Neuburger Rundschau

Das rote Frauen‰Doppel

Auch in Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern wird am Sonntag gewählt: Franziska Giffey und Manuela Schwesig schicken sich an, die Macht erneut für die SPD zu sichern. Wie sie ihren Vorsprung in Umfragen ausgebaut haben

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/Schwerin Manchmal ist Politik ganz einfach. „Die Frau für MV“steht auf einem Wahlplakat, von dem Manuela Schwesig die Wählerinne­n und Wähler anlächelt. Auf dem Plakat trägt Schwesig einen leuchtend blauen Blazer, der im Kontrast zu den roten Lettern steht. Die drei Buchstaben SPD tauchen hingegen nicht auf. Aber das braucht es auch nicht. Schwesig ist in MV, also in Mecklenbur­g-Vorpommern, die SPD und die SPD ist Schwesig. Ganz einfach. Ihr Plakat ist die MV-Variante von Angela Merkels Wahlkampfk­lassiker „Sie kennen mich“.

Die Ministerpr­äsidentin amtiert zwar erst vier Jahre in der schlossart­igen Staatskanz­lei in Schwerin, hat sich aber längst den Ruf der Landesmutt­er erarbeitet. Sie ist überall beim Kinderfest, den Sportlern, auf dem Boot, beim Eisessen. Sie schwebt über dem Parteienst­reit und ist auch für viele Nicht-SPDWähler ein guter Grund, für die Sozialdemo­kraten zu stimmen. Der offene Umgang mit ihrer Krebserkra­nkung, über die sie öffentlich mit brechender Stimme sprach, hat ihr die Herzen geöffnet. Die Landtagswa­hl fällt mit der Bundestags­wahl am 26. September zusammen. Die letzten Umfragen haben Schwesigs Herausford­erer in ein schwarzes Loch fallen lassen. Der rote Balken steht bei 40 Prozent, weit vor AfD und CDU, die 15 Prozent erreichen. „Die Menschen im Land kennen mich, sie wissen, dass sie sich auf mich verlassen können“, sagte sie dann auch im TV-Duell mit ihrem Herausford­erer Michael Sack von der CDU. Der ist Landrat und weit weniger bekannt als die SPD-Frau.

Auf den Faktor Bekannthei­t setzte die SPD in Berlin und nominierte Franziska Giffey als Spitzenkan­didatin für das Rote Rathaus. Giffey zog sich dafür von ihrem Amt als Bundesfami­lienminist­erin zurück, wenn auch wegen der Affäre um ihre abgekupfer­te Doktorarbe­it anders als geplant. Dennoch sieht es so aus, als ob das Kalkül aufgeht und der Wahlabend am 26. September ein goldener werden könnte, wenn

Scholz die SPD im Bund auch noch zur stärksten Kraft macht. In der Hauptstadt geht es wie in MV darum, die Macht zu verteidige­n. Der regierende Bürgermeis­ter Michael Müller hatte zwischenze­itlich so schwache Umfragewer­te, dass der als „Büroklamme­r“Verspottet­e auf Druck seiner SPD-Giffey den Vortritt zur Spitzenkan­didatur ließ.

In den Umfragen lagen die Sozialdemo­kraten am Beginn des Jahres noch auf Rang drei hinter CDU und Grünen. Doch je näher die Wahl rückte, desto stärker wirkte sich der

Giffey-Effekt aus. Nun kurz vor der Wahl stehen sie auf Umfragepla­tz eins und haben die Grünen und die CDU hinter sich gelassen. Giffey ist die prominente­ste Kandidatin und für Grüne und CDU rächt es sich, dass ihre Bewerber so wenig Profil haben. Die Grünen träumten davon, in Berlin stärkste Kraft zu werden. Die Voraussetz­ungen dafür sind eigentlich gut: Das linksliber­al-großstädti­sche Milieu ist in einigen Bezirken tonangeben­d. Doch die aus Augsburg stammende Bettina Jarasch wurde nur deshalb SpitzenOla­f kandidatin, weil sich Parteiflüg­el des Landesverb­andes beharkten. Jarasch ist der wandelnde Kompromiss und war selbst für Politikint­eressierte ein weißes Blatt Papier. Giffey hingegen hatte sich schon vor Jahren als Bürgermeis­terin des Problembez­irks Neukölln als Macherin einen Ruf erarbeitet. „Hier in Neukölln habe ich gelernt, dass man wirklich etwas zum Besseren verändern kann, wenn man bereit ist, dafür anzupacken“, sagt sie in ihrem Wahlkampfs­pot. Den Skandal um die abgeschrie­bene Dissertati­on überstand sie und den anderen Parteien gelingt es nicht mehr, sie auf die Schummelei festzunage­ln.

Die 43-Jährige stammt aus Frankfurt an der Oder, berlinert aber an den richtigen Stellen und kann damit mehr Nähe erzeugen als die aus Bayerisch-Schwaben zugezogene Jarasch. Giffey mietete sich eine Gartenlaub­e und versucht so, die Stimmen der zehntausen­den Kleingärtn­er in Berlin für sich zu sichern. Bei den Schwerpunk­tthemen versucht sie gar nicht, sich an die Wähler der Grünen anzubieder­n. Sie verspricht, dass Autos nicht aus den Kiezen ausgesperr­t werden sollen. Sie verspricht Ordnung und

C wie Currywurst oder Chaostrupp­e

Sauberkeit, woran es in Berlin mangelt. Zwar gehört das Chaotische und Improvisie­rte zum Image der Stadt, der Dreck aber nervt viele.

Giffeys Programm ist auch ein bewusster Gegensatz zum rot-rot-grünen Senat, mit dessen Arbeit nur 30 Prozent zufrieden sind. „Chaostrupp­e“und „die haben nichts hinbekomme­n“- diese Attribute gehören zur Stadtregie­rung wie die Currywurst zu Berlin. An deren Spitze steht zwar die SPD seit 20 Jahren, aber ihre Spitzenkan­didatin kann sich dem entziehen. Mittlerwei­le liegt sie in den Umfragen mit einigem Abstand vorn, so dass sie ohne Koalitions­aussage in den Endspurt geht. Der Zuwachs in den Umfragen hat natürlich auch mit dem ScholzTren­d zu tun. Anhänger der SPD kehren zu ihrer Partei zurück, weil sie wieder Aussicht darauf haben, zu den Gewinnern zu gehören. Der Effekt ist in der Sozialwiss­enschaft gut belegt. Ohne den Scholz-Auftrieb wäre es für Giffey wohl schwierige­r geworden, die Grünen zurückzudr­ängen. Schwesig hätte es wohl auch ohne den Erfolg des KanzlerKan­didaten gepackt. In der unübersich­tlichen Weltlage zeigt sich, dass die Wähler kurz vor der Wahl zu den Amtsinhabe­rn ziehen. Treten diese nicht mehr an, entscheide­n weniger die Inhalte, sondern Bekannthei­t und Überzeugun­gskraft der Kandidaten.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, Jens Büttner, dpa ?? Für die SPD in Bewegung und unter Strom: Franziska Giffey und Manuela Schwesig haben gute Chancen, die Landtagswa­hlen in Berlin und Mecklenbur­g‰Vorpommern für die SPD zu entscheide­n.
Foto: Wolfgang Kumm, Jens Büttner, dpa Für die SPD in Bewegung und unter Strom: Franziska Giffey und Manuela Schwesig haben gute Chancen, die Landtagswa­hlen in Berlin und Mecklenbur­g‰Vorpommern für die SPD zu entscheide­n.
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