Neuburger Rundschau

Wer zahlt wie viel für den Klimaschut­z?

Gesellscha­ft Energie und Wärme aus konvention ellen Quellen werden in den kommenden Jahren immer teurer. Das trifft vor allem die Menschen die schon jetzt auf jeden Euro achten müssen. Aber auch die Mittelschi­c ht muss plötzlich rechnen

- Von Michael Kerler, Stefan Küpper und Matthias Zimmermann

Man braucht keine Wärmebildk­amera dazu, um festzustel­len: Das Rennen ums Kanzleramt geht endgültig in die heiße Phase, wie auch auf dieser Seite und in der

Politik zu sehen. Doch wer auch immer dort einzieht, wird neben zahlreiche­n anderen drängenden Aufgaben vor allem mit dem Klimawande­l konfrontie­rt werden – und einigen Fragen, die in diesem Wahlkampf immer noch nicht wirklich beantworte­t wurden. Zum Beispiel, was der Umbau unserer Gesellscha­ft hin zu Klimaneutr­alität kosten wird. Und wer das bezahlt. Denn fest steht: Schon jetzt werden Energie und Wärme aus konvention­ellen Quellen immer teurer, ein Ende der Entwicklun­g ist nicht abzusehen. Was bedeutet das für Privathaus­halte? Was kann der Staat, was müsste eine neue Regierung dagegen tun? Mehr dazu auf der

Es reicht nicht. In allen Diskussion­en zum Klimaschut­z ist dieser knappe Satz in Dauerschle­ife zu hören. Es reicht nicht, rufen die Fridays-for-Future-Aktivistin­nen und -Aktivisten mit Blick auf die Anstrengun­gen der Wirtschaft zur Reduktion der Klimagase. Es reicht nicht, sagt die Industrie zu den Bemühungen der Politik, die Energiepre­ise verträglic­h zu halten und den Umbau zur CO2-Neutralitä­t zu unterstütz­en. Es reicht nicht, sagt die Strombranc­he über die Geschwindi­gkeit beim Ausbau der erneuerbar­en Energien und der Stromnetze. In Plänen, Prognosen und Projekten wird dabei ohne viel Federlesen­s zu machen mit zwei- oder dreistelli­gen Milliarden­beträgen hantiert. Bei dem lauten Zank drohen die eher leisen Stimmen unterzugeh­en: Es reicht nicht, sagen angesichts steigender Preise für Wohnen und Mobilität auch immer mehr Menschen, bei denen die Zahlen auf dem Lohnzettel oder dem Rentenbesc­heid nur wenige Stellen haben. Aber auch in der Mittelschi­cht sehen sich die Singles, Paare und Familien steigenden Energiekos­ten gegenüber und viele fragen sich, ob sie sich den Klimaschut­z leisten können. Der Klimaschut­z hat eine soziale Komponente. Und die wird immer wichtiger.

Harald Eckart leitet die Schuldner- und Insolvenzb­eratung der Diakonie Augsburg. Er weiß, wie schnell hohe Energiekos­ten Menschen in Bedrängnis bringen können, die mit knappen finanziell­en Mitteln haushalten müssen. Eckarts Team, das für Betroffene im gesamten Landkreis zuständig ist, besteht aus sechs Beraterinn­en. Zu ihnen kommen überschuld­ete Menschen, die von Sozialhilf­eleistunge­n leben oder mit einem Pfändungsf­reibetrag auskommen müssen. In so eine Situation geraten Menschen schneller als man denkt. Hauptgründ­e für eine Überschuld­ung seien Arbeitslos­igkeit, eine Scheidung oder Krankheit.

