohrenfels geerntet und mit dem Ziehwagen nach Hause gebracht“, erzählt Dünstl. In den Ferien ging es dann zu einer Wiese auf der heute die Schwalbang­er-Schule steht. „Wir haben dort die Ziegen gehütet und nebenbei Fußball gespielt – aber mit der Saublunzn, weil einen Ball hatten wir noch nicht.“

Nachdem Dünstls Eltern ein

Haus im Englischen Garten in Neuburg gekauft hatten, kam Bruder Josef 1950 auf die Welt. „Der ist zwei Köpfe größer als ich, weil er einfach das bessere Essen bekommen hat“, berichtet er lachend. Der Sohn einer Hausfrau und eines Straßenwär­ters begann 1955 eine Lehre zum Maler. 1970 schlug Hans Dünstl eine Karriere am Neuburger Amtsgerich­t ein, wurde Wachtmeist­er und arbeitete sich bis zu seiner Kündigung 1989 bis zum mittleren Dienst. Den Weg in die Justiz hat laut Dünstl der ehemalige Rechtsmann­straße pfleger des Neuburger Amtsgerich­ts, Alfred Artner, während eines gemeinsame­n Fußballtra­inings eingefädel­t.

Im Alter von 38 Jahren galt Dünstl als ältester Junggesell­e in Neuburg, wie er selbst erzählt. Doch nach einem Skikurs in den 1970er-Jahren sollte sich das ändern, denn dort lernte er seine Frau Benna kennen. „Ich bin immer mit Flugbogen auf sie zu und meinte nur: ,Hoppla, aber jeder Mensch braucht doch eine Umarmung’“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Die geborene Hüttingeri­n sei etwas irritiert gewesen, doch er wusste: „Diese Frau heirate ich.“Und so kam es 1979. „Unsere Flitterwoc­hen waren eine Fahrradtou­r nach Baring und nach einer Brotzeit ging es wieder zurück.“Das junge Ehepaar wohnte zunächst im Stadtteil Heinrichsh­eim und zog schließlic­h 1980 ins eigens gebaute Haus nach Rödenhof. Knapp drei Jahre später folgte Tochter Stefanie und 1986 wurde Sohn Michael geboren.

Neben seinen selbst ernannten Lieblingsa­ktivitäten – Arbeit, Sport und Wandern – hat Dünstl eine weitere große Leidenscha­ft: die Musik. „Angefangen hat es 1970 mit den Neuburger Buam“, erzählt er. „Heinz Schafferha­ns, Heinz Melber, Karl Ullmann und ich waren über die Region hinaus bekannt.“Dann lernte er das Jagdhornbl­asen und schließlic­h gründete er im Jahr 2000 eine Alphornblä­ser-Gruppe. „Ich habe mir alles selbst beigebrach­t und mein erstes Horn schenkten mir meine Mitarbeite­r.“

Im Jahr 1980 legten die DünstlBrüd­er den Grundstein für das Sporthotel mit dem Bau einer Tennishall­e. Jahr für Jahr kam etwas Neues hinzu, von der Squash-Halle, über das Fitnessstu­dio bis hin zu Hotel und urigem Biergarten inklusive Streichelz­oo. „Ich habe auch sehr viel meinen Mitarbeite­rn zu verdanken, ohne die hier einfach nichts laufen würde“, sagt Hans Dünstl stolz. Das Betriebskl­ima stimme, jeder helfe jedem und „wir sind wie eine kleine Familie“.

Den Stolz auf sein Lebenswerk sieht man dem 80-Jährigen an und „irgendwann schmeißt der Michi hier den Laden und übernimmt das Ruder“. Eigentlich sollte Tochter Stefanie gemeinsam mit ihrem Bruder das Sporthotel weiterführ­en, doch im November 2019 starb sie nach kurzer und schwerer Krankheit. „Ich besuche sie jeden Tag auf dem Friedhof und spreche mit ihr“, sagt Dünstl unter Tränen. „Der Schmerz bleibt immer, aber es muss weitergehe­n.“Und genau dieser Wille ist es, der den Neuburger tagtäglich antreibt. „Wir Dünstls sind einfach Kampfschwe­ine, da können die ganzen anderen Grattler einpacken“, sagt er und das Lausbubenl­ächeln kehrt in sein Gesicht zurück.

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Foto: Kretzmann, Dünstl (2) Wer zum Chef will, der muss erst an Wachhund Buddy vorbei. Und dem feinen Zwirn zieht der Neuburger lieber den bunten Malerkitte­l vor.
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Da war dem kleinen Hans, hier mit seiner Mutter Johanna, die Kamera nicht so ganz geheuer.
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Das verschmitz­te Lächeln hatte der heute 80‰Jährige schon als Teenager.

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