Nobles Fundstück auf dem Dachboden
Der Kinderwagen von Fritz Centmeier aus Klingsmoos war im 19. Jahrhundert ein wahrer Trendsetter
Karlshuld Schmal, hoch gebaut, mit großen Rädern, weißem Porzellangriff, genieteter Rückenlehne und einem hell bespannten Verdeck – der Kinderwagen von Fritz Centmeier entsprach der Mode der Gründerzeit im 19. Jahrhundert. Der Ende 2005 verstorbene Klingsmooser wurde am 24. Mai 1923 als Sohn des Landwirt-Ehepaars Otto und Josepha Centmeier geboren. Der Kinderwagen gehörte zu den Exponaten, die in einer Ausstellung über den Heimatforscher im Haus im Moos gezeigt wurde.
„Das war eher ein Nobel-Kinderwagen, der Fritz stammte aus verhältnismäßig wohlhabendem Haus, der Vater hatte neben der Landwirtschaft eine Spedition“, erzählt Museumsleiter Fritz Koch, der gerade die Sammlung im Depot in der Alten Putzerei sichtet. Seit der Biedermeierzeit unterlagen Kinderwägen der Mode, meist angelehnt an die aktuellen Trends wie etwa bei Kutschen und später in der Automobil-Industrie.
Während Kinder im Alltag meist im Handwagen, der mit Kissen ausgepolstert war, transportiert und in der Regel von Geschwistern beaufsichtigt wurden, diente ein solch nobles Gefährt eher der Ausfahrt am Sonntagnachmittag, ganz nach dem Motto „Sehen und Gesehen“werden. Interessant an dem Kinderwagen sind die großen Räder, die sogar ineinandergreifen. Die hintere Radachse ist breiter und die Räder größer, sodass sie nicht mit den etwas kleineren der schmaleren Vorderachse kollidieren, obwohl sie sich einige Zentimeter überschneiden. Der geflochtene Korb ist mit Lederriemen an stählernen C-Bögen aufgehängt. „Der Kinderwagen ist genauso gefedert wie die Kutschen damals“, erklärt Museumsleiter Koch. Da der Kinderwagen ohnehin sehr hoch gebaut ist, ragt der Griff nur gute zehn Zentimeter über den Korb hinaus.
Die Provenienz, also die Herkunft des Exponates, ist in diesem Fall laut Fritz Koch leicht zu ermitteln. Der Kinderwagen befand sich auf dem Dachboden der Familie Centmeier, die zu den ersten Kolonisten gehörte. Ein Vorfahre von Fritz Centmeier war 1802 aus dem baden-württembergischen Schwetzingen ins Donaumoos eingewandert.
Er selbst war Mitglied im Königsmooser Gemeinderat, engagierte sich als Jagdvorsteher, Verbandsvorsteher des Wasserverbandes Donaumoos, Obmann der Feldgeschworenen und nicht zuletzt als Heimatforscher und Chronist seiner Heimat, des Königsmooser Ortsteils Klingsmoos.