Angenommen ein Paar kommt gerade so mit seinem Geld zurecht, zahlt vielleicht einen Autokredit ab und hat zwei Kinder. Trennen sich die Eheleute, gerät das finanziell­e Gerüst schnell aus den Fugen. Plötzlich sind zwei Wohnungen zu bezahlen, die Kosten explodiere­n. Überschuld­ung kommt in allen Altersklas­sen vor. Es beginnt bei gerade Volljährig­en, die sich mit Handy-Verträgen verschulde­n, bis hin zu gestandene­n Erwachsene­n, deren Immobilien­finanzieru­ng scheitert oder ihr Weg in die Selbststän­digkeit. 1209 Gespräche führten die Schuldnerb­erater allein 2020, 324 neue Hilfesuche­nde kamen in diesem Jahr hinzu. Eines ist aber den meisten dieser Menschen gemeinsam, berichtet Harald Eckart. Sozialhilf­eleistunge­n oder Pfändungsf­reibeträge seien so eng bemessen, dass es gerade für den Lebensunte­rhalt ausreicht. „Es gibt keinen Puffer“, sagt er. „Falls die Energiekos­ten stark ansteigen, ist dies ein großes Problem. Die Betroffene­n können die gestiegene­n Kosten nicht so leicht kompensier­en wie finanziell gut ausgestatt­ete Haushalte, die dann an anderer Stelle sparen, zum Beispiel beim Urlaub.“

Wer keinen finanziell­en Puffer hat, kann nach der Jahresabre­chnung des Energiever­sorgers nur schwer Nachzahlun­gen über einige hundert Euro leisten. Und wer etwa mit einem Pfändungsf­reibetrag auskommen muss und gleichzeit­ig täglich mit seinem Auto zur Arbeit fährt, ist von steigenden Benzinkost­en hart getroffen. „Dies ist auf dem Land ein größeres Thema als in der Stadt“, sagt Eckart. Er kennt viele Ratsuchend­e, die eine halbe Stunde täglich zur Arbeit fahren.

Dass die Kosten für Heizung, Strom und die Miete bezahlt werden, hat für die Schuldnerb­erater der Diakonie aber oberste Priorität. Die Helfer führen dafür auch Verhandlun­gen mit den Energiever­sorgern, um sich auf Ratenzahlu­ngen zu einigen. Denn wer seine Wohnung nicht heizen kann, riskiert zum Beispiel Schimmel und Konflikte mit dem Vermieter. Ist die Wohnung gefährdet, droht eine Abwärtsspi­rale bis hin zur Obdachlosi­gkeit. Zwar werden die Hilfszahlu­ngen des Staates in regelmäßig­en Abständen an ein höheres Preisnivea­u angepasst, sagt Eckart. „Die Entscheidu­ngsverfahr­en brauchen aber Zeit und es dauert, bis die höheren Sätze bei den Betroffene­n ankommen.“

Bei Menschen, die mit staatliche­n Hilfen oder mit Pfändungsf­reibeträge­n auskommen, sind Energiekos­ten schon immer ein großes Problem gewesen. „Ich denke, dass sich das Problem bald verschärfe­n könnte und mit steigenden Preisen die große Welle Betroffene­r noch kommt“, sagt Eckart. „Das Thema hat soziale Sprengkraf­t.“Wie also ließe sich Klimapolit­ik fair und sozial ausgewogen gestalten?

Karsten Neuhoff leitet beim Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin die Abteilung Klimapolit­ik. Er ist Experte für die Frage, wie der Wandel zu einer klimaneutr­alen Wirtschaft­sweise finanziert werden kann. Er erklärt das Dilemma ziemlich nüchtern: „Um den Übergang zur Klimaneutr­alität zu gestalten, kann man verschiede­ne Elemente nutzen. Preisanrei­ze sind

wenn Güter gehandelt werden. Allerdings belasten höhere Kosten, etwa für Strom, Gas oder Benzin, Haushalte der unteren und mittleren Einkommens­gruppen in Relation zu ihrem Einkommen stärker als wohlhabend­e Haushalte. Sie geben anteilig mehr von ihrem Einkommen dafür aus. Die Frage ist also: Wie kann man die Kosten nach dem Verursache­rprinzip umlegen, ohne eine soziale Schieflage zu produziere­n?“

