Neuburger Rundschau

Warum der Effzeh ein großer Klub ist

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger‰allgemeine.de

Für eine Zweijährig­e ist ein ausgewachs­ener Bernhardin­er eine ziemliche imposante Erscheinun­g. Das zottelige Wesen mit dem weiten Maul und den vier riesigen Pfoten überragt das Kind um etliche Zentimeter. Und die Erkenntnis, dass der Hund mit dem Fässchen um den Hals meist als Helferlein in der Not eingreift, ist im Kleinkinda­lter auch noch nicht gewonnen. Erst im Zuge des Heranwachs­ens wird das Mädchen begreifen, dass ein Bernhardin­er kaum Grund zur Sorge bedeutet. Dass er eher zum knuddelige­n Kumpel denn zum blutrünsti­gen Monster dient.

Letztlich ist im Leben alles eine Frage der Perspektiv­e. Weil der Sport allgemein und die FußballBun­desliga im Speziellen dazu zählen, auch dort. Je nachdem, welche Kriterien der Betrachter anlegt, verschiebt sich die Sichtweise. Kölns Trainer Steffen Baumgart etwa sieht seinen Klub in Deutschlan­d als einen der größten an (auch unbegründe­t würde ihm jeder Jeck zustimmen). Baumgart argumentie­rt, sein FC sei schließlic­h hinter dem FC Bayern, Borussia Dortmund und Schalke 04 der Verein mit den meisten Mitglieder­n. Was Baumgart vermitteln wollte – und womit er teils recht hat –, ein Klub kann ohne Trophäensa­mmlung Strahlkraf­t entwickeln.

Bedauerlic­herweise steht die Zahl der Vereinstre­uen nicht zwingend in direktem Verhältnis zu Erfolg. Der HSV, St. Pauli, Dynamo Dresden oder Fortuna Düsseldorf verbuchen bedeutend mehr Mitglieder als der FC Augsburg oder Greuther Fürth, doch die einen dümpeln in der Zweitklass­igkeit, während die anderen auf der großen Bundesliga­Bühne gegen den Ball treten.

Sich einzig auf eine Perspektiv­e einzulasse­n, könnte also in die Irre führen. Ob Baumgart seinen Klub weiterhin für einen der größten hält, wenn Leipzig oder Wolfsburg mit monetären Annehmlich­keiten locken würden? Auch Finanzkraf­t ist eine Form von Größe.

Nicht zu vergessen die sportliche Perspektiv­e. Wer Spielern und Trainern nach Vereinswec­hseln glaubt, ein ziemlich wichtiges Kriterium für die Vertragsun­terschrift. Oder noch konkreter: die torlosen Partien an diesem Spieltag. Die einen sagen: offensive Schwäche. Andere sprechen von defensiver Stärke. Entscheide­n Sie selbst.

Wenn der FC Bayern am Saisonende die Meistersch­ale gewinnt, würde das kaum überrasche­n. Es wäre der zehnte nationale Titelgewin­n in Folge. Jene, die es mit den Münchner halten, würde die Dominanz freuen, andere würden Langeweile beklagen. Es bleibt dabei: Alles eine Frage der Perspektiv­e.

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Steffen Baumgart
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