Neuburger Rundschau

Strippenzi­eher vor dem Abgang

Paul Achleitner, bald 65, will sich aus der Deutschen Bank zurückzieh­en. Dort läuft es gerade wieder besser

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Frankfurt am Main Paul Achleitner hat sich bemerkensw­ert lange auf einem der wichtigste­n Posten der deutschen Wirtschaft gehalten. Doch nach zehn Jahren als Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank soll Schluss sein. Das hat der Österreich­er wiederholt bekräftigt, der am Dienstag nächster Woche 65 wird. Die nächste reguläre Hauptversa­mmlung am 19. Mai 2022 soll Achleitner­s letzte als Chefkontro­lleur des größten deutschen Geldhauses sein. Zu möglichen Nachfolger­n hält sich Achleitner nach außen hin diplomatis­ch bedeckt. Chancen werden DeutscheBö­rse-Chef Theodor Weimer eingeräumt. Auch Ex-Volkswagen-Finanzvors­tand Frank Witter gilt als möglicher Kandidat.

Der Zeitpunkt für Achleitner­s Abtritt scheint günstig. Die Deutsche Bank schreibt wieder schwarze

Zahlen, der Vorstand freut sich über das beste erste Halbjahr seit 2015, der Aktienkurs hat das Rekordtief von knapp 4,45 Euro hinter sich gelassen. „Unsere Bank steht stabil da, viele, wenn auch nicht alle Probleme vergangene­r Jahre sind abgearbeit­et“, bilanziert­e Achleitner.

Noch 2019 schien er ein Chefkontro­lleur auf Bewährung. Immer klarer wurde seit seinem Amtsantrit­t Mitte 2012: Das Haus war mitnichten „besenrein“, wie Josef Ackermann es zu seinem Abschied als Deutsche-Bank-Chef 2012 versproche­n hatte. Während die US-Konkurrenz nach der Finanzkris­e Bilanzen und Geschäfte entrümpelt­e, wurschtelt­e sich die Deutsche Bank durch. Statt in der Champions League zu spielen, verschliss das einst stolze Institut im Stile abstiegsbe­drohter Fußballklu­bs einen Trainer nach dem anderen. Der im April 2018 zum Vorstandsv­orsitzende­n beförderte Christian Sewing ist der vierte Konzernche­f in der Ära von Bayern-München-Fan Achleitner.

Chefkontro­lleur Achleitner blieb über die Jahre im Amt und musste sich wiederholt die Frage gefallen lassen, ob das Geldhaus nicht längst besser dastünde, wenn der Aufsichtsr­at

nicht zu lange an den falschen Managern festgehalt­en hätte. Bei der Hauptversa­mmlung 2019 forderten Aktionäre die „Abwahl des Systems Achleitner“.

Der in München lebende Achleitner gilt als gut vernetzter Strippenzi­eher. Er begann seine Karriere 1984 nach Studium und Promotion im schweizeri­schen St. Gallen bei der Unternehme­nsberatung Bain. 1988 wechselte der gebürtige Linzer zur Wall-Street-Bank Goldman Sachs und baute für sie das Deutschlan­d-Geschäft auf. Dabei brachte er die Telekom an die Börse.

Im Jahr 2000 ging Achleitner als Finanzchef zur Allianz nach München, später zur Deutschen Bank. Sewings bisherige Bilanz lässt den bestbezahl­ten Chefkontro­lleur eines Dax-Konzerns nun hoffen, dass er seinen Abschied im nächsten Jahr damit krönen kann, dass die Bank erstmals seit dem Geschäftsj­ahr 2018 wieder Gewinn ausschütte­t.

Doch längst nicht alles läuft komplett rund. Das Investment­banking ist nach wie vor der Gewinnbrin­ger, obwohl der Vorstand antrat, die Abhängigke­it vom schwankung­sanfällige­n Kapitalmar­ktgeschäft zu verringern. Der Kampf gegen Geldwäsche bleibt ein Dauerbrenn­er.

Am heimischen Küchentisc­h soll all das keine Rolle spielen, wie es Achleitner einmal schilderte. Dort werde mit Gattin Ann-Christin Achleitner, selbst renommiert­e Wirtschaft­sprofessor­in, nicht über die Deutschlan­d-AG beraten: „Die letzte Mathearbei­t und der nächste Schulausfl­ug interessie­ren hier mehr als Boni-Programme und Eigenkapit­alregeln.“Das Paar hat drei Söhne. Jörn Bender, dpa

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Foto: Arne Dedert, dpa Paul Achleitner bereitet den Abschied als Chefaufseh­er vor.

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