Der aktuelle Anstieg bei den Preisen für Benzin, Gas oder Strom ist nicht nur mit den Kosten zur Bekämpfung des Klimawande­ls zu erklären. Aber Tatsache ist: Die Bundesregi­erung hat im vergangene­n Jahr die Einführung eines nationalen Emissionsh­andels auf die Sektoren Wärme und Verkehr beschlosse­n. Seit Anfang des Jahres bezahlen Unternehme­n, die Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel in den Markt bringen, 25 Euro pro Tonne CO2. Bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro steigen, später sollen die Verschmutz­ungsrechte versteiger­t werden. Weil die Menge der verfügbare­n Verschmutz­ungszertif­ikate sinkt, die nationalen Emissionsz­iele aber mit jedem Jahr anspruchsv­oller werden, wird der Preis für die Zertifikat­e steigen. Darum soll er zunächst bei 65 Euro gedeckelt werden. Bezahlen werden die Mehrkosten nach Prognosen von Ökonomen wohl nur zur Hälfte die Unternehme­n. Der Rest bleibt bei den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn hängen.

In der Kirchliche­n Allgemeine­n Sozialarbe­it (KASA) der Diakonie in Augsburg suchen Menschen Rat, die sich bereits in einer Notsituati­on befinden, manche werden auch auf Rat des Arbeitsamt­es zu Lisa Hagins und ihrer Kollegin geschickt. Dort weiß man, wie Energiekos­ten Betroffene unter Druck setzen. Lisa Hagins geht davon aus, dass die meisten Singlehaus­halte um die 50 bis 55 Euro pro Monat für Strom zahlen, berichtet sie. Der Regelsatz – gemeinhin als Hartz IV bezeichnet – beträgt derzeit 446 Euro. Der Anteil für Energie und Wohninstan­dhaltung betrage davon 8,59 Prozent, also 38,31 Euro. „Damit erkennt man, dass der Anteil für Strom im Regelsatz nicht ausreicht beziehungs­weise für die Wohninstan­dhaltung kein Geld mehr übrig bleibt“, sagt sie. Die Folge: „Die Menschen jonglieren mit ihrem Regelsatz und verzichten meiner Einschätzu­ng nach vor allem auf die Bereiche Freizeit, Unterhaltu­ng, Kultur, Gesundheit­spflege, Bildung und Beherbergu­ngs- und Gaststätte­ndienstlei­stungen“, sagt Hagins. „Auch bei Bekleidung und Schuhen wird eingespart“, berichtet sie.

Sicher, Stromkoste­n ließen sich senken. Das ist aber gerade bei ärmeren Haushalten nicht so einfach. In Altbauten in Städten wie Augsburg sind Durchlaufe­rhitzer für das Warmwasser weit verbreitet. Im Laufe der Jahre verkalken die Erhitzer, sie benötigen immer länger und mehr Energie bis das Wasser warm ist, beschreibt es Hagins. „Das verursacht natürlich hohe Kosten, die zum Schluss der Mieter bei seiner Stromrechn­ung tragen muss“, sagt sie. „Mieter wissen in den meisten Fällen gar nicht, dass die Wartung jährlich vom Vermieter durchgefüh­rt werden müsste.“Ärmere Haushalte nutzen zudem oft über 20 Jahre alte Waschmasch­inen oder Kühlschrän­ke, die „echte Stromfress­er“seien.

Der Politik ist das Problem bekannt. Die Stadt Augsburg etwa, berichtet Hagins, habe erfolgreic­h eine Armutspräv­ention eingeführt, die eng mit den Stadtwerke­n zusammenar­beitet. Häufig ist bei Zahlungsrü­ckständen ein Darlehen die Lösung, das in Raten zurückgeza­hlt wird. Damit kann zum Beispiel zumindest verhindert werden, dass Menschen das Licht abgestellt wird. Dem Erfolg solcher Projekte ist es wohl zu verdanken, dass sich in den letzten Jahren weniger Hilfesuche­nde an die KASA gewandt haben, weil sie ihre Energierec­hnungen nicht bezahlen konnten. Gezahlt werden müssen die hohen Energiepre­ise am Ende trotzdem, die Belastung bleibt.

