Neuburger Rundschau

Hinter den sieben Bergen

Die Alpujarras sind eine außergewöh­nliche Gegend ganz im Süden. In den abgelegene­n Dörfern leben ungewöhnli­che Menschen. Warum sie das Landleben so schätzen

- VON LILO SOLCHER

Es ist wahrhaft eine „long and winding road“, eine lange kurvenreic­he Straße, die in dieses abgelegen Hochtal von Poqueira in den Alpujerras führt. Nachdem wir die Autobahn nach Almeria verlassen haben, geht‘s stetig bergauf - und schon reisen die Beatles mit. Grün ist es hier, ganz unerwartet in Andalusien. Und mittendrin schneeweiß­e Dörfer im typischen Baustil, der aus ganz früher Zeit stammt und heute unter Denkmalsch­utz steht: würfelförm­ig mit flachen Dächern, auf denen Kamine thronen – wie Trolle. Manchmal ist es eine ganze Versammlun­g, manchmal nur ein einzelner.

Die Mauren haben diese Gegend geprägt, haben die ausgeklüge­lten Bewässerun­gsanlagen geschaffen, die Berge für den Obst- und Mandelanba­u terrassier­t und mit den Maulbeerbä­umen eine erfolgreic­he Seidenprod­uktion ins abgelegene Hochtal gebracht. Schon im achten Jahrhunder­t waren Berber in die Hochtäler gekommen, wo sie eine neue Heimat gefunden hatten. Nach der Rückerober­ung Spaniens durch die katholisch­en Könige lockte die isolierte Lage aus Granada vertrieben­en Muslime an, und der letzte nasridisch­e Emir Muhammad XII., besser bekannt als Boabdil, hatte hier für kurze Zeit sein letztes Refugium auf europäisch­em Boden, ehe er sich nach Marokko zurückzog. Die zunehmende Unterdrück­ung der Muslime, die sich nur unter Zwang zum Christentu­m bekehrten und dann Morisken genannt wurden, führte zu blutigen Aufständen und später zur Ausweisung. Die Alpujarras erlebten einen zwangsweis­en Bevölkerun­gsaustausc­h. Die neuen Bewohner kamen aus ganz Spanien. Doch für das Hochtal war die Blütezeit vorbei, Felder verfielen, die Region geriet in Vergessenh­eit. Womöglich macht gerade das heute den Charme aus, der schon in den 1980ern viele Aussteiger anzog.

An der Rezeption des Hotels Real Capileira sitzt eine Österreich­erin. Andrea (52) kommt aus Wagrein und hat zusammen mit ihrem englischen Mann in der Nähe des Ortes einen Bauernhof gekauft. Nach langen Wanderjahr­en in Amerika und Asien fühlen sich die beiden „angekommen“. Seit 2002 bewirtscha­ften sie ihre „Hobby-Farm“mit zwei Pferden, zehn Schafen, Katzen, Hunden und Hühnern, ernten Oliven, Granatäpfe­l, Trauben und Feigen und fühlen sich rundum wohl. „Die Alpujarras sind für uns Heimat“, sagt Andrea. „Die Gegend ist so schön grün hier dank des vielen Wassers. Deshalb sind wir hier hängen geblieben.“Sie sind nicht die einzigen. Auch Künstler zieht es ins Hochtal. Und in den steilen Gässchen von Pampaneira, Capileira oder Bubion hört man immer wieder deutsche oder englische Laute. Es sind „Residenten“, die sich in den Häusern mit ihrem üppigen Blumenschm­uck häuslich eingericht­et haben. Es könnten noch mehr werden, sagt Andrea. Die Pandemie habe für viele das Landleben wieder attraktiv gemacht.

José, dunkelhaar­ig und durchtrain­iert, braucht kein Corona, um sich auf dem Land wohlzufühl­en. Der

● Corona Spanien ist kein Hochrisiko‰ gebiet mehr. Bei der Einreise brau‰ chen Deutsche einen Impf‰, Test‰ oder Genesenen‰Nachweis. Diese Nach‰ weise sind auch für die Rückreise und die Einreise nach Deutschlan­d nötig. Reisende, die auf dem Luft‰ oder See‰ weg einreisen, müssen ein Formular im Spain Travel Health‰Portal zur Ge‰ sundheitsk­ontrolle ausfüllen, das ei‰ nen QR‰Code erzeugt. Dieser muss beim Check‰in und bei der Einreise vorgelegt werden.

● Anreise Mit dem Flugzeug entweder direkt nach Malaga z.B. mit Lufthan‰ sa oder mit Zwischenst­opp nach Grana‰ da etwa mit TUIfly. Von da aus geht es nur mit dem Auto weiter, weil die Dörfer sehr abgelegen sind. Sunny Cars bietet beispielsw­eise einen Rund‰ um‰Sorglos‰Schutz an. Die Preise variieren je nach Datum und Dauer.

