Neuburger Rundschau

„Rot‰Rot‰Grün würde unser Land isolieren“

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt verschärft wenige Tage vor der Wahl den Ton und warnt vor einem Linksbündn­is. Eine solche Koalition sei ein Tabubruch und ein Angriff auf die Mitte der Gesellscha­ft

- Interview: Christian Grimm und Stefan Lange

Dobrindt, die Wahlkampag­ne der Union konzentrie­rt sich auf die Warnung vor einem Linksbündn­is. Hand aufs Herz: Was ist denn so gefährlich an Rot-Rot-Grün? Alexander Dobrindt: Ein Linksbündn­is ist kein Phantom, sondern eine reale Gefahr. Sowohl Olaf Scholz als auch Annalena Baerbock und die Linksparte­i werben ganz offen dafür. Ein solches Bündnis steht für Steuererhö­hungen, Schulden, Bevormundu­ng, Unfreiheit und internatio­nale Isolation. Der wirtschaft­liche Abschwung wäre vorprogram­miert. Rot-Rot-Grün ist nichts anderes als ein Angriff auf die Mitte der Gesellscha­ft.

Sie haben acht Jahre mit der SPD regiert. Gerhard Schröder hatte zuvor die Hartz-IV-Reformen auf den Weg gebracht, von denen auch viele Unions-Leute sagen, dass das gut gemacht war. So richtig sozialisti­sch kann es also mit der SPD nicht gewesen sein? Dobrindt: Die SPD braucht die Obhut der Union, um nicht auf politische Abwege zu geraten. Olaf Scholz wirbt gerade aktiv für eine Schuldenve­rgemeinsch­aftung und für eine Vergemeins­chaftung der Sozialvers­icherungen in Europa. Er will die Beiträge der deutschen Arbeitnehm­er zur Arbeitslos­enversiche­rung in Brüssel auf den Spieltisch legen. Das soll Arbeitslos­igkeit in anderen Ländern der EU finanziere­n. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Beiträge bei uns steigen werden. Scholz erklärt auch offensiv, dass er sich von den Reformen der Schröder-Jahre verabschie­den will. Die SPD hat heute ein rückwärtsg­ewandtes Programm. Scholz hat offensicht­lich keine Verwandtsc­haft mit Schröder, sondern eine innige Beziehung mit Oskar Lafontaine.

Internatio­nal und in Europa driften gerade vielen Regierunge­n sehr nach rechts. Da wäre ein linkes Bündnis in Deutschlan­d doch mal ein Signal? Dobrindt: Die Beteiligun­g der Linken an einer Bundesregi­erung wäre ein fatales Signal in die Welt. Mit Rot-Rot-Grün werden wir Partner in der Welt verlieren. Unsere Bündnisfäh­igkeit wird damit infrage gestellt. Da geht es nicht nur um die Nato, da geht es auch um die wirtschaft­liche Zusammenar­beit und die ökonomisch­en Verflechtu­ngen in Europa. Rot-Rot-Grün würde unser Land wirtschaft­lich und politisch isolieren, solch ein Bündnis wird im Ausland schon jetzt als antieuropä­isches, europagefä­hrdendes Projekt wahrgenomm­en.

Die CSU hat die Parole ausgegeben, dass nur der erste Platz zählt. Sie vergeben sich damit doch gegebenenf­alls die Chance, mitzuregie­ren und die SPD aktiv zu kontrollie­ren? Die SPD hat Ihnen immerhin das Finanzmini­sterium, ein Schlüsselm­inisterium, abgeluchst. Man kann also auch als Zweiter gut mitspielen?

Dobrindt: Mir fehlt derzeit die Fantasie, wie eine zweitplatz­ierte Union in Deutschlan­d Regierungs­verantwort­ung übernehmen soll. CDU und CSU müssen den Anspruch haben, das Kanzleramt zu erreichen. Der Anspruch der CDU auf das Kanzleramt war übrigens auch das Argument der CDU gegen eine Kanzlerkan­didatur von Markus Söder. An diesem Anspruch muss jetzt zwingend festgehalt­en werden. Ich halte in der Schlusspha­se eines Wahlkampfe­s jegliche Koalitions­spiele mit einer zweitplatz­ierten Union für nicht hilfreich. Die Union muss auf Sieg setzen und nicht auf Platz.

Armin Laschet hat gerade gesagt, am Ende zähle, wer die Mehrheit für den Kanzler zusammenbe­komme. Also am Ende doch eine von der Union angeHerr führte Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen?

