Ewiger Lausbub im Malerkittel
Hans Dünstl wird an diesem Sonntag 80 Jahre alt. Warum der Gründer des Neuburger Sporthotels nie seine Bescheidenheit verloren hat und das Nichtstun ihm schwerfällt
Rödenhof Im grauen Malerkittel, darauf dutzende Farben, sitzt Hans Dünstl an der Theke seines Sporthotels, völlig unscheinbar. Er sinniert wieder, denn in seinem „oberen Stüberl“ist immer was los. Als ein Mann im feinen Zwirn und Krawatte zum Eingang hereinkommt, fragt dieser in die Runde: „Wo ist denn der Chef?“Dünstl zuckt unbeeindruckt mit den Schultern: „Weiß ich nicht, ich bin hier nur der Hausmeister.“Es ist eine Szene, die den charismatischen Neuburger mit dem verschmitzten Lächeln nicht besser beschreiben könnte. An diesem Sonntag feiert Hans Dünstl seinen 80. Geburtstag.
„So alt fühle ich mich überhaupt noch nicht“, sagt der Jubilar und lacht. Stets auf Körper, Geist und Seele zu achten, das war schon immer das Credo des Neuburgers – und er lebt es bis heute. „Ich war vor Kurzem erst mit dem E-Bike unterwegs, 150 Kilometer von Neuburg nach Kelheim und wieder zurück“, erzählt er stolz und fügt augenzwinkernd hinzu: „Selbstverständlich die meiste Zeit ohne Strom.“
Hans Dünstl ist ein Macher, ein Mensch, der immer Beschäftigung braucht und nicht lange still sitzen kann. „Wenn ich auf meiner Terrasse sitze und sinniere, kommen sie die Ideen.“Über all die Jahre hat er sich mit dem Sporthotel ein Imperium im Neuburger Stadtteil Rödenhof geschaffen – und dabei nie seine Bescheidenheit verloren. „Wenn ich meine Runden hier gehe, verspüre ich immer wieder große Dankbarkeit“, sagt er. Denn es habe auch andere Zeiten gegeben.
Am 19. September 1941 erblickt Hans Dünstl in dem kleinen Dorf Groß Uretschlag im Kreis Krummau im Böhmerwald das Licht der Welt. Nur fünf Jahre später wurden er und seine Eltern vertrieben. „Mit Viehwaggons wurden wir nach Neuburg transportiert“, erinnert er sich. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager ging es „mit der Mistkarre weiter“in den Ehekirchener Gemeindeteil Bonsal.
Zwei Jahre später, 1948, kehrte die Familie zurück nach Neuburg und zog in ein Haus in die Oster
– „Hausnummer D55“. Zwei Ziegen, ein Schwein und drei Hühner sorgten für den Lebensunterhalt. „Gras und Heu haben wir entlang der Straße nach Rohrenfels geerntet und mit dem Ziehwagen nach Hause gebracht“, erzählt Dünstl. In den Ferien ging es dann zu einer Wiese auf der heute die Schwalbanger-Schule steht. „Wir haben dort die Ziegen gehütet und nebenbei Fußball gespielt – aber mit der Saublunzn, weil einen Ball hatten wir noch nicht.“
Nachdem Dünstls Eltern ein
Haus im Englischen Garten in Neuburg gekauft hatten, kam Bruder Josef 1950 auf die Welt. „Der ist zwei Köpfe größer als ich, weil er einfach das bessere Essen bekommen hat“, berichtet er lachend. Der Sohn einer Hausfrau und eines Straßenwärters begann 1955 eine Lehre zum Maler. 1970 schlug Hans Dünstl eine Karriere am Neuburger Amtsgericht ein, wurde Wachtmeister und arbeitete sich bis zu seiner Kündigung 1989 bis zum mittleren Dienst. Den Weg in die Justiz hat laut Dünstl der ehemalige Rechtsmannstraße pfleger des Neuburger Amtsgerichts, Alfred Artner, während eines gemeinsamen Fußballtrainings eingefädelt.
Im Alter von 38 Jahren galt Dünstl als ältester Junggeselle in Neuburg, wie er selbst erzählt. Doch nach einem Skikurs in den 1970er-Jahren sollte sich das ändern, denn dort lernte er seine Frau Benna kennen. „Ich bin immer mit Flugbogen auf sie zu und meinte nur: ,Hoppla, aber jeder Mensch braucht doch eine Umarmung’“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Die geborene Hüttingerin sei etwas irritiert gewesen, doch er wusste: „Diese Frau heirate ich.“Und so kam es 1979. „Unsere Flitterwochen waren eine Fahrradtour nach Baring und nach einer Brotzeit ging es wieder zurück.“Das junge Ehepaar wohnte zunächst im Stadtteil Heinrichsheim und zog schließlich 1980 ins eigens gebaute Haus nach Rödenhof. Knapp drei Jahre später folgte Tochter Stefanie und 1986 wurde Sohn Michael geboren.
Neben seinen selbst ernannten Lieblingsaktivitäten – Arbeit, Sport und Wandern – hat Dünstl eine weitere große Leidenschaft: die Musik. „Angefangen hat es 1970 mit den Neuburger Buam“, erzählt er. „Heinz Schafferhans, Heinz Melber, Karl Ullmann und ich waren über die Region hinaus bekannt.“Dann lernte er das Jagdhornblasen und schließlich gründete er im Jahr 2000 eine Alphornbläser-Gruppe. „Ich habe mir alles selbst beigebracht und mein erstes Horn schenkten mir meine Mitarbeiter.“
Im Jahr 1980 legten die DünstlBrüder den Grundstein für das Sporthotel mit dem Bau einer Tennishalle. Jahr für Jahr kam etwas Neues hinzu, von der Squash-Halle, über das Fitnessstudio bis hin zu Hotel und urigem Biergarten inklusive Streichelzoo. „Ich habe auch sehr viel meinen Mitarbeitern zu verdanken, ohne die hier einfach nichts laufen würde“, sagt Hans Dünstl stolz. Das Betriebsklima stimme, jeder helfe jedem und „wir sind wie eine kleine Familie“.
Den Stolz auf sein Lebenswerk sieht man dem 80-Jährigen an und „irgendwann schmeißt der Michi hier den Laden und übernimmt das Ruder“. Eigentlich sollte Tochter Stefanie gemeinsam mit ihrem Bruder das Sporthotel weiterführen, doch im November 2019 starb sie nach kurzer und schwerer Krankheit. „Ich besuche sie jeden Tag auf dem Friedhof und spreche mit ihr“, sagt Dünstl unter Tränen. „Der Schmerz bleibt immer, aber es muss weitergehen.“Und genau dieser Wille ist es, der den Neuburger tagtäglich antreibt. „Wir Dünstls sind einfach Kampfschweine, da können die ganzen anderen Grattler einpacken“, sagt er und das Lausbubenlächeln kehrt in sein Gesicht zurück.