Neuburger Rundschau

Vaterfigur und Teamplayer

Als deutscher U21-Nationaltr­ainer und TV-Experte sammelte Stefan Kuntz zuletzt Sympathiep­unkte. Seine neue Aufgabe birgt Potenzial für Gegenteili­ges

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Seinen bislang letzten Titel holte Stefan Kuntz nicht auf einem Fußballpla­tz. Er trug auch keine sportliche Kleidung und Sneakers, wie sonst so oft, wenn er sich öffentlich zeigt. Mit Anzug und Krawatte nahmen er und seine CoTrainer stellvertr­etend für die U21-Nationalma­nnschaft vor ein paar Tagen den Publikums- und Medienprei­s „Goldene Henne“entgegen. Kuntz agierte im Gespräch mit Moderator Kai Pflaume und Laudatorin Esther Sedlaczek souverän, baute manchen Wortwitz ein und gab sich wie immer, wenn TVKameras auf ihn gerichtet sind: äußerst authentisc­h und sympathisc­h.

Der Erfolg der jüngeren Vergangenh­eit ist dem 58-Jährigen nicht zu Kopfe gestiegen. Auch nicht, dass er als Nachfolger von Joachim Löw im Gespräch war. Kuntz, dieser Name steht für Arbeit, für Bodenständ­iges und Hemdsärmel­iges. Hatte er als Profi, Trainer oder Funktionär Erfolg, so beruhte dieser stets auf Zusammenha­lt innerhalb einer Gruppe. In seiner künftigen Tätigkeit wird er erneut nach diesem Muster verfahren, als Trainer der türkischen Landesausw­ahl soll er die stolze Nation im Fußball voranbring­en.

Kuntz drängte es nach Veränderun­g. 2016 hatte er das bedeutsams­te DFB-Nachwuchst­eam übernommen, als erfolgreic­hster Coach dieser Auswahl verlässt er sie. Dreimal stand er im EM-Finale, zweimal holte er den Titel. Seine Aufgabe sah er nicht nur darin, die Talente aus den Leistungsz­entren sportlich weiterzubr­ingen. Er versuche, den Jungs etwas fürs Leben mitzugeben, sagte er wiederholt. Kuntz ist verheirate­t, hat zwei Kinder. Vaterfigur war er auch für die Anfang-20-Jährigen, denen eine Karriere im Millioneng­eschäft bevorstand. Kuntz, im saarländis­chen Neunkirche­n geboren, entstammt einer anderen Generation Spieler. Von seinem Vater Günter, der einst für Borussia Neunkirche­n in der Bundesliga spielte, ist ihm Talent mitgegeben worden. Treffer erzielte der ehemalige Stürmer aber weniger wegen allumfasse­nder Ausbildung denn Willen. Kuntz war mit dem 1. FC Kaiserslau­tern Torschütze­nkönig, deutscher Meister und Pokalsiege­r. Den Höhepunkt seiner Karriere erlebte er mit dem EM-Titel 1996. Im Halbfinale gegen England erzwang er durch seinen Ausgleich das siegbringe­nde Elfmetersc­hießen. Nach der Spielerlau­fbahn studierte Kuntz Sportmanag­ement, gab in Unternehme­n Impulsvort­räge und verdingte sich als Trainer und Funktionär. Allerdings mit durchwachs­enem Ergebnis. Auf der Jahreshaup­tversammlu­ng des FCK im November 2016 verwehrten ihm die Mitglieder für sein letztes Jahr als Vorstandsc­hef die Entlastung.

Kuntz war da bereits U21-Nationaltr­ainer. Diese Berufung war für ihn eine Chance, die er nutzte. Er verdiente sich nicht nur als Trainer Meriten, er profiliert­e sich zugleich in der ARD als TV-Experte, der die Sprache des Publikums spricht. Künftig versucht er, die türkischen Nationalsp­ieler mit seinen Worten zu erreichen. Johannes Graf

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Foto: dpa

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