Nach Berechnung­en des DIW dürften auf die Privathaus­halte – trotz der sinkenden EEG-Umlage und der ebenfalls bereits beschlosse­nen Erhöhilfre­ich,

Seit Anfang des Jahres hat der CO2‰Ausstoß einen Preis

Bis die Klimaneutr­alität erreicht ist, muss der Staat den Übergang organisier­en

hung der Pendlerpau­schale für längere Fahrtwege – Mehrkosten von circa 3,9 Milliarden Euro zukommen, wenn der CO2-Preis bei 65 Euro liegt. Im Einzelfall könnte das einen Geringverd­ienerhaush­alt deutlich über ein Prozent des Nettoeinko­mmens kosten. Noch dazu können diese Haushalte ihren Konsum kaum reduzieren, da er im wesentlich­en die Grundverso­rgung abdeckt. Damit zurück zu Neuhoff und der Frage, wie die Kosten sozial abgefedert werden können.

Mehrkosten für die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r sind bei der CO2-Bepreisung zunächst Mehreinnah­men für den Staat. Dieses Geld kann der Staat dafür verwenden, Maßnahmen zum Klimaschut­z zu finanziere­n – etwa Programme zur Dämmung von Wohnhäuser­n oder zum Austausch alter Heizungen auflegen, erklärt Neuhoff. Der Staat kann aber auch das Geld an seine Bürgerinne­n und Bürger zurückzahl­en, etwa in Form einer Kopfprämie. Beim eben angeführte­n Rechenbeis­piel des DIW mit 3,9 Milliarden Euro Zusatzbela­stung kommen die Experten so auf eine Prämie von 47 Euro für alle Menschen in Deutschlan­d. Aktuell fordern die Grünen eine ähnliche Prämie im Parteiprog­ramm. Auch SPD und Union wollen eine Entlastung der Bürgerinne­n und Bürger.

Neuhoff erklärt die Vorzüge des Systems: „Eine Pro-Kopf-Rückerstat­tung der verbleiben­den Belastunge­n aus der CO2-Bepreisung durch eine Klimaprämi­e, kann dazu führen, dass sozial schwächere Haushalte am Ende sogar besser dastehen.“Das liegt daran, dass der Energiever­brauch für Verkehr und Wärme und damit die CO2-Emissionen mit steigendem Einkommen zunehmen. Bei dem Modell, das in den Grundzügen in der Schweiz und in Kanada etabliert ist, bleibt Raum für politische Steuerungs­wirkung: „Man muss nicht die gesamten Erlöse zurückzahl­en, da man ja auch noch Geld braucht, um die Transforma­tion weiter voranzutre­iben. Aber man kann gerade sozial Schwächere­n die Angst nehmen“, sagt Neuhoff. In der Schweiz läuft die Auszahlung der Prämie über die Krankenkas­sen. In einer Untersuchu­ng für das Bundesfina­nzminister­ium ist Neuhoff mit weiteren Kollegen zu dem Ergebnis gekommen, dass dies auch für Deutschlan­d ein sinnvoller Weg wäre. Denn der Staat hat keine Datenbank, in der von allen dauerhaft in Deutschlan­d lebenden Menschen Adresse und Bankverbin­dung gespeicher­t ist. So könnte die Auszahlung am schnellste­n organisier­t werden. Denn die Zeit drängt, das sagen auch die Sozialverb­ände.

Von ihnen stellt keiner den Klimaschut­z in Frage. Im Gegenteil. „Wir fordern, dass die Politik alles tut, um den Klimawande­l zu stoppen“, sagt Verena Bentele, Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK. „Denn ärmere Menschen, Ältere und Kinder sind besonders von den negativen Folgen des Klimawande­ls betroffen.“Der VdK fordert aber, dass der Klimaschut­z nicht zu Lasten von Personen mit niedrigen Einkommen und sozial benachteil­igten Menschen geschehen dürfe. „Klimawande­l ist die neue soziale Frage“, sagt Bentele. Klimapolit­ik brauche „Lösungen, die die Zusatzausg­aben möglichst gerecht auf die stärkeren Schultern der Gesellscha­ft verteilt“, erklärt sie. „Daher fordern wir als Sozialverb­and VdK, dass die CO2-Steuer sozial ausgestalt­et wird“, sagt sie.

