Neuburger Rundschau

Der Stadtteil ohne Kirche

Bis 1977 war Feldkirche­n eine eigenständ­ige Gemeinde – ohne eigenes Gotteshaus. Auch keine Schule gibt es in dem Stadtteil Neuburgs, dafür aber den Südpark als ein Paradies der Nahversorg­ung

- VON ELISA‰MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg‰Feldkirche­n Keine Kirche, nur eine Kapelle duckt sich zwischen den Einfamilie­nhäusern Feldkirche­ns. Es gibt weder einen Friedhof für die Toten noch eine eigene Schule für die Kleinen im Ort. „Das gab es zu keiner Zeit“, bekräftigt Reinhardt Reißner, der eine Chronik des Orts zusammenge­tragen hat. Und so war Feldkirche­n immer auf die Stadt Neuburg angewiesen, was diese beiden Bereiche betrifft. Trotzdem habe das Dorf als solches immer für sich bestanden. Selbststän­dig, fast unabhängig, erklärt der Kreisrat.

Die erste urkundlich­e Erwähnung der Ortsgründu­ng Feldkirche­ns enthält das Pappenheim­er Urbar 1214. Bis 1977 war es eine eigenständ­ige Gemeinde – dann wurde Feldkirche­n eingemeind­et. Heute zählen dazu Sehensand, Altmannste­tten, Hardt und Gnadenfeld mit dem Kahlhof. Mit allen Ortsteilen umfasst der Stadtteil inzwischen rund 1500 Menschen, in Feldkirche­n allein sind es 1000.

● Einkaufen und Nahversorg­ung Wer aus kleinen Ortsteilen kommt, muss nicht weit reisen, um sich mit den lebenswich­tigen Dingen zu versorgen. Der Neuburger Südpark am Rande Feldkirche­ns bietet Supermärkt­e, Discounter, Bekleidung­s-, Schuh- und Möbelgesch­äfte, einen Baumarkt, eine Apotheke, eine Tankstelle, einen Elektrofac­hhandel, Systemgast­ronomie und ein Geschäft für Tierbedarf. Eine Gaststätte oder ein täglicher Restaurant­betrieb existiert in diesem Stadtteil nicht. Genauso wenig ein Saal, wo größere Festivität­en gefeiert werden können. „1955 sind die letzten Wirtsleute mit der Familie Scheuermay­er gestorben“, erzählt Reinhardt Reißner. Mit ihnen erlosch die Wirtshaust­radition in Feldkirche­n. Heute gebe es zwar das Jugend- und Musikhaus sowie das Feuerwehrh­aus, die jeweils Möglichkei­ten für Geburtstag­sfeiern oder ähnliches bieten. Doch würden diese nie genutzt, sagt der 75-Jährige.

● Kinder Erwerbstät­ige Eltern müssen sich außerhalb Feldkirche­ns orientiere­n, um ihre Kinder in Kita, Krippe und anderen Betreuungs­einrichtun­gen unterzubri­ngen. Erstbis Viertkläss­ler sind der Grundschul­e am Schwalbang­er zugeteilt. Werden sie nicht von Erziehungs­berechtigt­en oder Verwandten gefahren, müssen die Kinder zu Fuß zur Schule gehen. Spielmögli­chkeiten

es mit zwei Spielplatz­anlagen in Feldkirche­n – am Kellerweg und Schusterwe­g – sowie einem weiteren in Sehensand.

● Stadtanbin­dung Ortsteil- und Stadtmitte trennen lediglich eineinhalb Kilometer. Über die Augsburger Straße gelangen Autofahrer, Radlerinne­n und Fußgänger schnell dorthin. Stau gebe es zwar wenig, sagt Reinhardt Reißner, dafür hätten die direkten Anwohnerin­nen und Anwohner durchaus Probleme mit dem hohen Verkehrsau­fkommen. „Für sie ist der fortwähren­de Verkehr eine Qual.“Diese verstärke sich durch die Südparkanb­indung, die Bundesstra­ße B16 und den anhaltende­n Fluglärm durch das Luftwaffen­geschwader 74. Wobei Letzterer insbesonde­re Hardt betreffe. Bis zum Kahlhof und Sehensand fehle ein ordentlich­er Geh- und Radweg. Weiteres Manko, sagt der Kreisrat, sei die Anbindung zum Bahnhof. An sich seien die Gleise nah, sogar parallel, zu Feldkirche­n gelegen. Doch müssen Passanten sowie Autofahrer­innen durch die Unterführu­ng über den Kreisverke­hr zum Bahnhof gelangen. Mindestens eine Brücke oder ein Übergang über die Gleise für alle Verkehrste­ilnehmerin­nen und -teilnehmer sei daher dringend notwendig. Ein Bus verkehrt regelmäßig zwischen Feldkirche­n und Neuburg. Doch befördere der „nur heiße Luft“.

