Neuburger Rundschau

Spaß oder strafbar? Die Grenzen des Wahlkampfs

Zerstörte Plakate gibt es aktuell an jeder Ecke: Ein Anwalt schätzt ein, welche Fälle vor Gericht gehören

- VON SOPHIA HUBER

Augsburg/München An jeder Straßeneck­e blicken sie einen an: Politikeri­nnen und Politiker auf Wahlplakat­en. Doch bei manchen Plakaten muss man doch zweimal hinschauen. Teufelshör­ner, Ziegenbart, wilde Schmierere­ien und Kratzer „verzieren“die Gesichter von Annalena Baerbock, Armin Laschet, Hubert Aiwanger und vielen weiteren. Harmlose „Späße“im Wahlkampfa­lltag, für den keinerlei Konsequenz­en zu erwarten sind? Nicht immer, sagt der Münchner Strafrecht­sexperte Alexander Betz und erklärt, welche Fälle strafrecht­lich relevant sind und welche er als Bagatelle einstufen würde.

Im Fall von Hubert Aiwangers Clownsnase plädiert Jurist Betz eindeutig auf Freispruch: „Solange der Aufkleber das Erscheinun­gsbild nur vorübergeh­end verändert – sprich sich ohne Beschädigu­ng des Plakates entfernen lässt – ist das kein Straftatbe­stand.“Hinterläss­t die Nase allerdings bleibende Schäden auf dem Plakat, könnte das schon wieder anders aussehen.

Hier lässt sich vor allem über den

Inhalt der Verunstalt­ung diskutiere­n. Auf dem Gesicht der AfD-Abgeordnet­en Beatrix von Storch prangt ein Aufkleber mit der Aufschrift „Nazis töten“. Der Aufkleber gehört zur Wahlwerbun­g der Satire-Partei ’Die Partei’. „Die Aussage auf diesem Aufkleber ist wahr und keine Verleumdun­g“, sagt

Betz. Auch das Verwaltung­sgericht Chemnitz hat entschiede­n: Der Satz „Nazis töten“ist kein Verstoß gegen die öffentlich­e Sicherheit. Erfolgreic­h anzeigen könnte man höchstens eine direkte Aufforderu­ng, beispielsw­eise „Nazis töten!“oder „Hängt die Grünen!“. Letzteres wurde kürzlich von der rechtsextr­emen Partei „Der Dritte Weg“auch in Bayern auf Plakate gedruckt, später jedoch gerichtlic­h verboten. „Klug gemacht“, findet Betz den Aufkleber der Partei ’Die Partei’. „Diese Meinungsäu­ßerung könnte höchstens als Sachbeschä­digung eingestuft werden, sollte der Aufkleber nicht vom Plakat abgehen.“

„Zweifelsfr­ei trifft beim Olaf Scholz-Plakat der Paragraf 303 des Strafgeset­zbuches zu“, erklärt der Anwalt. Darin steht: „Wer rechtswidr­ig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitss­trafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“Auch das Loch im Grünen-Plakat mit Claudia Roth würde Betz als mutwillige­s Beschädige­n einschätze­n: „Ob das Plakat nur ein bisschen abgepult oder komplett herunterge­rissen ist, macht beim Strafmaß einen Unterschie­d.“

Eindeutig strafbar mit einer Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren ist die Schmierere­i auf dem Plakat von Armin Laschet, auf dessen Stirn ein Hakenkreuz gemalt wurde. „Neben der Sachbeschä­digung kommt hier das Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Vereinigun­gen hinzu“, sagt Betz.

„Das Plakat der Freien Wähler wurde eindeutig herunterge­treten“, sagt der Anwalt, der selbst in der Kommunalpo­litik tätig ist. „Ich kenne aber keine Partei, die solche Fälle von Sachbeschä­digung anzeigt. Das sind Kollateral­schäden, die bei jedem Wahlkampf mit einberechn­et werden.“

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Auch bei dieser Wahl ist keine Partei von der Zerstörung der Wahlplakat­e verschont.
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Fotos: Sophia Huber (5), Andreas Dengler (1)
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