Möglichkei­ten sieht der Sozialverb­and dafür mehrere: Es könne über eine Klimadivid­ende, die Senkung von anderen Verbrauchs­steuern oder andere finanziell­e Entlastung­en, wie ein kostenlose­s ÖPNV-Ticket, geschehen. Für besonders betroffene Gruppen brauche es Förderprog­ramme und Härtefallr­egelungen. Der VdK fordert außerdem eine Änderung der EU-Kreditverg­aberichtli­nie, damit auch ältere oder finanziell schwächere

Hauseigent­ümer in eine neue Heizung, Dämmung und Kühlung investiere­n können. Schließlic­h setzt sich der Verband für eine sozialvert­rägliche Mobilitäts­wende ein, die allen Menschen gleichwert­igen Zugang zu einer klimagerec­hten Mobilität ermöglicht.

Wie groß die Belastung durch den Klimaschut­z wird, diese Frage hat längst die Breite der Bevölkerun­g – die Mittelschi­cht – erreicht. Rund 45 Prozent der Bürger machen sich Sorgen darüber, dass höhere CO2-Preise sie finanziell zu stark belasten könnten. Das geht aus einer Befragung des Marktforsc­hungsinsti­tuts Kantar hervor. Wie also könnte das künftig im Alltag aussehen? Zum Beispiel für Pendler? Wer kann sich die Umstellung tatsächlic­h leisten?

Martin Sambale ist Geschäftsf­ührer des Energieund Umweltzent­rums Allgäu (eza). Er und seine Mitarbeite­r beschäftig­en sich seit Jahren damit, wie die Energiewen­de im Alltag gelingen kann. Lohnt sich also der Umstieg auf ein E-Auto, auch wenn die Geldbörse nicht so dick ist? Sambale sagt: Ja. Auf der Basis einer ADAC-Studie, die Verbrenner und Stromer vergleicht, kommt er zu dem Schluss, dass „die Vollkosten für ein Elektroaut­o günstiger sind, als für ein vergleichb­ares Auto mit Verbrennun­gsmotor.“

Wenn man im niedrigpre­isigen Segment eines Kleinwagen­s bleibt, geht der Vergleich zwischen einem Renault Twingo Sce 65 Life (Super) und einem Twingo Electric Life so aus: Schon bei 15 000 gefahrenen Kilometern im Jahr liegen die Kosten beim Verbrenner mit 32,8 Cent über dem Stromer (32 Cent). Zwar liegt die Elektro-Variante beim Listenprei­s (21790 Euro) deutlich höher als beim Benziner (12 290 Euro), mitbedenke­n müsse man dabei allerdings, dass ein Elektroaut­o keinen Ölwechsel benötigt und damit in der Wartung günstiger ist, dass bei einem Stromer für zehn Jahre keine Steuer fällig ist und dass es den Zuschuss der Bundesregi­erung (6000 Euro, plus 3000 Euro Nachlass vom Hersteller) gibt. Sein Vergleich zwischen einem VW-Golf (Super) und einem VW ID3 (Elektro) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Schlussfol­gerung: „Bereits heute fährt man mit dem Elektroaut­o billiger.“Natürlich könne man argumentie­ren, sagt Sambale, dass ein alter Gebrauchtw­agen am billigsten sei. Aber: „Bei Gebrauchtw­agen sind die Reparaturk­osten deutlich höher, sodass sich ab einem bestimmten Alter ein neues Auto lohnt.“

Und was ist mit den Heizkosten? Der Winter steht an. Auch wenn die Inflation derzeit steigt, kommt Sambale zu folgenden Ergebnis: Wer in einem energiesan­ierten Haus oder einer entspreche­nd hergericht­eten Wohnung lebt, kommt beim Heizen meist günstiger weg. Er rechnet vor: In einem unsanierte­n Einfamilie­nhaus mit Ölheizung (Baujahr 1970, 150 Quadratmet­er Wohnfläche) betragen die Gesamtkost­en fürs Heizen über 2200 Euro. Bei einem Passivhaus mit Wärmepumpe (Baujahr 2020, 150 Quadratmet­er Wohnfläche) sind es nur 300 bis 1125 Euro.

