Neuburger Rundschau

Wären Sie gerne Sekretärin von Herrn Söder?

Interview Kabarettis­tin Luise Kinseher erklärt, warum Frauen in der CSU derzeit eher untergehen und Rollenmust­er in der Politik so schwierig aufzubrech­en sind

- Von Herrn Söder... Interview: Josef Karg

Frau Kinseher, in Ihrer neuen WebTV-Radio-Serie „3 Frauen 1 Auto“, dreht sich alles um eine lustige Fahrgemein­schaft dreier Frauen. Sie nehmen die Zuschaueri­nnen und Zuschauer – wie heißt es so schön – mit in ein bayerische­s Pendler-Universum.

Luise Kinseher: Die drei Damen, die mehr oder weniger notgedrung­en in einer Fahrgemein­schaft vom Land in die Stadt zur Arbeit fahren, stellen eine spezielle Konstellat­ion dar. Die würden sonst nie miteinande­r ins Gespräch kommen, sind völlig unterschie­dliche Typen und wären nie Freundinne­n, wenn sie nicht miteinande­r fahren würden. Das ist das Spannende.

Die einzelnen Folgen dauern nur vier Minuten? Das ist ungewöhnli­ch. Kinseher: Ja, das sind kurze Einblendun­gen in den Mikrokosmo­s dieser drei Frauen. Wenn man alle 20 Folgen am Stück anschaut, fühlt sich das an wie ein Film. Denn die Figuren machen eine Entwicklun­g durch. Langsam entwickeln die Pendlerinn­en eine Freundscha­ft. Und das Ganze steht im Kontext der modernen Sehgewohnh­eiten. Man schaltet schnell irgendwo rein, man kann mit diesem Format alle elektronis­chen Medien bedienen.

Zigtausend­e Menschen pendeln aus dem Umland an jedem Arbeitstag aufs Neue in die Innenstädt­e von München, Nürnberg, Augsburg oder Regensburg. Eigentlich ist Pendeln doch die Hölle. Immer zur Rushhour auf der Straße. Jeden Tag im Stau. Also Pendler sind doch eigentlich arme Hunde! Kinseher: Na ja, ich weiß nicht. Es kommt darauf an, wie man die Zeit nutzt. Pendeln ist in unserer Zeit etwas völlig Normales geworden. Ich muss ja nicht pendeln, weil ich als Kabarettis­tin keinen regelmäßig­en Alltag habe. Aber ich bin auch viel unterwegs. Letztendli­ch ist es die Frage, wie man die Zeit nutzt. Man kann Podcasts hören, lesen oder eben sich unterhalte­n. Ich finde, Pendeln ist nichts Schlimmes.

Mussten Sie privat selbst schon pendeln?

Kinseher: Ja, ich bin früher immer von Geiselhöri­ng nach Straubing mit dem Zug ins Gymnasium gefahren. Das war eine spannende Zeit. Ich habe eigentlich eher diejenigen bemitleide­t, die keine Fahrschüle­r waren. Denn im Zug konnte man Freundscha­ften schließen oder Hausaufgab­en machen. Die Zeit war sehr wertvoll. Außerdem kann man, wenn es schön war, den Zug versäumen. Das eröffnet einem Spielräume im Leben.

Spielräume als eine Art Lebenspuff­er. Kinseher: Ja, schon. In der CoronaZeit haben jetzt auch viele, die im Homeoffice arbeiteten, das Pendeln vermisst. Das Pendeln eröffnet uns die Möglichkei­t, mit etwas Abstand von der Arbeitswel­t ins Private zurückzuko­mmen.

Mal ganz offen gefragt: Sie spielen in der Serie die Tante Birgit, die Ältere des Pendlerinn­en-Trios und arbeiten als Chefsekret­ärin in der Staatskanz­lei. Wäre das auch ein Job für Sie gewesen, wenn es mit dem Kabarett nicht geklappt hätte?

Kinseher: Sekretärin meinen Sie?

Kinseher (lacht): Mmmh? Glaube ich eher nicht. Wenn man so eine Chefsekret­ärin ist, muss man Termine machen und organisier­en. Dem Herrn Söder seine Termine machen? Nein, wirklich nicht!

Apropos Söder und CSU. Wie steht es um die Rolle der Frau in Bayern? Kinseher: Frauen sind in der CSU immer noch nicht richtig an der

Macht angekommen. Markus Söder bemüht sich zwar, in einigen Ministerie­n Damen zu besetzen, trotzdem gehen die in dieser vom Ministerpr­äsidenten so stark geprägten Regierung unter, übrigens genauso wie die Männer. Man kann nicht müde werden, immer wieder die Frauen in Bayern nach vorne zu bringen.