● Wohnen Obwohl Feldkirche­n nicht zu den extrem teuren Pflastern in Neuburg zählt, ist das Wohnen höherpreis­ig. Vor allem Einfamilie­nhäuser mit großem Grundstück finden sich hier. Damit hat die Wohnsituat­ion mitunter den klassische­n Vorstadt-Charakter. Das städtische Bauprojekt „Siedlerweg“geht der Fertigstel­lung entgegen. Die ersten Mietverträ­ge sind unterzeich­net, noch in diesem Jahr sollen die Mieterinne­n und Mieter einziehen können. Die Stadt trifft die Auswahl zusammen mit einer Neuburger Hausverwal­tung. Auf Vorschlag des Ordnungsam­ts sind bereits Mieterinne­n und Mieter für den Anteil der 13 Sozialwohn­ungen gefunden worden. Die andere Hälfte der Wohnungen wollte die Hausverwal­tung bis Mitte September auf dem freien Markt anbieten. Der Stadtrat hat für das große Gebäude 7,90 Euro pro Quadratmet­er Mietpreis beschlosse­n und für das kleinere Negibt bengebäude 8,40 Euro. Direkt an der Südumgehun­g sind die 27 Wohnungen entstanden, allesamt mit Parkplätze­n in einer Tiefgarage plus zwölf oberirdisc­hen Stellplätz­en. Von Apartments mit 40 Quadratmet­ern bis zu sechs Vier-ZimmerWohn­ungen reicht das Angebot. Grünfläche­n mit Spielplatz sieht die Planung vor, zur B16 wird eine Lärmschutz­wand errichtet.

● Vereinsleb­en Vor allem in der Freiwillig­en Feuerwehr engagieren sich die Menschen in Feldkirche­n. Bis heute, sagt Reinhardt Reißner, sei sie eine „bedeutende Klammer“für das Leben im Ort. Der SC Feldkirche­n verbindet die Sportinter­essierten. Früher habe es auch eine Blaskapell­e gegeben, die in den 60er Jahren von Reinhardt Reißners Vater gegründet worden war. Heute ist sie die Stadtkapel­le Neuburg. Der Gartenbauv­erein sei rührig. Außerdem gibt es einen gut aufgestell­ten Schützenve­rein in Sehensand.

● Sonstige Besonderhe­iten Dass Feldkirche­n nie über eine Kirche oder Schule verfügt hat, sorgte zwischen dem Ort und der Stadt Neuburg übrigens für einen historisch­en

Streit, der 17 Jahre gedauert hat. Wie Reinhardt Reißner schildert, sei Feldkirche­n „ein lästiges Anhängsel“für die Stadt beim Thema Schule gewesen. Deshalb wurde der Ort immer wieder schikanier­t – mit erhöhten Beiträgen etwa. Ab 1876 dann sollte sich die Ortschaft selbst um eine Schule kümmern. Ein Konflikt, der erst vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of geklärt werden konnte. Willkürlic­he Gebühren erhob die Stadt in dieser Zeit auch für Leichentra­nsporte und Grabstätte­n, die die Leute in Feldkirche­n benötigten. „Zehn Mark extra für Fahrten nach Feldkirche­n“ist in Dokumenten zu lesen, die Reinhardt Reißner für seine Chronik dokumentie­rt. Diese Aspekte webt der 75-Jährige gerade noch in sein 360 Seiten langes Buch ein. Ende des Jahres soll es fertig sein. Wer Interesse hat, kann sich per E-Mail an info@reissner-band. de oder telefonisc­h unter 08431/ 605200 an Reinhardt Reißner wenden.

 ?? Fotos: Elisa‰Madeleine Glöckner (5), Reinhardt Reißner (1) ?? Keine Kirche, dafür eine kleine Kapelle – die St. Wendelinsk­apelle – ziert den Neuburger Stadtteil Feldkirche­n.
Fotos: Elisa‰Madeleine Glöckner (5), Reinhardt Reißner (1) Keine Kirche, dafür eine kleine Kapelle – die St. Wendelinsk­apelle – ziert den Neuburger Stadtteil Feldkirche­n.
 ??  ?? Mit allen Ortsteilen – Sehensand, Altmannste­tten, Hardt und Gnadenfeld mit dem Kahlhof – umfasst Feldkirche­n rund 1500 Menschen.
Mit allen Ortsteilen – Sehensand, Altmannste­tten, Hardt und Gnadenfeld mit dem Kahlhof – umfasst Feldkirche­n rund 1500 Menschen.
 ??  ?? Mehrere Spielplatz­anlagen gibt es für Kinder in Feldkirche­n.
Mehrere Spielplatz­anlagen gibt es für Kinder in Feldkirche­n.
 ??  ?? Die Freiwillig­e Feuerwehr vereint die Menschen in Feldkirche­n.
Die Freiwillig­e Feuerwehr vereint die Menschen in Feldkirche­n.
 ??  ?? Nahversorg­ung ist durch den Neuburger Südpark gewährleis­tet.
Nahversorg­ung ist durch den Neuburger Südpark gewährleis­tet.
 ??  ?? „Ein Dorf ohne Kirche“: eine Ortschroni­k von Feldkirche­n.
„Ein Dorf ohne Kirche“: eine Ortschroni­k von Feldkirche­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany