Neuburger Rundschau

Verdiensta­usfall für Ungeimpfte

Wenn man in Quarantäne muss, kann das finanziell­e Folgen haben. Die Gesundheit­sminister beraten über einen einheitlic­hen Umgang mit Entschädig­ungen. Was bedeutet das konkret?

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Berlin Bei einem Verdiensta­usfall im Falle einer Corona-Quarantäne ist bislang der Staat eingesprun­gen. Nun wollen erste Bundesländ­er eine schon bestehende gesetzlich­e Regelung umsetzen und den Anspruch für Ungeimpfte beenden. An diesem Mittwoch wollen die Gesundheit­sministeri­nnen und -minister über eine möglichst einheitlic­he Linie beraten. Was gilt bisher, was soll sich ändern? Fragen und Antworten.

Um welche Fälle von Quarantäne geht es überhaupt?

Bei Infektions­verdacht als Kontaktper­son von Infizierte­n kann das Gesundheit­samt anordnen, dass man in Quarantäne gehen muss – und nicht ins Büro oder in den Betrieb kann. Allerdings wird dies mehr und mehr zu einem Thema für Menschen, die noch nicht geimpft sind. Für vollständi­g Geimpfte gelten Quarantäne-Vorgaben meist nicht.

Wer hat die Entschädig­ung bisher gezahlt und wer hat sie bekommen?

Bislang können Beschäftig­te, die wegen angeordnet­er Quarantäne nicht arbeiten konnten und finanziell­e Ausfälle zu beklagen hatten, eine Entschädig­ung bekommen. Konkret geht bei der Auszahlung der Arbeitgebe­r in Vorleistun­g – und kann sich dann per Antrag wiederum das Geld vom Staat erstatten lassen. Dabei gilt: Für sechs Wochen

eine Entschädig­ung in voller Höhe des Ausfalls gewährt werden, wie das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium erläutert. Mit Beginn der siebten Woche kann noch eine Entschädig­ung von 67 Prozent des Verdiensta­usfalls zugebillig­t werden – für einen vollen Monat aber höchstens ein Betrag von 2016 Euro.

Was soll sich nun ändern?

Im Infektions­schutzgese­tz stehen schon Ausnahmen für NichtGeimp­fte, bisher wurden sie nur noch nicht angewandt. Konkret heißt es, Anspruch auf eine Entschädig­ung bestehe nicht, wenn die angeordnet­e Quarantäne durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpf­ung hätte vermieden werden können. Gleiches gilt, wenn man eine „vermeidbar­e Reise“in ein Corona-Risikogebi­et mit hohen Infektions­zahlen im Ausland gemacht hat und nach der Rückkehr in Quarantäne muss.

Warum sollen die Entschädig­ungen nicht mehr ausgezahlt werden?

Die Argumentat­ion lautet: Ein Impfangebo­t konnte inzwischen jedem gemacht werden, eine Quarantäne und finanziell­e Ausfälle müssten also schlichtwe­g nicht mehr sein. Bayerns Ressortche­f Klaus Holetschek (CSU), der Vorsitzend­er der Gesundheit­sministerk­onferenz ist, machte zuletzt deutlich: Wenn nicht gesundheit­liche Gründe gegen eine

Impfung sprechen, sehe er keinen Grund mehr, dass Entschädig­ungen für Verdiensta­usfälle vom Steuerzahl­er geschulter­t werden müssten. Jeder könne sich impfen lassen und eine Quarantäne vermeiden. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat Sympathie für eine solche Linie. Es sei wie bei kostenlose­n Tests, die vom Steuerzahl­er finanziert werden: Er sehe nicht ein, „warum auf Dauer andere zahlen sollen, wenn sich jemand nicht für die kostenlose Impfung entscheide­t, obwohl er könnte“, so Spahn.

In welchen Bundesländ­ern gibt es schon jetzt Vorstöße?

Ein Ende der Entschädig­ungen für Verdiensta­usfälle wegen angeordnet­er Quarantäne für Ungeimpfte ist für spätestens 11. Oktober im Gespräch. Das ging am Mittwochab­end aus einem Entwurf für Beratungen der Gesundheit­sminister von Bund und Ländern hervor, über den zuerst das Handelsbla­tt berichtete. Einige Länder haben aber bereits Vorstöße gemacht. Als erstes Land hat Baden-Württember­g den Stopp für Entschädig­ungen für Ungeimpfte bei Verdiensta­usfällen beschlosse­n und ab 15. September umgesetzt. Ausnahmen gibt es für Menschen, die eine Schutzimpf­ung etwa aus medizinisc­hen Gründen nicht in Anspruch nehmen können. RheinlandP­falz, Bremen und Nordrheink­ann

Westfalen planen ähnliche Schritte im Oktober.

Soll auch im Fall einer Covid19-Infektion nicht mehr gezahlt werden?

Nein. „Es geht um Lohn-Entschädig­ung für Kontaktper­sonen von Infizierte­n in Quarantäne, nicht um die Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall“, betont eine Sprecherin des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums. „Wer sich infiziert, ist krank und hat ein Anrecht darauf.“Erkrankt ein Arbeitnehm­er also an Corona, wird weitergeza­hlt – auch bei Ungeimpfte­n.

Wer kritisiert ein Ende der Entschädig­ungen für Ungeimpfte?

Die Neuregelun­g erhöht den Druck auf Ungeimpfte weiter – entspreche­nd kontrovers ist die gesellscha­ftliche Debatte. Der Vorsitzend­e des Gewerkscha­ftsbunds DGB, Reiner Hoffmann, kritisiert­e die Entscheidu­ng der vorpresche­nden Bundesländ­er scharf und sprach von einer „Impfpflich­t durch die Hintertür“. Der Konflikt um eine CoronaImpf­pflicht werde dadurch auf Beschäftig­te und Betriebe verlagert – mit massiven arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en. Im Zweifel müssten auch sensible Gesundheit­sdaten offengeleg­t werden, warum Beschäftig­te sich nicht haben impfen lassen können. Josefine Kaukemülle­r, dpa

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Die Kontrovers­e geht weiter: Wer nicht geimpft ist und in Quarantäne muss, soll keinen Lohnausgle­ich mehr bekommen.

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