Wären Sie gerne Sekretärin von Herrn Söder?
Interview Kabarettistin Luise Kinseher erklärt, warum Frauen in der CSU derzeit eher untergehen und Rollenmuster in der Politik so schwierig aufzubrechen sind
Frau Kinseher, in Ihrer neuen WebTV-Radio-Serie „3 Frauen 1 Auto“, dreht sich alles um eine lustige Fahrgemeinschaft dreier Frauen. Sie nehmen die Zuschauerinnen und Zuschauer – wie heißt es so schön – mit in ein bayerisches Pendler-Universum.
Luise Kinseher: Die drei Damen, die mehr oder weniger notgedrungen in einer Fahrgemeinschaft vom Land in die Stadt zur Arbeit fahren, stellen eine spezielle Konstellation dar. Die würden sonst nie miteinander ins Gespräch kommen, sind völlig unterschiedliche Typen und wären nie Freundinnen, wenn sie nicht miteinander fahren würden. Das ist das Spannende.
Die einzelnen Folgen dauern nur vier Minuten? Das ist ungewöhnlich. Kinseher: Ja, das sind kurze Einblendungen in den Mikrokosmos dieser drei Frauen. Wenn man alle 20 Folgen am Stück anschaut, fühlt sich das an wie ein Film. Denn die Figuren machen eine Entwicklung durch. Langsam entwickeln die Pendlerinnen eine Freundschaft. Und das Ganze steht im Kontext der modernen Sehgewohnheiten. Man schaltet schnell irgendwo rein, man kann mit diesem Format alle elektronischen Medien bedienen.
Zigtausende Menschen pendeln aus dem Umland an jedem Arbeitstag aufs Neue in die Innenstädte von München, Nürnberg, Augsburg oder Regensburg. Eigentlich ist Pendeln doch die Hölle. Immer zur Rushhour auf der Straße. Jeden Tag im Stau. Also Pendler sind doch eigentlich arme Hunde! Kinseher: Na ja, ich weiß nicht. Es kommt darauf an, wie man die Zeit nutzt. Pendeln ist in unserer Zeit etwas völlig Normales geworden. Ich muss ja nicht pendeln, weil ich als Kabarettistin keinen regelmäßigen Alltag habe. Aber ich bin auch viel unterwegs. Letztendlich ist es die Frage, wie man die Zeit nutzt. Man kann Podcasts hören, lesen oder eben sich unterhalten. Ich finde, Pendeln ist nichts Schlimmes.
Mussten Sie privat selbst schon pendeln?
Kinseher: Ja, ich bin früher immer von Geiselhöring nach Straubing mit dem Zug ins Gymnasium gefahren. Das war eine spannende Zeit. Ich habe eigentlich eher diejenigen bemitleidet, die keine Fahrschüler waren. Denn im Zug konnte man Freundschaften schließen oder Hausaufgaben machen. Die Zeit war sehr wertvoll. Außerdem kann man, wenn es schön war, den Zug versäumen. Das eröffnet einem Spielräume im Leben.
Spielräume als eine Art Lebenspuffer. Kinseher: Ja, schon. In der CoronaZeit haben jetzt auch viele, die im Homeoffice arbeiteten, das Pendeln vermisst. Das Pendeln eröffnet uns die Möglichkeit, mit etwas Abstand von der Arbeitswelt ins Private zurückzukommen.
Mal ganz offen gefragt: Sie spielen in der Serie die Tante Birgit, die Ältere des Pendlerinnen-Trios und arbeiten als Chefsekretärin in der Staatskanzlei. Wäre das auch ein Job für Sie gewesen, wenn es mit dem Kabarett nicht geklappt hätte?
Kinseher: Sekretärin meinen Sie?
Kinseher (lacht): Mmmh? Glaube ich eher nicht. Wenn man so eine Chefsekretärin ist, muss man Termine machen und organisieren. Dem Herrn Söder seine Termine machen? Nein, wirklich nicht!
Apropos Söder und CSU. Wie steht es um die Rolle der Frau in Bayern? Kinseher: Frauen sind in der CSU immer noch nicht richtig an der
Macht angekommen. Markus Söder bemüht sich zwar, in einigen Ministerien Damen zu besetzen, trotzdem gehen die in dieser vom Ministerpräsidenten so stark geprägten Regierung unter, übrigens genauso wie die Männer. Man kann nicht müde werden, immer wieder die Frauen in Bayern nach vorne zu bringen.
