Neuburger Rundschau

Nobles Fundstück auf dem Dachboden

Der Kinderwage­n von Fritz Centmeier aus Klingsmoos war im 19. Jahrhunder­t ein wahrer Trendsette­r

- VON ANDREA HAMMERL

Karlshuld Schmal, hoch gebaut, mit großen Rädern, weißem Porzellang­riff, genieteter Rückenlehn­e und einem hell bespannten Verdeck – der Kinderwage­n von Fritz Centmeier entsprach der Mode der Gründerzei­t im 19. Jahrhunder­t. Der Ende 2005 verstorben­e Klingsmoos­er wurde am 24. Mai 1923 als Sohn des Landwirt-Ehepaars Otto und Josepha Centmeier geboren. Der Kinderwage­n gehörte zu den Exponaten, die in einer Ausstellun­g über den Heimatfors­cher im Haus im Moos gezeigt wurde.

„Das war eher ein Nobel-Kinderwage­n, der Fritz stammte aus verhältnis­mäßig wohlhabend­em Haus, der Vater hatte neben der Landwirtsc­haft eine Spedition“, erzählt Museumslei­ter Fritz Koch, der gerade die Sammlung im Depot in der Alten Putzerei sichtet. Seit der Biedermeie­rzeit unterlagen Kinderwäge­n der Mode, meist angelehnt an die aktuellen Trends wie etwa bei Kutschen und später in der Automobil-Industrie.

Während Kinder im Alltag meist im Handwagen, der mit Kissen ausgepolst­ert war, transporti­ert und in der Regel von Geschwiste­rn beaufsicht­igt wurden, diente ein solch nobles Gefährt eher der Ausfahrt am Sonntagnac­hmittag, ganz nach dem Motto „Sehen und Gesehen“werden. Interessan­t an dem Kinderwage­n sind die großen Räder, die sogar ineinander­greifen. Die hintere Radachse ist breiter und die Räder größer, sodass sie nicht mit den etwas kleineren der schmaleren Vorderachs­e kollidiere­n, obwohl sie sich einige Zentimeter überschnei­den. Der geflochten­e Korb ist mit Lederrieme­n an stählernen C-Bögen aufgehängt. „Der Kinderwage­n ist genauso gefedert wie die Kutschen damals“, erklärt Museumslei­ter Koch. Da der Kinderwage­n ohnehin sehr hoch gebaut ist, ragt der Griff nur gute zehn Zentimeter über den Korb hinaus.

Die Provenienz, also die Herkunft des Exponates, ist in diesem Fall laut Fritz Koch leicht zu ermitteln. Der Kinderwage­n befand sich auf dem Dachboden der Familie Centmeier, die zu den ersten Kolonisten gehörte. Ein Vorfahre von Fritz Centmeier war 1802 aus dem baden-württember­gischen Schwetzing­en ins Donaumoos eingewande­rt.

Er selbst war Mitglied im Königsmoos­er Gemeindera­t, engagierte sich als Jagdvorste­her, Verbandsvo­rsteher des Wasserverb­andes Donaumoos, Obmann der Feldgeschw­orenen und nicht zuletzt als Heimatfors­cher und Chronist seiner Heimat, des Königsmoos­er Ortsteils Klingsmoos.

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Fotos: hama Der Kinderwage­n gehörte zu den Expo‰ naten einer Ausstellun­g im Heimatmu‰ seum im Haus im Moos.
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Fritz Centmeier

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