Spaß oder strafbar? Die Grenzen des Wahlkampfs
Zerstörte Plakate gibt es aktuell an jeder Ecke: Ein Anwalt schätzt ein, welche Fälle vor Gericht gehören
Augsburg/München An jeder Straßenecke blicken sie einen an: Politikerinnen und Politiker auf Wahlplakaten. Doch bei manchen Plakaten muss man doch zweimal hinschauen. Teufelshörner, Ziegenbart, wilde Schmierereien und Kratzer „verzieren“die Gesichter von Annalena Baerbock, Armin Laschet, Hubert Aiwanger und vielen weiteren. Harmlose „Späße“im Wahlkampfalltag, für den keinerlei Konsequenzen zu erwarten sind? Nicht immer, sagt der Münchner Strafrechtsexperte Alexander Betz und erklärt, welche Fälle strafrechtlich relevant sind und welche er als Bagatelle einstufen würde.
Im Fall von Hubert Aiwangers Clownsnase plädiert Jurist Betz eindeutig auf Freispruch: „Solange der Aufkleber das Erscheinungsbild nur vorübergehend verändert – sprich sich ohne Beschädigung des Plakates entfernen lässt – ist das kein Straftatbestand.“Hinterlässt die Nase allerdings bleibende Schäden auf dem Plakat, könnte das schon wieder anders aussehen.
Hier lässt sich vor allem über den
Inhalt der Verunstaltung diskutieren. Auf dem Gesicht der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch prangt ein Aufkleber mit der Aufschrift „Nazis töten“. Der Aufkleber gehört zur Wahlwerbung der Satire-Partei ’Die Partei’. „Die Aussage auf diesem Aufkleber ist wahr und keine Verleumdung“, sagt
Betz. Auch das Verwaltungsgericht Chemnitz hat entschieden: Der Satz „Nazis töten“ist kein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit. Erfolgreich anzeigen könnte man höchstens eine direkte Aufforderung, beispielsweise „Nazis töten!“oder „Hängt die Grünen!“. Letzteres wurde kürzlich von der rechtsextremen Partei „Der Dritte Weg“auch in Bayern auf Plakate gedruckt, später jedoch gerichtlich verboten. „Klug gemacht“, findet Betz den Aufkleber der Partei ’Die Partei’. „Diese Meinungsäußerung könnte höchstens als Sachbeschädigung eingestuft werden, sollte der Aufkleber nicht vom Plakat abgehen.“
„Zweifelsfrei trifft beim Olaf Scholz-Plakat der Paragraf 303 des Strafgesetzbuches zu“, erklärt der Anwalt. Darin steht: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“Auch das Loch im Grünen-Plakat mit Claudia Roth würde Betz als mutwilliges Beschädigen einschätzen: „Ob das Plakat nur ein bisschen abgepult oder komplett heruntergerissen ist, macht beim Strafmaß einen Unterschied.“
Eindeutig strafbar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren ist die Schmiererei auf dem Plakat von Armin Laschet, auf dessen Stirn ein Hakenkreuz gemalt wurde. „Neben der Sachbeschädigung kommt hier das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Vereinigungen hinzu“, sagt Betz.
„Das Plakat der Freien Wähler wurde eindeutig heruntergetreten“, sagt der Anwalt, der selbst in der Kommunalpolitik tätig ist. „Ich kenne aber keine Partei, die solche Fälle von Sachbeschädigung anzeigt. Das sind Kollateralschäden, die bei jedem Wahlkampf mit einberechnet werden.“