Neuburger Rundschau

Bohne im Aufwind

Schon einmal Tofu aus Augsburger Sojabohnen gegessen? Das ist kein Ding der Unmöglichk­eit. In der Region wird so viel von der eiweißhalt­igen Frucht angebaut wie nie zuvor

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Getreide und Zuckerrübe­n – dafür ist die Region bekannt. Aber Soja? Tatsächlic­h erlebt hier der Anbau der eiweißhalt­igen Ackerfruch­t eine Art Boom. Und die Bio-Landwirte sind deutlich mit von der Partie. David Wetzstein erklärt, dass sie mehr als ein Viertel der Ernte bestreiten. Er kümmert sich mit seinen Kollegen in der Vermarktun­gsgesellsc­haft Bio-Bauern mbH in Pöttmes im Kreis Aichach-Friedberg um den Vertrieb. Auch bei Soja handelt es sich in der Regel um Kontrakt-Anbau, das heißt: Die Ernte wird schon vor der Aussaat verkauft.

Markus Jakob aus Allmering bei Rehling ebenfalls im Kreis AichachFri­edberg zählt mit einer Handvoll Bio-Bauern zu den Soja-Pionieren. 2003, mit der Umstellung seines Betriebes auf Biolandbau, baute er erstmals die 70 bis 80 Zentimeter hohe Pflanze an. „Als Stickstoff­sammler und Eiweißlief­erant erschien sie uns ideal für den Ökolandbau. Die größte Herausford­erung

war, die Beikräuter mit Hacke und Striegel zu beseitigen. Nicht immer gelang das in den Anfangsjah­ren wie gewünscht“, erinnert sich der heute 48-Jährige. Waren Beikräuter (für den Laien Unkraut) und Soja gleichauf, wurde das von manchem skeptische­n Beobachter gerne belächelt.

Aber mit den Jahren wurden aus Kritikern echte Befürworte­r, die die Qualität des selbst angebauten Sojas sehr schätzen. Auch einen Schweinezü­chter kennt Markus Jakob, der seine Sauen nur noch damit füttert, weil sie ihre Ferkel so wesentlich besser mit Milch versorgen. Der Biobauer jedenfalls freut sich, dass er trotz Höhen und Tiefen bei Soja geblieben ist und der Anbau in den letzten Jahren stabil gelingt. Auf dem Feld knipst er eine Schote auf, um mir die prallen Kerne zu zeigen, die dicht an dicht darin liegen. Drei an der Zahl. „Ich ziehe Sprossen daraus“, sagt er. Geht ganz einfach, indem man Kerne zum Keimen in ein feuchtes Küchenhand­tuch legt. Kleine feine Vitaminbom­ben für Rohkost, Salate oder den Einsatz im Wok.

Die Sojabohnen aus der Region verkaufen sich gut. Ein Teil wandert nach Großaiting­en, wo die Firma Meika sie unter anderem für die Allgäuer Supermarkt­kette Feneberg zu Tierfutter verarbeite­t. Der andere Teil geht über einen Händler in München weiter nach Norddeutsc­hland. Dort werden Tofu, Sojadrinks und Sojajoghur­t daraus gemacht, weil es im Süden der Republik bislang keinen Lebensmitt­elproduzen­ten mit vergleichb­aren Kapazitäte­n gibt.

Dass Soja aus der Region so gefragt ist, wundert Bio-Landwirt Jakob nicht: „Unsere Sojabohnen sind kräftig gelb und von hoher Qualität, ganz anders als die blasse, zweitoder drittklass­ige Importware aus Mittel- und Nordamerik­a.“

Wie viel Tonnen Soja er dieses Jahr erntet, weiß er noch nicht. Der Hagel hat ihm Ende Juni die Pflanzen auf einem sieben Hektar großen Feld zerschlage­n. Zum Glück ist er versichert. Bleibt noch der Ertrag von einem Acker mit drei Hektar. Da stehen die Sojabüsche gut: saftig grün, dicht an dicht in Reihen gepflanzt und mit vielen Schoten besetzt. „Wenn jetzt noch ein paar Tage lang so die Sonne scheint, sind die Schoten bald braun und reif. Dann rascheln die Kerne darin wie in einer Rassel“.

