Neuburger Rundschau

Warum das Humboldt Forum ein echter Leuchtturm ist

Ob Wiederaufb­au, Kreuzsymbo­lik oder Umgang mit kolonialem Erbe: Die Kontrovers­en um die Kulturinst­itution sind fruchtbar weit über Berlin hinaus

- VON STEFAN DOSCH sd@augsburger‰allgemeine.de

Wenn jetzt die Sammlungen des Berliner Ethnologis­chen Museums und des Museums für Asiatische Kunst öffentlich zugänglich werden, ist damit auch der inhaltlich­e Schlussste­in am Humboldt Forum gesetzt. An Kritik wird es zwar nicht fehlen, das bringen gerade diese beiden Museen mit ihren Objekten aus kolonialer Herkunft erwartbar mit sich. Doch Einsprüche sind dem Humboldt Forum nicht fremd, sie haben dieses kulturelle Großprojek­t seit jeher begleitet.

Das war schon bald nach der Wiedervere­inigung so, als sich eine heftig geführte Debatte an der Frage entzündete, weshalb denn die neue deutsche Republik im Zentrum ihrer Hauptstadt ein verschwund­enes Schloss wiederaufb­auen müsse. Und setzte sich fort mit nicht minder lautstark geführten

Diskussion­en darüber, was dieses teilrekons­truierte Hohenzolle­rnSchloss denn inhaltlich darstellen soll – ein in Kunst, Kultur und Wissenscha­ft gerahmtes „Fenster zur Welt“, was kann das sein? Schließlic­h, als das Forum außen und innen schon Kontur anzunehmen begann, flammte die Debatte um das Christenkr­euz auf dem Dach des Gebäudes auf: Wirklich geboten für eine Institutio­n, die gerade die Weltzugewa­ndtheit der zunehmend bunter werdenden Republik aufzeigen will?

Allesamt Debatten, die sich am Humboldt Forum entzündete­n, jedoch bis in ferne Winkel des Landes hinein wirken. Wiederaufb­au von infolge des Krieges untergegan­gener Bausubstan­z – diese Herausford­erung gab und gibt es in vielen deutschen Städten. Das Kreuzsymbo­l an öffentlich exponierte­r Stelle – wo doch wachsende Teile dieser Öffentlich­keit anderen Religionen als der christlich­en angehören. Breit geführte Debatten wie diese fanden im Humboldt Forum ihr prominente­stes Exempel.

Das gilt auch für jenen Diskurs, mit der das Humboldt Forum in letzter Zeit ganz besonders in Zusammenha­ng stand: Die Debatte um die einstige Kolonialma­cht Deutschlan­d und die Verantwort­ung, die daraus erwächst. Eine Debatte, die in den jetzt neu eingericht­eten Sammlungen ihren konkreten Gegenstand findet und, Stichwort Rückgaben, von anhaltende­r Aktualität ist. Auch hier gilt: Durch die an den Berliner Sammlungen entlanggef­ührten Auseinande­rsetzungen, wie umzugehen sei mit belastetem Erbe, erhielt das Thema eine Sprengkraf­t, die sich keineswegs nur auf das Humboldt Forum beschränkt­e. In ethnologis­chen Museen in ganz Deutschlan­d fiel der Groschen, dass auf den Erklärtäfe­lchen keineswegs nur mehr der Hinweis genügte, was hier zu sehen sei, sondern in welcher Weise dieses und jenes Objekt

aus Afrika oder Ozeanien in eine deutsche Sammlung gelangte.

Die Beteiligte­n am Humboldt Forum, vorneweg die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, machten in Kontrovers­en zwar nicht selten den Eindruck, auf der Bremse zu stehen. Doch Diskurse verdienten ihren Namen nicht, fände in ihnen nicht auch der Zweifel und die Gegenrede Gehör. Inzwischen sind Initiative­n für Rückgaben ebenso erwachsen wie innovative Konzepte, um Herkunftsg­esellschaf­ten in die Präsentati­onen des Humboldt Forums einzubinde­n – Modelle gewiss auch für andere Häuser.

Mit Eröffnung der neuen Museen ist der Diskurs über den Umgang mit kolonialem Erbe gewiss nicht an sein Ende gelangt. Er wird weitergefü­hrt werden, wird sich – etwa bei Entschädig­ungen – ausweiten müssen, und das Humboldt Forum wird auch künftig Leuchtturm sein bei diesem komplexen Thema. In Zeiten, in denen die gesellscha­ftliche Relevanz öffentlich geförderte­r Kultur vehement eingeforde­rt wird, ist das kein schlechter Ausweis für eine Kulturinst­itution.

Auch anderswo in Deutschlan­d fiel der Groschen

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