Dobrindt: Die FDP versucht die Illusion aufzubauen, dass man mit einer zweitplatz­ierten Union unter Beteiligun­g der Grünen eine Regierung bilden könnte. Das scheint mir mehr von der Idee getrieben zu sein, Wähler von der CDU/CSU zur FDP ziehen zu wollen als eine echte Regierungs­beteiligun­g mit der Union zu organisier­en. Ich halte das für einen strategisc­hen Trick der FDP, der am Schluss eine linke Koalition von SPD und Grünen mit gelben Sprossen drin befördern soll. Es wird kein Jamaika-Bündnis geben, wenn die Union nicht vor der SPD liegt.

Was kann in den letzten Tagen bis zur Wahl noch helfen, damit Laschet und die Union an Scholz und seiner SPD vorbeizieh­en?

Dobrindt: Klare Kante und harte Kontrovers­e. Olaf Scholz will in der SPD-Zentrale eine Statue von sich neben der von Willy Brandt. Und die bekommt er nur mit Rot-Rot

Grün. Er will die Fehler von Schröder und Lafontaine korrigiere­n und das linke Lager wieder koalitions­fähig machen. Wir müssen diese unheilige Koalition inhaltlich angreifen und dabei auch deutlich machen, dass es ein Tabubruch in Deutschlan­d ist, auf Bundeseben­e mit den Erben der SED gemeinsame Sache zu machen. Ich will mir nicht vorstellen, dass in Deutschlan­d wieder Kommuniste­n mit am Regierungs­tisch sitzen.

Sie wollen die Wirtschaft und die mittleren Einkommen entlasten. Gleichzeit­ig sprechen sich CDU und CSU für finanzpoli­tische Solidität aus und wollen schnell zurück zur Schuldenbr­emse. Aber wie soll das zusammenge­hen? Wenn man die Verschuldu­ng zurückfähr­t und gleichzeit­ig Steuern senkt – wer bezahlt dann den Staat? Dobrindt: Es geht um Wachstum und neue Dynamik. Neue Steuerkraf­t erhält man nur mit einer wettbewerb­sfähigen Wirtschaft, einem starken Mittelstan­d und der Bereitscha­ft, in wichtigen Bereichen einseitige Abhängigke­iten von anderen zu reduzieren und wieder souveräner zu werden. Souveränit­ät wird die große Aufgabe in den kommenden Jahren. Deshalb wollen wir auch eine Souveränit­ätsagenda für Deutschlan­d und Europa umsetzen und neben Forschung und Entwicklun­g auch Produktion­en in Deutschlan­d und Europa wieder stärken. Es muss diese einseitige Abhängigke­it zu einer einzigen Region auf der Welt wieder reduziert werden. Das alles zusammen schafft Wachstum, höhere Steuereinn­ahmen und gesunde Haushalte. Wachstum und Dynamik erzeugt man mit Entlastung­en und nicht mit neuen Belastunge­n. Steuererhö­hungen verhindern wirtschaft­liche Dynamik.

In einer Umfrage für unsere Redaktion haben zwei von drei Wählern gesagt, Markus Söder habe Laschet nicht richtig unterstütz­t in den vergangene­n Monaten. Hat die CSU einen Anteil daran, dass die Union gerade schlecht dasteht?

Dobrindt: Wir haben auf unserem Parteitag gezeigt, dass die CSU geschlosse­n und entschloss­en hinter Armin Laschet steht. Wir haben dort die Trendwende eingeläute­t und noch einmal richtig Schwung in die heiße Wahlkampfp­hase gebracht. Jetzt geht es darum, mit Motivation und Mobilisier­ung die Schlusspha­se des Wahlkampfe­s zu bestreiten.

Haben Sie in Ihrer langen Karriere überhaupt schon mal eine so spannende Wahl erlebt? Und wo werden Sie sie erleben?

Dobrindt: Ich bin am Wahlabend in Berlin. Was die andere Frage angeht: Ich kann mich noch sehr gut an die Wahl 2002 erinnern. Edmund Stoiber war Kanzlerkan­didat. Der Wahlabend war ein echtes Wechselbad der Gefühle: Um 18 Uhr war Edmund Stoiber Bundeskanz­ler, um 22 Uhr war die Union in der Opposition. Am Ende fehlten 6000 Stimmen für den Sieg. Deswegen ist die Schlussmob­ilisierung so wichtig. Auch dieses Mal wird es ein Fotofinish geben. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir uns am Sonntag auf einen sehr langen Wahlabend einstellen müssen.

● Alexander Dobrindt, 51, ist in Peißenberg geboren und studierte Soziologie in München. Dobrindt sitzt für die CSU seit 2002 im Bundes‰ tag, war Verkehrsmi­nister von 2013 bis 2017 und leitet seitdem die CSU‰Landesgrup­pe.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Mag sich vom Anspruch der Union auf das Kanzleramt nicht verabschie­den: CSU‰Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt warnt vor einem Linksbündn­is in Deutschlan­d.

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