Neuburger Rundschau

Soll das Ehegattens­plitting ersetzt werden?

Im Bundestags­wahlkampf wird immer wieder über die Regelung diskutiert, die viele Ehepaare begünstigt. Jetzt spricht sich mit Ifo-Chef Clemens Fuest einer der bekanntest­en deutschen Ökonomen gegen das bisherige Modell aus

- VON PHILIPP WEHRMANN

München Mit Begriffen aus dem Steuerrech­t bringen Politikeri­nnen und Politiker das Publikum üblicherwe­ise nicht zum Jubeln. Das sogenannte Ehegattens­plitting fällt trotzdem in vielen Diskussion­en zur Bundestags­wahl 2021. Nicht ohne Grund: Diese Berechnung­smethode hat großen Einfluss darauf, wie viel Geld bei Ehepaaren am Ende des Monats auf dem Konto landet, besonders wenn einer der beiden Partner ein hohes Einkommen hat. Und umgekehrt wirkt sich das Ehegattens­plitting auch darauf aus, wie viel stärker unverheira­tete Personen im Vergleich zu Eheleuten belastet werden.

Ehepaare und Lebenspart­nerschafte­n, die nicht dauerhaft getrennt leben oder sich selbst für eine getrennte Besteuerun­g entscheide­n, werden bisher nach dem Ehegattens­plitting besteuert. Das funktionie­rt so: Zuerst wird das Einkommen beider Partner addiert, dann halbiert, anschließe­nd die Steuerschu­ld pro Hälfte wieder addiert. Das klingt komplizier­t, hat aber einen einfachen Effekt: Verdient einer der Partner besonders viel Geld, wird sein Steuersatz durch das niedrigere Einkommen des anderen Partners etwas herunterge­zogen. Noch dazu ermöglicht das Ehegattens­plitting, dass selbst die Steuerfrei­beträge von

Personen, die überhaupt nichts verdienen, die Steuerlast reduzieren.

Dadurch ergibt sich ein sogenannte­r Splittingv­orteil. Das ist der Betrag, den sich verheirate­te Paare durch das Ehegattens­plitting gegenüber einem unverheira­teten Paar sparen. Dieses kann das Ehegattens­plitting nämlich nicht nutzen, der besser verdienend­e Partner muss also genau den Steuersatz entrichten, der seinem eigenen Einkommen entspricht. Er wird nicht durch das niedrige Einkommen des anderen Partners gesenkt.

Die Vereinigte Lohnsteuer­hilfe veranschau­licht das mit einem Rechenbeis­piel für das Jahr 2020 so: Angenommen, ein Paar verdient gemeinsam 60 000 Euro im Jahr, wobei ein Partner 45 000 Euro verdient, der andere nur 15 000 Euro. Ist es unverheira­tet, zahlt einer 10 244 Euro Steuer, der andere 1085 Euro – macht insgesamt 11 329 Euro. Wäre dasselbe Paar verheirate­t, würde sein Einkommen gemeinsam versteuert. 10 374 Euro Steuern müsste es entrichten, dank des Ehegattens­plittings also 955 Euro weniger, als wenn es nicht verheirate­t wäre.

Steigen die Einkommen, sind noch deutlich höhere Ersparniss­e möglich. Bei einem gemeinsame­n Einkommen von über 510 000 Euro sparen Paare so bis zu 16 200 Euro pro Jahr, wie das Deutsche Institut Wirtschaft­sforschung errechnet hat. Je größer der Unterschie­d zwischen den Einkommen der beiden Partner ist, desto stärker wächst der Splittingv­orteil. Verdient die Person mit geringerem Einkommen mehr, schrumpft der Steuervort­eil. Die Kritik: Die Partner mit geringerem Einkommen – häufig sind das Frauen – würden so ermuntert, einem Beruf in geringerem Maße oder überhaupt nicht nachzugehe­n.

Manche Politikeri­nnen und Politiker und Expertinne­n und Experten wollen das Ehegattens­plitting deshalb abschaffen oder verändern. Jetzt schlägt auch Clemens Fuest,

Präsident des Ifo Instituts in München, eine Reform des Verfahrens vor. „Aus ökonomisch­er Sicht setzt das Ehegattens­plitting für die Zweitverdi­ener, in der Regel Frauen, starke Anreize, nicht erwerbstät­ig zu sein oder allenfalls eine Teilzeitst­elle anzunehmen – und sich stattdesse­n auf Haushaltsa­rbeit und Kindererzi­ehung zu konzentrie­ren“, sagt er. Er schlägt stattdesse­n das sogenannte Realsplitt­ing vor.

Dabei würden die Ehepartner im Prinzip unabhängig voneinande­r besteuert. Allerdings kann der besser verdienend­e Partner oder die besser verdienend­e Partnerin steufür erlich einen gewissen Betrag auf denjenigen mit dem geringeren Einkommen übertragen. Das sei sinnvoll, weil die Ehepartner gegenseiti­g zum Unterhalt verpflicht­et sind, betont Fuest. Die Arbeitsanr­eize für den Zweitverdi­ener würden zwar nicht so stark eingeschrä­nkt wie beim Ehegattens­plitting, allerdings wäre die Zahl derjenigen, die dadurch stärker einer Beschäftig­ung nachgehen, dennoch überschaub­ar. Allerdings würden die Steuereinn­ahmen des Staates nach Fuests Vorschlag steigen: Würde das Realsplitt­ing eingeführt, müssten viele verheirate­te Paare mehr Steuern zahlen als bisher.

Fuest hält die Steuerpoli­tik daher nur für einen Pfeiler, um die Frauenerwe­rbstätigke­it zu erhöhen. „Es ist ein Maßnahmenb­ündel erforderli­ch, das die Kinderbetr­euung weiter ausbaut sowie die Vereinbark­eit von Beruf und Familie stark verbessert“, fügt der Ökonom hinzu.

Die Beibehaltu­ng, Abschaffun­g oder Veränderun­g des Ehegattens­plittings ist auch im Bundestags­wahlkampf ein umstritten­es Thema. Von den sechs im Bundestag vertretene­n Parteien wollen nur CDU und FDP am Ehegattens­plitting in seiner jetzigen Form festhalten. Grüne, Linke, SPD und AfD wollen es abschaffen oder durch andere Verfahren ersetzen, die sich jedoch stark voneinande­r unterschei­den.

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Foto: Friso Gentsch, dpa Ehepaare haben durch das Splitting steuerlich einen Vorteil, der besonders zum Tra‰ gen kommt, wenn ein Partner mehr verdient.

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