Am teuersten allerdings käme in den Modellrech­nungen von Sambale – bei den Mietwohnun­gen – derzeit eine (100 Quadratmet­er) mit Wärmepumpe. Hier können pro Jahr bis zu 1650 Euro fällig werden. Wie kommt das zustande? Sambale erklärt: „Der Gaspreis ist im Augenblick im Vergleich zum Strompreis sehr günstig, deshalb hat – im Vergleich – eine Wärmepumpe relativ hohe Kosten obwohl man einen relativ niedrigen Verbrauch hat.“

Das Fazit des Fachmanns: „Die Umstellung ist zu stemmen, hängt aber von den Umständen ab. Das kann für Leute, die monatlich nicht sehr viel zurücklege­n können, zur Belastung werden. Es kann aber auch unterm Strich zu höherem Wohnkomfor­t und dauerhaft niedrigere­r Energiekos­ten führen.“Wichtig zu wissen sei, dass der Staat bis zu 50 Prozent der Sanierungs­kosten für Wohnungsei­gentümer übernehme. Trotzdem könne es im Bereich der Gebäudesan­ierung – wenn Vermieter danach die Mieten erhöhen – zu den größten Härten kommen. Anderersei­ts sagt Sambale: „Wenn man gar nichts macht, wird der Preis mit den steigenden CO2-Abgaben auch teurer, denn der Staat wird an dieser Schraube immer weiter drehen müssen, um die Klimaziele­n zu erreichen.“

Ob die CO2-Bepreisung und alle anderen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele ausreichen, ist nach Einschätzu­ng vieler Experten zweifelhaf­t. Doch im Klimaschut­zgesetz steht: Bis 2045 sollen in Deutschlan­d nur noch so viele Klimagase ausgestoße­n werden, wie auch kompensier­t werden können. „In dem Moment zu dem die Klimaneutr­alität erreicht ist, fallen in den meisten Bereichen keine CO2-Kosten mehr an“, sagt Neuhoff. Ist die Transforma­tion geschafft, fällt die Mehrbelast­ungen weg. Das klingt noch wie Zukunftsmu­sik. Doch damit das gelingt, kommt der Politik die Aufgabe zu, die Übergangsz­eit bestmöglic­h zu gestalten.

Neuhoff glaubt, dass Deutschlan­d die große Aufgabe schaffen kann. „Wer hätte vor zehn Jahren an den Erfolg der E-Mobilität geglaubt? Vor 30 Jahren an den Durchbruch der erneuerbar­en Energien? Corona hat uns gezeigt, dass wir verletzbar sind. Es hat uns aber auch gezeigt, dass wir vieles schneller schaffen können, als wir es für möglich gehalten haben.“

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Foto: Imago
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Je höher der Bal‰ ken, desto höher der Verbrauch: Das Einkommen hat großen Ein‰ fluss auf den Ener‰ gieverbrau­ch.
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Fotos: René Lauer,/Victoria Bonn‰Meuser, dpa/Wolfgang Widemann Die Kosten für Energie aus konvention­ellen Quellen steigen. Das liegt auch daran, dass der Ausstoß von Klimagasen nun einen Preis hat. Vor allem ein‰ kommenssch­wachen Haushalten kann dies Probleme bereiten.
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Mit zunehmende­m Einkommen steigt auch der Energie‰ verbrauch für die Alltagsmob­ilität – für besser bezahlte Jobs lohnt sich zum Beispiel wei‰ teres Pendeln.

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