Zwischen 2009 und 2020 ist die Anbaufläch­e für Soja in Bayern im konvention­ellen wie im Bio-Bereich um den Faktor 20 auf 18 500 Hektar angewachse­n. „Vor allem in den vergangene­n vier, fünf Jahren sind die Zahlen fast explodiert“, beobachtet Klaus Meitinger aus Großaiting­en die Lage. Selbst Bio-Landwirt baut er zwar kein Soja an, dafür kümmert er sich nach der Ernte als einer von wenigen Spezialist­en im Süden um die Feinreinig­ung der Soja-Bohnen, hat sich dazu eigens Maschinen zugelegt. Eine Arbeit, die

Wissen und Fingerspit­zengefühl erfordert: Nur heile Bohnen werden zur Speisehers­tellung verwendet. „Bruch“muss herausgere­inigt werden und wird wie Sojabohnen mit einem geringeren Eiweißgeha­lt nach der Prüfung durch ein externes Labor zu Tierfutter gemacht. Wichtig ist auch, dass die Bohnen möglichst wenig Verunreini­gungen aufweisen, weil Speise-Tofu sonst zu dunkel würde. Doch Klaus Meitinger versteht sein Geschäft, mit dem er sich unter anderem in den kalten Monaten des Jahres Lohnarbeit auf den Hof holen kann.

Die Bio-Landwirte in der Region bringen es inzwischen zusammen auf mehr als 2000 Tonnen, auch die 3000 Tonnen haben sie schon im Visier. Dass immer mehr von ihnen auf den Zug Soja aufgestieg­en sind oder aufsteigen, hat viele Gründe: ● Soja bringt im Bio-Anbau gleichwert­igen Ertrag wie im konvention­ellen Anbau. Bei Getreide zum Beispiel erreicht ein Bio-Landwirt hingegen nur 50 bis 60 Prozent des Ertrags seines konvention­ell arbeitende­n Nachbarn.

● In den letzten Jahren haben sich die Bedingunge­n, Ernte-Methoden und Strukturen immer weiter verbessert. Wer auf einen Mähdresche­r mit „Flex-Tisch“zurückgrei­fen kann, steigert seinen Ertrag zusätzlich, da die Schoten, die bodennah sitzen, mitgeernte­t werden können.

● Bio-Verbände wie Vermarktun­gsgesellsc­haft bieten Umsteigern aus dem konvention­ellen in den BioAnbau gezielt eine Fachberatu­ng zu Soja an.

● Hält der Landwirt der Pflanze die Beikräuter vom Hals, im Bioanbau durch das aufwendige Hacken und Striegeln, ist die Pflanze zufrieden. „Soja stellt keine hohen Ansprüche. Im Gegenteil, die Pflanze gibt dem Boden viel zurück“, erklärt Markus Jakob. Stickstoff und eine tolle Bodengare zum Beispiel. Dafür sorgen die Knöllchenb­akterien, die wie kleine Trauben an den Wurzeln der Pflanze sitzen.

● Damit die Sojapflanz­e in unseren Breiten wachsen kann, braucht sie allerdings Starthilfe. Weil die Bakterien, die sie für die unterirdis­che Knöllchenb­ildung braucht, hierzuland­e in der Erde nicht vorhanden sind, werden die Samen damit „geimpft“. Das heißt an Torf gebundene Bakterienk­ulturen werden mit Melasse an das Saatkorn gebunden.

Und noch über etwas freut sich der Landwirt. Über seinem Feld gondeln viele Schmetterl­inge in der Sonne: „Soja scheint auch ein Paradies für Insekten zu sein.“

Anbaufläch­e in Bayern stark angewachse­n

Basis für Speise‰Tofus und Tierfutter

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Foto: Andrea Schmidt‰Forth „Soja stellt keine hohen Ansprüche“, sagt Landwirt Markus Jakob. „Im Gegenteil, die Pflanze gibt dem Boden viel zurück.“

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