Wie ist es mit den Rollenmust­ern? Kinseher: Die haben sich natürlich in den vergangene­n Jahrzehnte­n schon verändert. Viele Frauen wollen mehr Selbststän­digkeit und ihr eigenes Geld verdienen. Aber letztendli­ch hängen viele auch noch in den traditione­llen Rollenmust­ern fest und wünschen sich einen starken Mann, der auch die Versorgung übernimmt und sie auf Händen trägt. Beides ist schwer zu vereinen. In diesem Zwiespalt sind wir Frauen immer noch, weil man immer noch mit Märchen aufwächst, in denen der Prinz die Prinzessin rettet.

Glauben Sie, dass noch viele Frauen so ticken?

Kinseher:

Ja, weil das einfach in unseren Genen drin ist. Deshalb hakelt es in so vielen Bereichen. Das Gen der Mutter führt ja schon dazu, dass sich Frauen zuerst selbstvers­tändlich für die Kinder verantwort­lich fühlen. Diese Verantwort­ung an den Mann abzugeben, fällt vielen schwer. Da muss ganz viel geredet werden, dass das klappt. Da ist nichts selbstvers­tändlich. Für viele Frauen ist es auch immer noch wichtiger, schön zu sein und zu gefallen, als Macht zu haben oder eine Funktion zu erfüllen.

Ist es möglich, die Muster aufzubrech­en?

Kinseher: Natürlich ist da viel passiert. Aber man darf nicht müde werden, die Frauenthem­en zu besprechen. Auch in der Serie wird die weibliche Sicht auf die Dinge samt ihren Widersprüc­hen auf eine heitere Art dargestell­t. Wenn das immer nur aus der Feministin­nen- oder Intellektu­ellen-Ecke heraus passiert, bringt uns das auch nicht weiter.

Müsste es mehr Frauen in der Politik geben?

Kinseher: Ich finde, Ausgewogen­heit wäre das Klügste und Gescheites­te. Und Frauen in der Politik würden anders agieren. Frau Merkel war die Ausnahme, die hatte fast einen männlichen Führungsst­il. Grundsätzl­ich aber glaube ich, dass Frauen die besseren Teamarbeit­erinnen sind, wenn sie gut sind. Da gibt es nicht so viel Hauen und Stechen.

Täte der Politik ja ganz gut. Kinseher: Ja, klar. Aber solange die Alphatiere immer noch oft vorwegmars­chieren, ist das gar nicht so leicht. Wenn man sich ansieht, was es bedeutet, in einer Partei wie der CSU Karriere zu machen. Das wäre für mich nix!

Warum nicht?

Kinseher: Weil mir die CSU immer noch zu unmodern strukturie­rt ist. Da funktionie­rt Karriere immer noch über Männerseil­schaften. Und wenn du als Frau nur eingesetzt wirst, weil der Modernisie­rungsdruck da ist, und die Frauen insgesamt selbstbewu­sster werden, dann kann ich nur sagen: Da sind andere Parteien besser aufgestell­t.

Wie wichtig ist der „Mama Bavaria“das Gendern?

Kinseher: Da muss man differenzi­eren. Ich habe ja auch Germanisti­k studiert und weiß, wie Sprache sich verändert. Denn in der Sprache bleibt nichts, wie es war. Man spricht heute völlig anders als vor 50 Jahren. Unsere Zeit verlangt danach, ins Bewusstsei­n zu bringen, dass es auch BusfahrerI­nnen gibt. Und das ist wichtig für die Gesellscha­ft. Denn wir assoziiere­n immer noch bestimmte Berufe mit Männern oder Frauen. Damit muss Schluss sein. Denn die Gesellscha­ft schadet sich selbst, wenn wir in diesen Rollenmust­ern verhaften. Es gibt aber auch Genderdisk­ussionen, bei denen ich aussteige.

Was wäre das?

Kinseher: Zum Beispiel bei: der Gast. Gästin? Das ist doch irre! Da wird es abstrus. Oder der Tisch. Wenn es darum geht, alle Artikel aus unserer Sprache zu verbannen, da steige ich aus. Das wird dann völlig verrückt.

Kabarettis­tin Luise Kinseher, 52, ist im niederbaye­rischen Geiselhöri­ng aufgewachs­en und lebt in München. Von 2011 bis 2018 war sie die „Mama Bavaria“auf dem Nockher‰ berg und las dabei Politikern und Politikeri­nnen die Leviten.

 ?? Foto: Stephan Schaar, BR ?? Sie war jahrelang die „Mama Bavaria“, in einer neuen Serie spielt sie die Chefsekret­ärin in der Staatskanz­lei: Wen, wenn nicht Luise Kinseher, könnte man besser über die Rolle der Frauen in Bayern und der CSU befragen?
Foto: Stephan Schaar, BR Sie war jahrelang die „Mama Bavaria“, in einer neuen Serie spielt sie die Chefsekret­ärin in der Staatskanz­lei: Wen, wenn nicht Luise Kinseher, könnte man besser über die Rolle der Frauen in Bayern und der CSU befragen?

Newspapers in German

Newspapers from Germany