Neuburger Rundschau

Wenn die Katze konfus wird

Sie findet das Katzenklo nicht? Sie will fressen, obwohl sie gerade erst damit fertig ist? Kommt eine Katze in die Jahre, kann sich das auf ihre geistigen Fähigkeite­n auswirken

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Wenn Katze Maja von ihrem Aussichtsp­latz am Fenster aufsteht, Richtung Tür trabt und dort plötzlich stehen bleibt, muss sich ihre Besitzerin Andrea H. immer öfter wundern. „Es schaut so aus, als hätte sie vergessen, wohin sie eigentlich gehen wollte.“Maja dreht sich dann meist um und fegt wieder zurück zu ihrem Fensterpla­tz.

Das hat vor drei Monaten angefangen. Seit einem Monat wundert sich Andrea H. noch mehr. Maja hat begonnen, nachts durch die Wohnung zu wandern. Sie wirkt dabei ziel- und planlos, gelegentli­ch maunzt sie während ihrer Runde. Sie schläft auch zu anderen Zeiten als früher und steht immer nach spätestens zwei Stunden auf und geistert umher. Längere Schlafphas­en gibt es kaum noch. Noch etwas: Hat Maja gerade mit der Stoffmaus und dann eine Runde um das Sofa gedreht, stürzt sie sich so energisch auf das Spielzeug, als hätte sie die Stoffmaus soeben erstmals gesehen – und als hätte es das vorangegan­gene Spiel gar nicht gegeben. Weil Maja bereits 16 Jahre alt ist, kombiniert Andrea H. alle diese Symptome und stellt sich nun die Frage: Können Katzen so wie alte Menschen eigentlich auch unter Demenz leiden?

Sie können. Gesunde Katzen sind in der Lage, sich über optische und akustische Umwelteind­rücke sowie über Gerüche ein Bild ihrer Umgebung zu machen. Die Summe aller Reize ergibt eine Landkarte im Gehirn, die den Katzen zur räumlichen und zeitlichen Orientieru­ng in der Welt dient. Zusätzlich kann das gesunde Gehirn lernen, sich erinnern, planen oder Probleme lögespielt sen. Das Krankheits­bild, das der Demenz ähnelt, wird bei Katzen als Konfusions­syndrom oder kognitive Fehlfunkti­on bezeichnet und beruht auf Abbauproze­ssen im Gehirn.

Die Kardinalsy­mptome: Die Katze findet den Ausgang aus einem gut bekannten Raum nicht mehr, sie verirrt sich im Haus und im Freien, sie schläft kürzer und nicht mehr zu den gewohnten Zeiten und sie verlangt unmittelba­r nach dem Fressen erneut Futter. Außerdem kann sie sich nur noch kurze Zeit konzentrie­ren. Verschwind­et ein Objekt aus ihrem Blickfeld (die Stoffmaus zum Beispiel unter dem Schrank), hat die Katze kein weiteres Interesse daran. Außerdem kann es zu Unsauberke­it kommen, zu Reizbarkei­t, häufigem Fauchen und reduzierte­r Körperpfle­ge.

Längst nicht jede alte Katze ist betroffen, weshalb in Fachkreise­n unter anderem eine genetische Komponente diskutiert wird, doch zwischen dem 11. und 14. Lebensjahr zeigen sich bei jeder dritten Katze einige Anzeichen. Bei Katzen über 15 soll der Anteil auf 50 Prozent steigen. Heilen lässt sich die im Volksmund als „Katzen-Alzheimer“bezeichnet­e Krankheit nicht. Aber man weiß: Geringe geistige Aktivität führt zu einem früheren Auftreten und zu einem schnellere­n Verlauf. Beschäftig­ung mit dem Tier ist Vorsorge und Therapie zugleich.

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Foto: Benedikt Siegert Manche Katzen verhalten sich merkwür‰ dig.
 ??  ?? Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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