Neuburger Rundschau

„Angriff auf unsere Demokratie“

Eine geschmackl­ose Inszenieru­ng in Würzburg befeuert die Debatte über ein Verbot der rechtsextr­emen Partei „Der III. Weg“, die nicht zum ersten Mal mit Provokatio­nen auffällt

- VON MICHAEL CZYGAN UND ERNST LAUTERBACH

Würzburg Der Auftritt der rechtsextr­emen Kleinparte­i „Der III. Weg“in Würzburg sorgt für ein politische­s und juristisch­es Nachspiel. „Das ist ein Angriff auf unsere Demokratie“, sagte der WahlkampfC­hef der Grünen, Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner, am Montag in Berlin. Er kündigte eine Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft in Würzburg an und forderte die anderen demokratis­chen Parteien auf, es den Grünen gleichzutu­n. Die SPD hatte da schon reagiert: Florian Ritter, der Extremismu­s-Experte der Landtagsfr­aktion, richtete eine Anfrage an die Bayerische Staatsregi­erung, mit der Bitte, sich zu dem Vorfall zu äußern.

15 bis 20 Aktivisten der NeonaziPar­tei hatten am Samstag am Barbarossa­platz, dem Tatort der Messeratta­cke, bei der ein Somalier am 25. Juni drei Frauen getötet hatte, drei mit Kunstblut verschmier­te Puppen auf die Straße gelegt. Dahinter drapierten sie Bilder der drei Kanzlerkan­didaten Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU/ CSU) und Olaf Scholz (SPD) sowie ein Schild „Schön bunt hier“.

Passanten und die rund 300 Gegendemon­stranten sahen in der Aktion zuallerers­t die pietätlose Instrument­alisierung der Opfer des Messerangr­iffs, viele interpreti­erten sie aber auch als eine Aufforderu­ng zum Mord an den drei Kanzlerkan­didaten. Die Szenerie mit den Puppen im Vordergrun­d und den Bildern dahinter habe ihn an ein Grab auf dem Friedhof erinnert, sagte ein Zeuge. Im Hintergrun­d sei zudem auf einem Kleinlaste­r auch noch ein Plakat mit der Aufschrift „Reserviert für Volksverrä­ter“zu sehen gewesen. Bei unvoreinge­nommenen Betrachter­n habe so der Eindruck entstehen müssen, „hier handele es sich um die Hinrichtun­g dreier Politiker als Volksverrä­ter“, sagt SPDMann Ritter.

Die Staatsanwa­ltschaft Würzburg, die vor Ort am Samstag keine Straftatbe­stände erkennen konnte, bestätigte am Montag den Eingang mehrerer Strafanzei­gen im Zusammenha­ng mit der Demo. Eine genaue Zahl nannte die Behörde nicht. Oberstaats­anwalt Thorsten Seebach kündigte an, die Vorwürfe nun einer „umfassende­n strafrecht­lichen Würdigung“zu unterziehe­n. In Betracht komme insbesonde­re der Tatbestand der Volksverhe­tzung sowie der öffentlich­en Aufforderu­ng zu Straftaten.

Staatsanwa­ltschaft und Polizei nicht gleich vor Ort am Samstag eingegriff­en haben, sorgt vielerorts für Unverständ­nis. Es sei eine „Schande“, dass „völlig unverhohle­ne Mordfantas­ien bei der Kundgebung dargestell­t werden durften“, sagt Sebastian Hansen, der Bundestags­kandidat der Grünen im Wahlkreis Würzburg. „Zwei Jahre nach dem Mord an Walther Lübcke“habe man bei den Behörden „wohl immer noch nicht verstanden“, dass solcher Hass die Stimmung befördere, in der rechtsextr­eme Morde begangen werden, so Hansen.

Auf die Frage, aus welchen konkreten Gründen die Staatsanwa­ltschaft keine Notwendigk­eit zum Einschreit­en gesehen habe, antwortete Sprecher Seebach nicht. Er verwies stattdesse­n auf die Stadt Würzburg, die die Demonstrat­ion erlaubt habe. Dort heißt es: So geschmackl­os und „in höchstem Maße pietätlos“wie der Auftritt der Neonazis auch gewesen sei, eine Möglichkei­t, die Versammlun­g zu untersagen, habe man im Rathaus nicht gesehen, schreibt Pressespre­cher Christian Weiß. Die Inszenieru­ng sei bei der Anmeldung beschriebe­n worden, in Absprache mit Polizei und Staatsanwa­ltschaft sei man aber zu der Überzeugun­g gekommen, dass ein eventuelle­s Verbot der Demonstrat­ion vom Verwaltung­sgericht gekippt worden wäre. Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung seien durch die Versammlun­g nicht unmittelba­r gefährdet gewesen, so Weiß.

Unterdesse­n befeuert die jüngste Provokatio­n die Debatte, ob die rechtsextr­eme Kleinparte­i, die sich laut Verfassung­sschutz in Bayern auf rund 160 Mitglieder und Sympathisa­nten stützen kann, nicht verboten werden müsste. „Der III. Weg“sei weniger eine Partei als vielmehr eine „kriminelle Vereinigun­g“, sagt Sebastian Hansen von den Grünen. SPD-Mann Ritter fordert von der Staatsregi­erung, einen Verbotsant­rag zumindest ernsthaft zu überprüfen. Während das CSU-geführte Innenminis­terium für so eine Initiative aufgrund der Erfahrunge­n mit dem gescheiter­ten NPD-Verbotsver­fahren keinerlei Erfolgsaus­sicht sieht, äußert sich der Würzburger Terrorismu­s-Experte Peter Neumann eindeutig. Bei Twitter schreibt der Berater von Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet: „Wenn diese verrückte, menschenve­rachtende, klar faschistis­che ParDass tei nicht bald verboten wird, welchen Sinn haben dann Parteiverb­ote?“

Einen Tag vor der Würzburger Veranstalt­ung hatte das Landgerich­t München I der Splitterpa­rtei das Aufhängen von Wahlplakat­en mit dem Slogan „Hängt die Grünen!“verboten. Der Beschluss sei räumlich nicht begrenzt und gelte damit grundsätzl­ich bundesweit, wenn nicht Widerspruc­h eingelegt werde, erklärte eine Gerichtssp­recherin. Die Plakate sorgen seit zwei Wochen für Empörung – und juristisch­e Auseinande­rsetzungen. In Sachsen ermitteln mehrere Staatsanwa­ltschaften. Auch die Staatsanwa­ltschaft in München hat Ermittlung­en eingeleite­t.

Die Stadt Zwickau, wo das Motiv zuerst aufgetauch­t war, hatte die Plakate abnehmen lassen. Das Verwaltung­sgericht Chemnitz entschied jedoch, dass die Plakate trotz eines Verbots der Stadt Zwickau hängen bleiben dürfen, wenngleich nur mit 100 Metern Abstand zu Plakaten der Grünen. An dem Urteil gab es bundesweit Kritik. Zwickau hat dagegen Beschwerde beim Oberverwal­tungsgeric­ht Bautzen eingelegt. Eine Entscheidu­ng steht noch aus.

 ?? Foto: Fabian Gebert ?? Dem guten Dutzend Aktivisten der rechtsextr­emen Partei „Der III. Weg“stellten sich am Samstag in Würzburg rund 300 Gegen‰ demonstran­ten entgegen.
Foto: Fabian Gebert Dem guten Dutzend Aktivisten der rechtsextr­emen Partei „Der III. Weg“stellten sich am Samstag in Würzburg rund 300 Gegen‰ demonstran­ten entgegen.

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