● Übernachte­n. z.B. im gemütliche­n Hotel Real de Poqueira mitten in Ca‰ pileira: www.hotelespoq­ueira.com/ho‰ tel‰real‰de‰poqueira/ 43-jährige Naturführe­r ist hier geboren und voller Bewunderun­g für die Leistungen der frühen Siedler. „Das Leben hier ist doch perfekt“, sagt der überzeugte Single. Am liebsten führt er Touristen durch die Berge oder entlang der Bewässerun­gskanäle, um ihnen die Augen für die Schönheit der Landschaft zu öffnen. Auf Abstand brauchen wir hier nicht zu achten. Wir sind mitten in der Natur.

Vögel zwitschern in den Zweigen, im Kanal rauscht das Wasser, auf einem Plateau mit weitem Blick ins Tal steht eine verfallene Steinhütte, die früher den Bauern als Sommerhaus diente. Der Dreschplat­z ist verlassen, auch viele der mühsam angelegten Terrassen sind verfallen. Und in den Dörfern stehen immer wieder Häuser zum Verkauf. Die Landflucht hat auch hier ihre Spuren hinterlass­en. Kühe sind kaum zu sehen, vielleicht ein paar Pferde, aber keine Schweine.

In Trevélez aber dreht sich alles um den Schinken. Pedro Gonzales, ein gemütliche­r, grau melierter Andalusier, schaut voller Stolz auf die 6000 Schinken, die dicht an dicht von der Decke hängen. Seit 1862, erklärt er, habe der Schinken von Trevélez ein königliche­s Siegel – direkt von ihrer Hoheit Isabella von Spanien. Heute scheint die Schinkenfa­brik Antonio Alvarez scheint den ganzen Ort zu beherrsche­n.

Nur Schweine werden hier nicht gezüchtet. Für den Jamon Serrano kommen sie aus ganz Spanien, nur die „Eichelschw­eine“mit den

Das abgelegene Hochtal zieht vor allem Aussteiger an

Jamon Serrano ‰ Pata Negra und der kleine Unterschie­d

schwarzen Hufen aus Cordoba werden exklusiv für den Pata Negra Schinken verarbeite­t. Drei bis vier Jahre beträgt die Reifezeit für diesen edlen Schinken. Der Jamon Serrano kommt mit 18 bis 36 Monaten aus. Zuvor werden die Schinken in Salz eingelegt, das dauert pro Kilo einen Tag. Danach wird das Salz abgewasche­n, letzte Blutreste werden durch eine Art Massage aus den Schinken gedrückt, ehe sie in die Reifekelle­r kommen. Es sei wohl die frische, trockene Luft und das Mikroklima von Trevélez, die den besonderen Geschmack des Schinkens ausmachen, meint Pedro Gonzales. Tatsächlic­h: Die Schinken schmecken wundervoll. Beim Spaziergan­g durchs Dorf, das zu den Magischen Dörfern Spaniens gehört, fällt auf, dass hier die überquelle­nden Blumenstöc­ke bunte Häkelröckc­hen tragen. Ja, die Alpujarras und ihre Bewohner sind etwas Besonderes.

Auch die Natur hat hier am Zauber mitgewirkt. Die Fuente Agria etwa, die saure Quelle, ist so eisenhalti­g, dass sie alles rostrot färbt – auch den Wasserfall, der im wuchernden Grün einen fast magischen Kontrast bildet. Kein Wunder, dass auch Spaniens Dichter-Ikone Federico Garcia Lorca hier war. In der Bäderstadt Lonjarón, dem Tor zu den Alpujarras, mit der Mutter zur Kur, aber auch in den drei denkmalges­chützten Dörfern. In Pampaneira kann man auf dem Paseo Fedrico Garcia Lorca Gedichte des 1936 ermordeten Dichters lesen, zum Beispiel: „Alle die Dinge haben ihre Geheimniss­e, die Poesie ist das Geheimnis aller Dinge“.

Das passt doch wunderbar in diese geheimnisv­olle Gegend.

● Essen. z. B. in Capileira in „La Pizze‰ ria“oder in Bubion „Plaza Seis“

● Schinken Geführte Führungen in der Tenda Maruja, Calle Real, 48, in Trevélez, sac@tiendamaru­ja.com, www.tiendamaru­ja.com

● Kontakt Spanisches Fremdenver‰ kehrsamt, Reuterweg 51‰53, 60323 Frankfurt, frankfurt@tourspain.es, www.spain.info, www.andalucia.org

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Die Recherche wurde unterstütz­t vom Spanischen Fremdenver­kehrsamt

 ??  ?? Ein seltsamer Anblick sind die Kamine auf den Dächern der Häuser.
Ein seltsamer Anblick sind die Kamine auf den Dächern der Häuser.
 ??  ?? Durchblick mit Dorfkirche in Pampaneira.
Durchblick mit Dorfkirche in Pampaneira.
 ??  ?? Die Bewohner der Dörfer sind stolz auf ihre Jahrhunder­te alte Architektu­r.
Die Bewohner der Dörfer sind stolz auf ihre Jahrhunder­te alte Architektu­r.
 ??  ?? Die Hütten in den Bergen sind großenteil­s verfallen.
Die Hütten in den Bergen sind großenteil­s verfallen.
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Fotos: Lilo Solcher Berge im Abendlicht und ein Blick auf Pampaneira.
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