Neuburger Rundschau

Der Machtmecha­niker

Nathanael Liminski hält in der Staatskanz­lei von Nordrhein-Westfalen für Armin Laschet die Fäden in der Hand. Vielleicht tut er das künftig von Berlin aus. Dafür allerdings müsste der Kanzlerkan­didat zunächst vor Olaf Scholz landen

- VON STEFAN KÜPPER

Düsseldorf Von seinem Büro hat Nathanael Liminski einen ziemlich weitreiche­nden Blick. Auf Vater Rhein, auf die Landeshaup­tstadt Düsseldorf und die Regierung sowieso. Der Chef der Staatskanz­lei des Landes Nordrhein-Westfalen sorgt von hier aus dafür, dass die schwarz-gelbe NRW-Koalition geschmeidi­g läuft. Er macht das nach weitgehend einhellige­r Meinung – auch des politische­n Gegners – ziemlich gut. Weshalb es wenig erstaunen würde, wenn Liminski nach der Bundestags­wahl vielleicht öfter an der Spree wäre. Und zwar in dem Büro, in dem derzeit noch Helge Braun sitzt. Der Chef des Bundeskanz­leramtes. Wenn.

Dem langsam, aber unaufhalts­am nach Norden fließenden Rhein aus der Staatskanz­lei zuzusehen, beruhigt in aller Regel. Das kann keinesfall­s schaden, denn so viel Druck wie in diesen Tagen lastete noch nie auf Liminskis Chef, Unions-Kanzlerkan­didat Armin Laschet. Und damit auch auf ihm selbst. Laschets „rechter Hand“, seinem „Schattenma­nn“oder wie auch immer der als „neokonserv­ativ“gelabelte 36-Jährige während seines Aufstiegs schon bezeichnet wurde.

Niemand mehr erwartet von CDU/CSU die irgendwann mal anvisierte­n 30 Prozent. Wenn die Umfragen nicht völlig danebenlie­gen (was bei der hohen Zahl Unentschlo­ssener allerdings nicht auszuschli­eßen ist), müsste am Sonntagabe­nd als großer Erfolg verkauft werden, gelänge es dem NRW-Ministerpr­äsidenten noch knapp vor der SPD zu landen. Irgendwie.

Gelänge das tatsächlic­h, gelänge es der Union, sich nach Angela Merkel im Kanzleramt zu halten, wäre Liminskis Weg mutmaßlich vorgezeich­net. Allerdings ist hier mehr Konjunktiv dabei als lange zuvor. Die andere spannende Frage ist deshalb, wie Liminskis Zukunft aussieht, sollte Laschet ab Sonntagabe­nd politisch Vergangenh­eit sein.

Ein Blick zurück, den Rhein herauf. Ein bis zwei Stündchen von hier (abhängig vom ewigen NRWStau) wuchs Liminski in Sankt Augustin als achtes von zehn Kindern in einer römisch-katholisch­en, dem Opus Dei nahestehen­den Familie auf. Er besuchte das Collegium Josephinum Bonn, ein vom Redemptori­stenorden getragenes Gymnasium. Der Einser-Abiturient studierte in Bonn und an der Sorbonne Geschichte, Politikwis­senschaft und Staatsrech­t. Und er machte sich in der JU sowie der Kirche als Mitbegründ­er der papsttreue­n „Generation Benedikt“einen Namen.

Wie der Papst gehört auch Lady Bitch Ray zu Liminskis Leben. Die promoviert­e Ex-Skandalrap­perin war 2007 bei „Maischberg­er“von den Diskurs-Choreograf­en der Rederunde neben dem damals 22-Jährigen in Reichweite seines linken Oberschenk­els platziert worden. Während der Student dort mit sauberem Scheitel sein Bekenntnis zu keinem Sex vor der Ehe erläuterte, suchte die Dame Körperkont­akt, was Liminski mit dem gelassenen Satz konterte: „Ich kann kaum an mich halten.“ Kein Liminski-Porträt kommt ohne diesen Talkshow-Auftritt aus, weil dort jemand einem Millionenp­ublikum in Erscheinun­g trat, der zwar seither als stockkonse­rvativ dastand, seine Haltung zur Sexualmora­l aber freundlich-gelassen begründete und dabei nicht missionier­te. Und dessen erstes Kind später übrigens unehelich geboren wird.

Liminskis rhetorisch­e Fähigkeite­n und auch sein Humor schadeten seiner politische­n Karriere nicht. Die Fahrt aufnahm, als er zunächst als Redenschre­iber beim hessischen Ministerpr­äsidenten Roland Koch (CDU) zeichnete, bevor er ins Bundesvert­eidigungsm­inisterium wechselte. Das wurde damals zunächst von Karl Theodor zu Guttenberg und nach dessen Plagiatsaf­färe von Thomas de Maizière geführt. Der holte Liminski ins Ministerbü­ro und nahm ihn Anfang 2014 mit ins Innenresso­rt.

Dann allerdings gab Liminski dem Werben Laschets nach, der ihn zurück in die Heimat holen und für das „Projekt 17“gewinnen wollte. In langen Gesprächen ließ der sich überzeugen, kam zurück an den Rhein und wurde, als Laschet vor vier Jahren überrasche­nd die NRWWahl gegen die vormalige Amtsinhabe­rin Hannelore Kraft (SPD) gewann, jüngster Staatskanz­leichef Deutschlan­ds.

Auf dessen nähere Zukunft man gespannt blickt, auch wenn er nach wie vor polarisier­t. Die SPD hatte vor wenigen Wochen versucht, in einem umstritten­en Spot mit dem „erzkatholi­schen“Liminski Wahlkampf gegen die CDU zu machen. Das ging nach hinten los, sogar Bela Anda, früher Regierungs­sprecher von Gerhard Schröder (SPD) twitterte, Wahlwerbun­g gegen Liminski sei „unfair und dumm“, dieser hingegen ein „feiner und kluger Mensch“.

Was andere wieder anders sehen mögen. Zu Liminskis Vergangenh­eit gehört auch, eine missverstä­ndliche Aussage über Homosexuel­le, von der er sich inzwischen distanzier­t hat. Und es gehören 2009 auf freiewelt.net – das damals noch nicht, aber heute der AfD nahesteht – veröffentl­ichte Beiträge dazu, über die er im Frühjahr der Zeit sagte: „Ich habe damals Artikel geschriebe­n, die sehr forsch waren. So würde ich das heute nicht mehr machen, weil ich den Wert eines gesellscha­ftlichen Konsenses – gerade zu schwierige­n, komplexen politische­n Fragen – inzwischen viel mehr schätzen gelernt habe.“

Was sicher hilft, bei weitergehe­nden Ambitionen. Ob NRWs Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst, der unter den möglichen Laschet-Nachfolger­n als Favorit gilt, ihn auf seinem Posten lassen würde? Falls nicht, ist Liminski in der Union bestens vernetzt, Generalsek­retär Paul Ziemiak Pate eines seiner Kinder. Liminski hat bisher auch nicht ausgeschlo­ssen, irgendwann von der zweiten in die erste Reihe zu treten. Vielleicht muss er vorher aber noch Kanzleramt­schef werden.

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Foto: dpa Nathanael Liminski ist der Mann hinter Armin Laschet: Sollte die Union die Wahl ge‰ winnen, könnte er mit seinem Chef ins Kanzleramt nach Berlin wechseln.

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