Wie ist es mit den Rollenmustern? Kinseher: Die haben sich natürlich in den vergangenen Jahrzehnten schon verändert. Viele Frauen wollen mehr Selbstständigkeit und ihr eigenes Geld verdienen. Aber letztendlich hängen viele auch noch in den traditionellen Rollenmustern fest und wünschen sich einen starken Mann, der auch die Versorgung übernimmt und sie auf Händen trägt. Beides ist schwer zu vereinen. In diesem Zwiespalt sind wir Frauen immer noch, weil man immer noch mit Märchen aufwächst, in denen der Prinz die Prinzessin rettet.
Glauben Sie, dass noch viele Frauen so ticken?
Kinseher:
Ja, weil das einfach in unseren Genen drin ist. Deshalb hakelt es in so vielen Bereichen. Das Gen der Mutter führt ja schon dazu, dass sich Frauen zuerst selbstverständlich für die Kinder verantwortlich fühlen. Diese Verantwortung an den Mann abzugeben, fällt vielen schwer. Da muss ganz viel geredet werden, dass das klappt. Da ist nichts selbstverständlich. Für viele Frauen ist es auch immer noch wichtiger, schön zu sein und zu gefallen, als Macht zu haben oder eine Funktion zu erfüllen.
Ist es möglich, die Muster aufzubrechen?
Kinseher: Natürlich ist da viel passiert. Aber man darf nicht müde werden, die Frauenthemen zu besprechen. Auch in der Serie wird die weibliche Sicht auf die Dinge samt ihren Widersprüchen auf eine heitere Art dargestellt. Wenn das immer nur aus der Feministinnen- oder Intellektuellen-Ecke heraus passiert, bringt uns das auch nicht weiter.
Müsste es mehr Frauen in der Politik geben?
Kinseher: Ich finde, Ausgewogenheit wäre das Klügste und Gescheiteste. Und Frauen in der Politik würden anders agieren. Frau Merkel war die Ausnahme, die hatte fast einen männlichen Führungsstil. Grundsätzlich aber glaube ich, dass Frauen die besseren Teamarbeiterinnen sind, wenn sie gut sind. Da gibt es nicht so viel Hauen und Stechen.
Täte der Politik ja ganz gut. Kinseher: Ja, klar. Aber solange die Alphatiere immer noch oft vorwegmarschieren, ist das gar nicht so leicht. Wenn man sich ansieht, was es bedeutet, in einer Partei wie der CSU Karriere zu machen. Das wäre für mich nix!
Warum nicht?
Kinseher: Weil mir die CSU immer noch zu unmodern strukturiert ist. Da funktioniert Karriere immer noch über Männerseilschaften. Und wenn du als Frau nur eingesetzt wirst, weil der Modernisierungsdruck da ist, und die Frauen insgesamt selbstbewusster werden, dann kann ich nur sagen: Da sind andere Parteien besser aufgestellt.
Wie wichtig ist der „Mama Bavaria“das Gendern?
Kinseher: Da muss man differenzieren. Ich habe ja auch Germanistik studiert und weiß, wie Sprache sich verändert. Denn in der Sprache bleibt nichts, wie es war. Man spricht heute völlig anders als vor 50 Jahren. Unsere Zeit verlangt danach, ins Bewusstsein zu bringen, dass es auch BusfahrerInnen gibt. Und das ist wichtig für die Gesellschaft. Denn wir assoziieren immer noch bestimmte Berufe mit Männern oder Frauen. Damit muss Schluss sein. Denn die Gesellschaft schadet sich selbst, wenn wir in diesen Rollenmustern verhaften. Es gibt aber auch Genderdiskussionen, bei denen ich aussteige.
Was wäre das?
Kinseher: Zum Beispiel bei: der Gast. Gästin? Das ist doch irre! Da wird es abstrus. Oder der Tisch. Wenn es darum geht, alle Artikel aus unserer Sprache zu verbannen, da steige ich aus. Das wird dann völlig verrückt.
Kabarettistin Luise Kinseher, 52, ist im niederbayerischen Geiselhöring aufgewachsen und lebt in München. Von 2011 bis 2018 war sie die „Mama Bavaria“auf dem Nockher berg und las dabei Politikern und Politikerinnen die Leviten.