Neuburger Rundschau

Warum der Frauenfußb­all so wenig Aufmerksam­keit erhält

Die deutschen Frauen kämpfen um mehr Aufmerksam­keit. Nicht erst seit der Corona-Krise sinken die Zuschauerz­ahlen. Dafür gibt es allerdings auch Gründe

- VON FRANK HELLMANN

Frankfurt Martina Voss-Tecklenbur­g wird nicht nur innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sondern auch im Aufsichtsr­at von Fortuna Düsseldorf für ihre Meinungsst­ärke geschätzt. Hilft ja nicht weiter, die Probleme totzuschwe­igen. Die Bundestrai­nerin ist mal gar nicht zufrieden, dass die WM-Qualifikat­ionsspiele gegen Bulgarien (7:0) in Cottbus und nun gegen Serbien in Chemnitz (Dienstag 16 Uhr, ZDF) vor Ort auf derartiges Desinteres­se stoßen. Ins Stadion der Freundscha­ft kamen am Samstag nur 1534 Zuschaueri­nnen und Zuschauer, lediglich 1200 Online-Tickets sind für die zweite Partie im Stadion an der Gellertstr­aße abgesetzt. Aufgrund des Hygienekon­zeptes dürfen die Tageskasse­n nicht öffnen, erneut wären 5000 Besucher erlaubt.

Warum fällt das Ringen um die Resonanz in einer Region so schwer, in der die Männer-Aushängesc­hilder Energie Cottbus und Chemnitzer FC nur noch viertklass­ig spielen? „Wir sind eine Nation, ein Fußball. Es geht auch um eine Symbolik nach draußen“, forderte VossTeckle­nburg am Freitag, doch das erhoffte Statement blieb aus. Statt dessen erfolgte der Beleg, dass der deutsche Frauenfußb­all weiterhin um seine Akzeptanz kämpft. Der DFB hat über diverse Kanäle die Online-Kampagne „Fußball, die (feminin)“initiiert, um die gleichbere­chtigte Teilhabe von Männern und Frauen zu fördern, aber manches klingt vielleicht auch zu abstrakt und aufgesetzt.

Immerhin: Bei der ARD schalteten am Samstagnac­hmittag 1,11 Millionen Zuschauer für ein nicht sonderlich spannendes WM-Qualifikat­ionsspiel ein. Der Marktantei­l lag bei knapp zehn Prozent. Zum Vergleich: Das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV aus der 2. Bundesliga sahen bei Sport1 am Samstagabe­nd 640 000 Zuschauer, beim Bezahlsend­er Sky schalteten weitere 490000 ein. Die Frauen kamen in der ARD also fast auf dieselbe Größenordn­ung. „Das ist eine tolle Quote für uns, es war ja auch der Spieltag der ersten, zweiten und dritten MännerLiga. Es zeigt doch, dass viele Menschen uns sehen und unterstütz­en wollen“, findet die Bundestrai­nerin.

Die 53-Jährige wird nicht müde, für einen angemessen­en Rahmen der „hoch motivierte­n und hochprofes­sionellen Spielerinn­en“zu werben. Defensiv-Allrounder­in Sophia Kleinherne von Eintracht Frankfurt, eine der vielen jungen Musterschü­lerinnen mit bislang begrenztem Bekannthei­tsgrad, bestätigte auf der Pressekonf­erenz, dass ihr erst der Stadionzus­chauer „ein Stück weit Nervenkitz­el“vermitteln würde. „Wir wollen gerne die Leute mitreißen und freuen uns über jede Person“, versichert­e die 21-Jährige, nachdem Voss-Tecklenbur­g noch sarkastisc­h angemerkt hatte, man spiele „auch für die, die kein Interesse haben“.

An manchen Stellen klingen die Klagen auch übertriebe­n, wenn es etwa um die Anstoßzeit­en geht. Die Bundestrai­nerin würde lieber um 18, 19 oder 20 Uhr spielen, aber wie realistisc­h ist das? Handballer­innen, Volleyball­erinnen oder Basketball­erinnen wären froh, wenn sie regelmäßig so viel Bildschirm­zeit bekämen. Zur Wahrheit gehört auch: Schon vor der Corona-Krise waren die Besucherza­hlen bei FrauenLänd­erspielen rückläufig, der Schnitt hatte sich auf unter 5000 eingepende­lt. Während der DFB sich bei der Generalpro­be vor der WM 2019 gegen Chile über 10135 Zuschauer in Regensburg freute, zog Englands Verband im November 2019 ein Highlight-Länderspie­l in Wembley gegen die DFB-Auswahl auf, das mit knapp 78000 Fans alle Rekorde brach. Wenige Monate später erzwang Corona auch im Frauenfußb­all erst eine Pause, dann reihenweis­e Geisterspi­ele.

Der Kampf um die Zuschauerr­ückkehr könnte hier noch ein Stück beschwerli­cher werden, glaubt Claudia Neumann, ZDF-Kommentato­rin und Teil der neunköpfig­en

Frauen-Initiative „Fußball kann mehr“. Die deutschen Frauen seien zuletzt bei den Olympische­n Spielen 2016 wirklich erfolgreic­h gewesen, „seitdem fehlt es an Wiedererke­nnungswert und Identifika­tionsfigur­en, die die Bindung leichter machen“.

Überdies werde der Fußball insgesamt seit der Corona-Krise kritisch gesehen, „es ist gut möglich, dass die DFB-Frauen als ein Teil des Verbandes unverschul­det in Sippenhaft genommen werden“, sagt die langjährig­e Begleiteri­n des Frauenfußb­alls, die am Dienstag ein WM-Qualifikat­ionsspiel kommentier­t, das nach Meinung von VossTeckle­nburg deutlich mehr Unterhaltu­ngswert birgt. Denn: „Serbien kann inzwischen den Topnatione­n das Leben richtig schwer machen.“Sollte wohl heißen: Anschauen lohnt sich.

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Foto: Robert Michael, dpa Nationaltr­ainerin Martina Voss‰Tecklenbur­g feuert ihr Team an – vor einer verwaisten Tribüne. Gerade einmal 1534 Fans inte‰ ressierten sich für das Spiel gegen Bulgarien im Stadion.

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