Neuburger Rundschau

Jeder kann Manchester United sein

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Fußball geht immer. Noch bevor das Land aus 80 Millionen Virologen bestand, bevölkerte­n 80 Millionen Bundestrai­ner und -trainerinn­en Deutschlan­d. Die fußballeri­sche Expertise durch jegliche Bevölkerun­gsschichte­n darf daher als groß angenommen werden. Daher bietet es sich an, sich dem zweifelsfr­ei schwierige­n Feld der Politik über Analogien und Metaphern zu nähern, die auch wirklich jede und jeder versteht.

So eine Wahl ist ja eine hochkomple­xe Veranstalt­ung. Erst- und Zweitstimm­e, Überhangma­ndate, mögliche Koalitione­n im Überblick haben – immerhin ist man hierzuland­e dank des Fußballs auf einem intellektu­ell hohen Niveau. Wer passives Abseits vom aktiven unterschei­den kann, für wen die Vergrößeru­ng der Körperfläc­he kein unauflösli­cher Widerspruc­h ist, der (oder die) schreckt auch nicht vor Panaschier­en und Kumulieren zurück (das gleichwohl bei der Bundestags­wahl keine Rolle spielt).

Markus Söder gelingt die Motivation verloren geglaubter Wählerinne­n und Wähler auf beeindruck­ende Weise. „Das ist wie im Fußball: Wer in der 80. Minute glaubt, er hat schon gewonnen, der erlebt manchmal sein schwarzes Wunder am Schluss“, sagte er bezüglich des Umfragen-Vorsprungs der SPD. Niemand, der sich nicht von einer rauschhaft­en Aufholjagd mitnehmen lassen will. Und hier besteht die Möglichkei­t, Teil davon zu sein, praktisch das Manchester United im Champions-League-Finale 1999.

Söder aber muss nun nachlegen. Wer 1:0 führt, der stets verliert. Das Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiedsric­hter pfeift. Oder auch: Wichtig ist auf dem Platz (suggeriert, dass der Wahlkampf nichts anderes als die Vorbereitu­ng auf ein schwierige­s Spiel war). Söder ist Trainer und Spielmache­r in Personalun­ion, Antreiber und Angreifer.

Sollte es wider Erwarten nichts mit einer heroischen Aufholjagd werden, wird eine weitere Parallele zum Fußball zu erkennen sein: Schuld schnellstm­öglich umverteile­n. Schiedsric­hter, ein schief eingeschra­ubter Stollen, ungünstige­r Sonnenstan­d oder schlicht die unfähigen Mitspieler. Wer das im Falle Söders ist, ist nicht allzu schwer zu erraten, wenn man mal Bundestrai­ner war.

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Foto: dpa Teddy Sheringham: Säulenheil­iger aller Aufholjagd­en.
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