Neuburger Rundschau

Pakt gegen China

US-Präsident Joe Biden setzt den von seinem Vor-Vorgänger Barack Obama initiierte­n „Schwenk nach Asien“in die Tat um. Warum die strategisc­he Initiative mit Australien und Großbritan­nien in Frankreich die Wogen hoch schlagen lässt

- VON THOMAS SPANG

Washington/Paris Das transatlan­tische Verhältnis zwischen Europa und den USA steht vor einer neuen Belastungs­probe. Die USA haben Frankreich bei einem vor fünf Jahren mit Australien eingefädel­te U-Boot-Deal ausgeboote­t – und damit schwere diplomatis­che Verwicklun­gen ausgelöst. Wie es aussieht, geschah das durchaus bewusst und vor allem aus strategisc­hen Gründen: US-Präsident Joe Biden sieht im autokratis­chen China die Hauptbedro­hung und richtet seine Außenpolit­ik Schritt für Schritt danach aus – nicht mehr nur mit Ankündigun­gen.

Mehr als 90 Minuten hatte Präsident Biden vergangene Woche mit seinem chinesisch­en Gegenüber Xi Jinping telefonier­t. Analysten halten es für denkbar, dass Biden den Machthaber in Peking vorab darüber informiert­e, was für den Rest der Welt als faustdicke Überraschu­ng kam: „Aukus“ist das neue pazifische Sicherheit­sbündnis zwischen den USA, Großbritan­nien und Australien, das auch die Lieferung nuklearer Antriebste­chnik für australisc­he U-Boote vorsieht. Aukus steht für die Länderkürz­el A, UK, US der drei Staaten, deren Vertreter bei der Präsentati­on nicht ein einziges Mal das Wort China in den

Mund nahmen. Für die Verbündete­n sei es ein zentrales Ziel, „Frieden und Stabilität im Indopazifi­schen Raum auf lange Sicht zu sichern“, erklärte Biden den Vorstoß, bei dem die USA erstmals nukleare Antriebste­chnik mit einem anderen Land außer Großbritan­nien teilen.

Fast im Wortlaut hatte das Weiße Haus in seiner Mitteilung zum Gespräch mit Xi dieselbe Formulieru­ng benutzt. Die Reaktion der Volksrepub­lik fiel heftig aus. Der Sprecher des Außenminis­teriums in Peking, Zhao Lijian, nannte die Lieferung von Atomtechni­k nach Australien „extrem unverantwo­rtlich“. Die Allianz „unterminie­rt den regionalen Frieden und die Stabilität, beschleuni­gt das Wettrüsten und schadet den internatio­nalen Bemühungen um die Nichtweite­rverbreitu­ng von Atomwaffen“. Ausdrückli­ch hatten Biden, der australisc­he Ministerpr­äsident Scott Morrison und Britannien­s Premier Boris Johnson betont, die U-Boote würden nicht mit Atomwaffen ausgestatt­et. Geplant ist der Bau acht nuklear angetriebe­ner U-Boote.

Im Weißen Haus hatte man aber nicht nur die harte Antwort aus Peking erwartet, sondern man hatte sich offenbar auch bereits auf Ärger aus Paris eingestell­t: Wohl als Beschwicht­igungsvers­uch hatte Biden schon bei der Präsentati­on des Aukus-Pakts

Frankreich als „wichtigen Partner“im Indopazifi­k gesondert hervorgeho­ben. Doch Frankreich reagiert mehr als nur empört, sondern beorderte seine Botschafte­r aus Washington und Canberra nach Paris zu Konsultati­onen zurück. Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian kritisiert­e das Vorgehen als „brutal, unilateral und unvorhersa­gbar“. Es erinnere „ein wenig an Trump“, der mit seinen Alliierten ähnlich umgesprung­en sei. Für Frankreich bedeutet die Entscheidu­ng nicht nur den Verlust eines auf 56 Milliarden Euro bezifferte­n Rüstungsde­als mit Australien, es fühlt sich vielmehr politisch hintergang­en. Nicht nur von Australien – in seine Pazifik-Politik wollte Präsident Emmanuel Macron auch Indien mit einbeziehe­n. Sondern auch von Großbritan­nien, denn nach dem Brexit hoffte Frankreich zum bevorzugte­n Partner für die USA in weltpoliti­schen Fragen zu werden. Das ist offenkundi­g nun aber das Vereinigte Königreich.

Experten wie Eric Sayers von der Washington­er Denkfabrik „American Enterprise Institute“werten die Aukus-Initiative als Versuch von Joe Biden, den von Barack Obama schon 2011 in Australien angekündig­ten strategisc­hen „Schwenk nach Asien“mit Leben zu füllen. „Hier wird ein neues Kapitel in den Beziehunge­n aufgeschla­gen“, sagt Sayers. Präsident Biden sei nun bereit, „die australisc­hen Verteidigu­ngskapazit­äten im sensibelst­en Bereich der Hochtechno­logie zu stärken“. Noch vor drei Jahren wäre eine solche Kooperatio­n als undenkbar erschienen.

Morrison hatte zu Beginn seiner Amtszeit versucht, einen Mittelweg im Umgang mit China zu finden. Seitdem haben sich die Beziehunge­n zu Peking drastisch verschlech­tert: Dazu haben ein Handelskri­eg sowie die rasante Aufrüstung der chinesisch­en Seestreitm­acht beigetrage­n. Diese ist mit etwa 350 Schiffen heute schon größer als die der USA mit 293 Schiffen. Bei den U-Booten hängt die Volksrepub­lik hinterher. Die USA zielten auf die militärisc­he Achillesse­hne, so Analysten, was den Aufschrei in Peking erkläre.

So sehr das Timing der AukusIniti­ative überrascht­e, so deutlich ist der Zusammenha­ng zum abgeschlos­senen Rückzug aus Afghanista­n. Biden hatte diesen auch damit begründet, Militärkap­azitäten freizusetz­en, die in anderen Teilen der Welt dringender für die Wahrnehmun­g nationaler Sicherheit­sinteresse­n benötigt würden. Der Indopazifi­sche Raum nimmt also eine zentrale Stellung ein.

Schon diese Woche legt die USRegierun­g nach: Biden erwartet die Regierungs­chefs des Quad-Bündnisses, das die USA mit Indien, Japan und Australien bilden.

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Foto: dpa Das Angriffs‰U‰Boot USS Oklahoma City kehrt zum US‰Marinestüt­zpunkt in Guam zu‰ rück. Die USA verstärken ihre geostrateg­ischen Aktivitäte­n im Pazifik.

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